Wie bereits von uns berichtet, haben sich die europäischen Staaten auf eine nochmalige Verlängerung der sog. Massenzustromrichtlinie über den 04.03.2025 hinaus bis zum 04.03.2026 geeinigt. Dies ist nun auch formell vollzogen und im EU-Amtsblatt veröffentlicht worden.
Weiter Probleme für Aufenthaltsverfestigung
Wichtig war dies alleine schon deshalb, um die Möglichkeiten einer Bleibeperspektive in Deutschland zumindest zu verbessern. Die hierbei jetzt und auch im März 2026 noch bestehenden Schwierigkeiten hatten wir schon mehrfach thematisiert:
- Eine Niederlassungserlaubnis in Deutschland setzt für Menschen mit einer Aufenthaltserlaubnis nasch § 24 AufenthG voraus, dass sie diese 5 Jahre besitzen. Zudem muss der Lebensunterhalt zu 100% gesichert sein, und es müssen 60 Monatsbeiträge in die gesetzliche Rentenversicherung nachgewiesen werden. Geflüchtete aus der Ukraine sind hier also schlechter gestellt als anerkannte Flüchtlinge, bei denen nur eine überwiegende Lebensunterhaltssicherung erforderlich ist.
- Grundsätzlich ist zwar ein Wechsel in nahezu jede andere Aufenthaltserlaubnis aus § 24 heraus möglich,setzt aber auch dort überwiegend die 100%ige Lebensunterhaltssicherung voraus und hängt damit dann zudem am Bestehen eines entsprechenden Arbeitsverhältnisses ab, was mit gewissen Unsicherheiten verbunden ist.
- Die Gruppe der UkrainerInnen ist überwiegend weiblich und mit minderjährigen Kindern und Jugendlichen. Dies verhindert oder erschwert zumindest den Wechsel in eine Beschäftigung, weil gerade für die Gruppe „Alleinerziehend“ oft Sprachkursplätze ebenso fehlen wie Kita-Plätze oder Schulplätze.
- Es bräuchte demnach einer nationalgesetzlichen Gleichstellung mit anerkannten Geflüchteten nach § 26 Abs. 3 AufenthG statt bisher Abs. 4.
Informell hört man, dass schon diese Verlängerung der Massenzustromrichtlinie auf europäischer Ebene schwierig war und vermutlich so das letzte Mal durchgeführt wurde. Ein Teil der o.g. offenen Punkte wird damit letztlich nur um ein weiteres Jahr verlagert, ohne gelöst zu werden.
Begründung zum Beschluss des Europäischen Rates
Interessant hingegen ist die offizielle Begründung für den Beschluss. Hier heisst es u.a.:
6) | Derzeit genießen rund 4,19 Mio. Vertriebene aus der Ukraine vorübergehenden Schutz in der Union. Die Gesamtzahl der registrierten Menschen, die vorübergehenden Schutz genießen, ist mit rund 4,19 Mio. bei einer anhaltend leicht steigenden Tendenz stabil geblieben; von ihnen geben nur wenige an, dauerhaft in die Ukraine zurückzukehren. Aufgrund der Lage in der Ukraine sind die Voraussetzungen für eine sichere und dauerhafte Rückkehr der Vertriebenen in die Ukraine nicht gegeben. Die Zahl der Binnenvertriebenen in der Ukraine liegt Schätzungen der Internationalen Organisation für Migration zufolge bei 3,6 Mio. (Stand Mai 2024). 80 % aller Binnenvertriebenen wurden nach eigenen Angaben vor einem Jahr oder früher vertrieben. Nach einer Schätzung des Amts der Vereinten Nationen für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten benötigen im Jahr 2024 mehr als 14,6 Mio. Menschen im Land dringend humanitäre Hilfe. |
(7) | Aufgrund der schwierigen humanitären Bedingungen, einer allgemeinen Instabilität und der unsicheren Lage in der Ukraine infolge Russlands Angriffskriegs, darunter verstärkte wiederholte Luftangriffe auf Zivilisten im ganzen Land, kann die Ankunft zahlreicher weiterer Menschen nicht ausgeschlossen werden. Es besteht nach wie vor die Gefahr einer Eskalation. Gleichzeitig ist die Effizienz der nationalen Asylsysteme weiterhin bedroht; würde der vorübergehende Schutz bald enden, würden gleichzeitig alle Anspruchsberechtigten gleichzeitig internationalen Schutz beantragen. |
(8) | Da die hohe Zahl der Vertriebenen in der Union, die vorübergehenden Schutz genießen, voraussichtlich nicht sinken wird, solange der Krieg gegen die Ukraine anhält, ist eine Verlängerung des vorübergehenden Schutzes erforderlich, um der Situation der Menschen, die derzeit vorübergehenden Schutz in der Union genießen oder ab dem 5. März 2025 benötigen werden, gerecht zu werden. Vorübergehender Schutz gewährt sofortigen Schutz und einheitliche Rechte und reduzieren gleichzeitig die Formalitäten im Falle eines Massenzustroms in die Union auf ein Minimum. Die Verlängerung des vorübergehenden Schutzes wird auch dazu beitragen sicherzustellen, dass die Asylsysteme der Mitgliedstaaten nicht dadurch überlastet werden, dass die Zahl der Anträge auf internationalen Schutz erheblich ansteigt, die bei einem Ende des vorübergehenden Schutzes am 4. März 2025 von den Menschen, die bis dahin vorübergehenden Schutz genießen, oder danach von Menschen auf der Flucht vor dem Krieg in der Ukraine, die am oder vor dem 4. März 2026 in die Union einreisen, gestellt werden könnten. |
Abgesang auf populistische Forderungen
Damit sind die Aussagen des Europäischen Rates der EU mehr als deutlich und strafen die immer stärker werdenden Rückkehr- oder gar Abschiebephantasieen deutscher PolitikerInnen eindeutig der Lüge.
Beispielhaft hierzu folgende Forderungen:
“Es muss jetzt über zwei Jahre nach Kriegsbeginn der Grundsatz gelten: Arbeitsaufnahme in Deutschland oder Rückkehr in sichere Gebiete der Westukraine”
Alexander Dobrindt, CSU, in Bild am Sonntag
Im Beschluss des Europäischen Rates ist klargestellt, dass es eben diese sicheren Gebiete nicht gibt.
Eine andere populistische Forderung:
Parteichef Markus Söder erklärte im Interview mit Münchner Merkur/tz, dass eine unionsgeführte Regierung wehrpflichtige Ukrainer zurückschicken werde, „wenn die Ukraine uns darum bittet“. Dazu könnte es bald kommen: Am Mittwoch wurde bekannt, dass Kiew die Rekrutierung seiner im europäischen Ausland lebenden männlichen Staatsbürger im wehrfähigen Alter plant.
Münchner Merkur
Auch hier gibt es gar keine rechtliche Grundlage. Die Massenzustromrichtlinie an sich und auch der Beschluss dazu differenziert nicht nach Alter, Geschlecht oder anderen Fragen. Dementsprechend haben natürlich auch ukrainische Männer im wehrfähigen Alter einen Anspruch auf den Schutzstatus nach § 24 AufenthG.
Die letzte immer wieder gehörte Forderung ist zudem, dass UkrainerInnen nicht mehr Bürgergeld beziehen sollen, sondern nur noch Leistungen nach dem AsylbLG. Abgesehen davon, dass dies die Kostenlast vom Bund auf die Länder verschieben würde, hätte dies vermutlich genau das zur Folge, was die EU mit der Verlängerung der Massenzustromrichtlinie u.a. verhindern will: Die Überlastung des Asylsystems und massenhafte Anträge von UkrainerInnen darauf.
Genau dies würde jedoch geschehen, wenn man sie bei den Leistungen nicht mehr anerkannten Geflüchteten gleichstellt, die ja auch Bürgergeld beziehen und denen man – umgekehrt – im Frühjahr 2022 die Geflüchteten aus der Ukraine anglich. Und nebenbei – genau dies droht auch immer noch zum März 2026, sollte die Massenzustromrichtlinie dann nicht mehr verlängert werden oder alternativ Anpassungen im nationalen Recht erfolgen.