Heute hat der Berliner Senat nun endlich eine Regelung für DrittstaatlerInnen beschlossen, die aus der Ukraine fliehen mussten. Seit April wurde darüber auf Senatsebene diskutiert. Mehrfach sah es zwischenzeitlich danach aus, als wäre eine Lösung gefunden, aber ebenso mehrfach zerschlug sich dies wieder aus uns unklaren Gründen. Die nun beschlossene Lösung ist allerdings eher nur ein Feigenblatt als ein echter Schritt.
Zum Hintergrund:
Geflüchtete aus der Ukraine, die nicht ukrainischer Nationalität sind, aber in der Ukraine ein mindestens mittelfristiges Aufenthaltsrecht hatten, also mehr als die 90 Tage eines Touristenvisums, können den Schutzstatus nach § 24 AufenthG beantragen. Ihnen wird dieser Status jedoch nur dann zuerkannt, wenn es ihnen nicht möglich ist, „sicher und dauerhaft“ in ihr Herkunftsland zurückzukehren.
Die Auslegung dieses „sicher und dauerhaft“ ist individuell zu prüfen und dabei schwerer zu erfassen und zu beurteilen, als das offenbar Viele denken. Aus diesem Grund und auch aus Gründen der Gleichbehandlung aller Geflüchteter aus der Ukraine unabhängig von ihrer Nationalität sollte es eine Regelung geben, die einen längeren Aufenthalt in Deutschland ermöglicht.
Den Menschen soll nun Fiktionsbescheinigung auf Basis des § 24 AufenthG für sechs Monate erteilt werden, wenn sie in der Ukraine studiert haben und dies glaubhaft machen können. Auszubildende oder Menschen, die ein Arbeitsvisum besessen haben, sind dagegen in diese Regel nicht eingeschlossen.
Grundsätzlich sind diese sechs Monate jedoch weder Fisch noch Fleisch. Sie reichen nicht aus, um hier in Deutschland einen Integrationskurs abzuschließen, der im Schnitt acht bis neun Monate dauert, zu dem man jedoch auch erst einmal den Zugang bekommen und der dann auch verfügbar sein muss.
Dieser ist jedoch die absolute Mindestvoraussetzung für ein Studium in Deutschland, allerdings reicht schon der Abschluss eines Integrationskurses auf dem Niveau B1 oder B2 nur selten zur Aufnahme eines Studiums aus.
Deshalb wurde monatelang in der senatsinternen Arbeitsgruppe gestritten. Schon im Mai zeichnete sich eine erste Einigung ab, die auf eine 12-monatige Fiktionsbescheinigung hinauslaufen sollte, dann aber scheiterte. Zuletzt sah es wieder nach einer Einigung nach 12 Monaten für einen Großteil der Menschen aus.
Diese Einigung ist offenbar wieder gescheitert, diesmal dann offenbar auf der politischen Ebene.
All dies ist für uns völlig unverständlich. Wir versuchen seit Monaten, Drittstaatsangehörige sinnvoll zu beraten. Vielfach wurden ihnen schon grundlos Leistungen verweigert, die ihnen auch bisher bereits eindeutig zustanden. Ebenso gab es aktuell keine Plätze in Integrationskursen mehr, keine beginnenden Kurse oder ihnen wurde auch hier teilweise der Zugang verweigert. Letzteres gilt auch für die vom Land Berlin angebotenen Kurse bei der VHS.
Eine echte Chance auf eine Fortsetzung eines Studiums oder den Beginn einer alternativen Ausbildung setzt Deutschkenntnisse zwingend voraus. Alleine deshalb waren die eigentlich zuletzt geeinigten 12 Monate auch der richtige Kompromiss.
Die individuelle Prüfung, ob eine „sicher und dauerhafte“ `Rückkehr möglich ist, ist daneben sehr aufwendig und setzt in vielen Fällen auch die Einschaltung des BAMF zusätzlich zur Prüfung durch das LEA voraus. Hier sind monatelange aufwändige Verfahren zu erwarten.
All dies hätte man mit einer zeitlich vernünftig aufgestellten Regelung auffangen oder vermeiden können. Dies hätte nicht nur den Menschen Sicherheit gegeben, sondern auch personell wie zeitlich aufwändige Verwaltungsverfahren vermieden, was angesichts der Überlastung beim LEA auch dringend erforderlich gewesen wäre, da schon die bisherige Zahl der an UkrainerInnen erteilten Aufenthaltserlaubnisse zu einer 30-40% höheren Arbeitsbelastung führen.
Alle ExpertInnen haben zu diesen Fragen umfänglich vorgetragen. Wir haben auch auf die Öffnungen durch den Bund verweisen, der explizit einen Spielraum bei der Auslegung und damit auch leistungsrechtlich ermöglicht hat.
Die Integrationsbeauftragte des Berliner Senats forderte als Ergebnis unseres Gespräches, „dass es keine Ungleichbehandlung geben darf“.
Hinter all dem bliebt der Senatsbeschluss leider zurück.
Es muss deshalb dringend nachgebessert werden:
- DrittstaatlerInnen müssen eine 12-monatige Fiktionsbescheinigung erhalten, um überhaupt das Ziel der Senatsregelung erreichen zu können
- Alle DrittstaatlerInnen, die nicht z.B. als Familienmitglied direkt unter § 24 AufenthG fallen, müssen diese Möglichkeit bekommen, nicht nur Studierende.
- Die sog. „Bedeutsamen Verbindungen“ wie auch die individuellen Schwierigkeiten zu einer „dauerhaften“ Rückkehr müssen entsprechend ihrer Bedeutung für die Menschen wie auch im Verfahren vordergründig und mit weitem Ermessen geprüft werden.
Der Bund hat den Ländern weites Ermessen eröffnet und nur „offensichtlich unbegründete“ Fälle davon ausgeschlossen. Ein „offensichtlich unbegründet“ kann jedoch auf Menschen mit einer Aufenthaltserlaubnis in der Ukraine schon per se nicht zutreffen.
Es ist wichtig, dass der Senat hier sehr kurzfristig nachbessert, weil sich per 31.08. wesentliche Voraussetzungen der Ukraine-Übergangs-Verordnung ändern werden.