Weitere Aussetzung des Familiennachzuges, Obergrenze, Asyl- und Rückreisezentren sowie Maghreb als sichere Herkunftsstaaten. Das ist der Kern der Beschlüsse der Sondierungen zwischen Union und SPD.
Die heute abgeschlossenen Sondierungsgespräche zwischen Union und SPD bringen massive Änderungen der Asyl- und Migrationspolitik mit sich. Nichts davon führt zu Verbesserungen, durchgängig alles zu Verschlechterungen. Daneben ist das nun Beschlossene weit entfernt von dem, was die SPD bisher im Rahmen von Programmen, Beschlüssen oder Verkündigen vertreten hat.
Wir stellen im Folgenden die wesentlichen Änderungen in Stichpunkten und Schlagworten zusammen. Das Sondierungspapier haben wir in mit dem betreffenden Kapitel hier textlich abgebildet. In Gänze steht s am Ende zur Verfügung.
Unsere Analyse
Kernpunkte aus den Ergebnissen
Zusammenfassend kann man folgende wesentlichen Punkte benennen:
- weitere Aussetzung des Familiennachzuges für subsidiär Geschützte bis zu einer Neuregelung bis 31.07.
- max. 1.000 Nachziehende pro Monat nach Neuregelung unter humanitären Gesichtspunkten
- keine echte Bleiberegelung für langjährig Geduldete
- keine wirklich Überarbeitung der § 25a & b
- keine neuen Übergänge in echtes Aufenthaltsrecht
- Schwammige Obergrenze von 180.000 bis 220.000 Menschen p.a. inkl Nachzug, Relation und Resettlement
- Algerien, Marokko und Tunesien werden sichere Herkunftsstaaten
- Ankunfts-, Entscheidungs- & Rückreisezentren für alle Menschen ohne gute Bleibeperspektive mit Residenzpflicht und Sachleistungen bis zum Abschluss des Verfahrens und ggfls. Ausreise
Wesentliche Beschlüsse
Grundsätzliche Obergrenze
Obergrenze, Deckel oder mit welcher Bezeichnung auch immer von 180.000 bis 220.000 Menschen p.a.
Hierunter fallen alle Asylberechtigten, anerkannte Geflüchtete, Menschen mit subsidiärem Schutz, Nachzügler, Menschen, die aus Relocationprogrammen oder über das Resettlement aufgenommen wurden. Abgezogen werden dann freiwillig Ausgeeiste wie auch Abgeschobene.
Was nach voller Ausschöpfung von 220.000 Menschen dann passiert, bleibt komplett offen. Eine neu einzusetzende Kommission soll dem Bundestag zwar berichten, aber ob und welche Anpassungen es dann gibt, ist nicht dargestellt.
Europäische Flüchtlingspolitik
Man verständigt sich auf die “übliche” Fluchtursachenbekämpfung, ohne dies konkreter zu formulieren als mit den bekannten Schlagworten.
FRONTEX soll zu einer echten Grenzschutzpolizei ausgebaut werden. Gleiches gilt für die Zusammenarbeit mit Herkunfts- und Transitstaaten.
Eine Verteilung innerhalb der EU soll angestrebt werden. Dabei sollen jedoch deutsche Relation-Kontingente nun auch angepasst werden und offenbar nicht mehr starr und absolut sein. Sprich: Gibt es einen größeren Zustrom von Flüchtlingen, werden Kontingente reduziert.
Familiennachzug
Familiennachzug für subsidiär Geschätzte bleibt vorerst ausgesetzt. Bis 31.07. soll es eine Neuregelung geben. Bis dahin kann offenbar kein Nachzug erfolgen.
Der Familiennachzug soll dann mit max. 1.000 Menschen pro Monat nach humanitären Gesichtspunkten erfolgen. Offenbar schließt dies dann auch einen generellen Nachzugsanspruch weiter aus.
Ehen müssen im Herkunftsland bestanden haben. Menschen, mit schweren Straftaten oder Gefährder haben keinen Nachzugsanspruch. Zudem darf eine zeitnahe Ausreise nicht erwartbar sein.
Gezielt stellt man sich gegen Minderjährige, deren Flucht man damit verhindern will.
Im Januar soll ein Gesetz zur Verlängerung des Aussetzens des Nachzuges für subsidiär Geschützte im Bundestag eingebracht werden, das dann mit einer Neuregelung bis 31.07. verbunden werden soll.
Einwanderungsgesetz für Fachkräfte
Gemeint ist die Einwanderung bereits qualifizierter Fachkräfte nach bisher nicht dargelegtem Muster. Offensichtlich soll dies jedoch erleichtert und attraktiver gemacht werden.
Bleiberechtsregelung ?
Für langjährig Geduldete will man den erlaubten Aufenthalt offenbar erleichtern, WENN sie die Voraussetzungen nach § 25 a oder § 25 b erfüllen. Was das nun genau bedeuten soll, lässt sich nicht wirklich erahnen. Offenbar ist jedoch keine stichtagsbezogene Bleibrechtsreglung damit gemeint. Auch sollen offenbar die § 25a & b nicht erleichtert und reformiert werden, was sie angesichts der geringen Zahlen und Anwendungschancen dringend wären.
Hier werden zwei unterschiedliche Dinge miteinander verknüpft. die wenig miteinander zu tun haben.
Ausbildungsduldung
Geplant ist eine nun bundeseinheitliche Regelung. Genauere wird dazu jedoch nichts gesagt. Damit ist auch nicht feststellbar, ob es sich dabei dann um Erleichterungen oder Verschärfungen handeln soll.
Integration
Kommunen sollen für freiwillige Leistungen auch finanziell gestärkt werden. Man sucht offenbar nach einem Belohnung- und Anreizsystem, wenn Kommunen mehr machen als notwendig.
Bei kurzfristig nicht möglicher Ausreise soll es erweiterte Zugänge zu Sprachkursen und Beschäftigung geben. Damit soll allerdings keine Verfestigung von Aufenthaltsrechten verbunden sein.
ANkER (Ankunfts-, Entscheidungs- und Rückreisezentren)
Neu ankommende Menschen sollen in diesen Zentren untergebracht werden. Dort sollen BAMF, Ausländerbehörde, Justiz, Bundesagentur für Arbeit u.a. sitzen.
Es gilt dort Residenzpflicht bis zur endgültigen Entscheidung bzw. bis zur Ausreise.
Ebenso sollen reine Sachleistungen erfolgen, keinerlei Barleistungen mehr.
UPDATE: Lt. Aussage der SPD sollen die Punkte Residenzpflicht und Sachleistungsprinzip noch gestrichen worden sein. Dies ändert jedoch wenig an unserer Einschätzung und z.B. auch der Tatsache, dass dann ein grundsätzliches Arbeitsverbot besteht.
Verteilt werden sollen vorher nur Menschen mit guter Bleibeperspektive, wenn die positive Bleibeprognose, wie es im Papier heißt, die gleiche Begrifflichkeit sein soll.
Altersfeststellung unbegleitete Minderjährige
Es ist nichts explizit zu einem neuen oder geänderten Verfahren benannt. Da diese Gruppe von Menschen aber explizit im Zusammenhang mit Identifizierung, Name, Herkunft und Alter erwähnt wird, kann sich hier noch etwas verbergen, was zu Änderungen am bisherigen System führen kann.
Sichere Herkunftsstaaten
Algerien, Marokko und Tunesien werden zu sicheren Herkunftssaaten erklärt. Gleiches gilt auch für Staaten, deren Anerkennungsquoten unter 5 & liegen.
Unsere Zusammenfassung
Aus unserer Sicht hat sich eigentlich keine der SPD-Positionen durchsetzt. Es gibt auch kaum erkennbare Abschwächungen der bekannten Positionen der Union. Insgesamt sind die Einreisezentren für Menschen z.B. aus Afghanistan ein absolutes Debakel. Sie werden zukünftig geschätzte zwei Jahre ohne jede Integration mit Sachleistungen in diesen Zentren hocken müssen. Das alles ist die Mehrzahl der Beschlüsse ein integrationspolitisches Debakel. Der blanke Populismus schlägt leider durch und wird Deutschland nicht voranbringen, sondern im Gegenteil Probleme noch verschärfen.
Aus dem Sondierungspapier
Migration und Integration
I. Zuwanderung:
Grundrecht auf Asyl nicht antasten: Wir bekennen uns strikt zum Recht auf Asyl und zum Grundwertekatalog im Grundgesetz, zur Genfer Flüchtlingskonvention, zu den aus dem Recht der EU resultierenden Verpflichtungen zur Bearbeitung jedes Asylantrags sowie zur UN-Kinderrechtskonvention.
Wir sind stolz auf die Integrationsleistung unseres Landes, insbesondere auf das vielfältige ehrenamtliche Engagement in den Städten und Gemeinden. Wir sind uns darüber einig, dass die Integrationsfähigkeit unserer Gesellschaft nicht überfordert werden darf. Integrationsfähigkeit bemisst sich dabei nicht nur daran, wie die Aufnahme und Integration zugewanderter Menschen in die Gesellschaft gelingt, vielmehr beinhaltet sie auch unseren Anspruch, die Lebensbedingungen der hier lebenden Menschen gerade angesichts der zu bewältigenden Zuwanderung zu berücksichtigen (Versorgung mit Kita-Plätzen, Schulen, Wohnungen etc.).
Deswegen setzen wir unsere Anstrengungen fort, die Migrationsbewegungen nach Deutschland und Europa angemessen mit Blick auf die Integrationsfähigkeit der Gesellschaft zu steuern und zu begrenzen, damit sich eine Situation wie 2015 nicht wiederholt.
Bezogen auf die durchschnittlichen Zuwanderungszahlen, die Erfahrungen der letzten zwanzig Jahre sowie mit Blick auf die vereinbarten Maßnahmen und den unmittelbar steuerbaren Teil der Zuwanderung – das Grundrecht auf Asyl und die GFK bleiben unangetastet – stellen wir fest , dass die Zuwanderungszahlen (inklusive Kriegsflüchtlinge, vorübergehend Schutzberechtigte, Familiennachzügler, Relation, Resettlement, abzüglich Rückführungen und freiwilligen Ausreisen künftiger Flüchtlinge und ohne Erwerbsmigration) die Spanne von jährlich 180 000 bis 220 000 nicht übersteigen werden. Dem dient auch das nachfolgende Maßnahmenpaket.
Es soll eine Fachkommission der Bundesregierung eingesetzt werden, die sich mit den Rahmenbedingungen der Integrationsfähigkeit befasst und einen entsprechenden Bericht dem Deutschen Bundestag zuleitet.
Wir wollen Fluchtursachen bekämpfen, nicht die Flüchtlinge.
- Entwicklungszusammenarbeit verbessern
- Ausbau humanitären Engagements
- Engagement für Friedenssicherung ausweiten (u.a. Stärkung internati- onaler Polizeimissionen)
- Faire Handels- und Landwirtschaftspolitik (faire Handelsabkommen) Verstärkter Klimaschutz
- Restriktive Rüstungsexportpolitik
Wir werden eine Kommission Fluchtursachen im Deutschen Bundestag einrichten.
Wir treten ein für ein gemeinsames europäisches Asylsystem einschließlich eines fairen Verteilmechanismus für Schutzbedürftige.
Wir unterstützen eine Politik der EU, die verhindern soll, dass kriminelle Schlepper und Schleuser entscheiden, wer nach Europa kommt. Wir wollen die Zusammenarbeit mit UNHCR, IOM, Herkunfts- und Transitstaaten weiter ausbauen. Zur Sicherung der Freizügigkeit innerhalb Europas gehört ein wirksamer Schutz der europäischen Außengrenzen. Dazu wollen wir Frontex zu einer echten Grenzschutzpolizei weiterentwickeln. Bis der Schutz der EU-Außengrenzen effektiv funktioniert, sind Binnengrenzkontrollen vertretbar.
Wir unterstützen europäische Beschlüsse zur Verteilung von Flüchtlingen (Relocation) und leisten einen angemessenen Beitrag zu Aufnahmekontingenten humanitär Schutzbedürftiger (Resettlement). Die Größenordnung dieses aus humanitären Motiven erfolgenden legalen Zugangs muss jedoch von der Größenordnung des Zugangs humanitär Schutzsuchender insgesamt abhängen.
Das Gesetz zur Aussetzung des Familiennachzugs für subsidiär Schutzbedürftige läuft aus. Anstelle des bisherigen Gesetzes mit einem generellen Familiennachzug für subsidiär Geschützte tritt eine Neuregelung, mit der ein geordneter und gestaffelter Familiennachzug nur aus humanitären Gründen wie folgt geregelt wird;
- Im Rahmen der Gesamtzahl ermöglichen wir 1000 Menschen pro Monat den Nachzug nach Deutschland. Im Gegenzug laufen die EU-bedingten 1000 frei- willigen Aufnahmen pro Monat von Migranten aus Griechenland und Italien aus.
- Dieser Familiennachzug wird nur gewährt,- wenn es sich um Ehen handelt, die vor der Flucht geschlossen worden sind,
– keine schwerwiegende Straftaten begangen wurden,
– es sich nicht um Gefährder handelt,
– eine Ausreise kurzfristig nicht zu erwarten ist. - Mit der gesetzlichen Neuregelung wollen wir Anreize ausschließen, die dadurch entstehen, dass Minderjährige von ihren Eltern unter Gefährdung des Kindeswohls zukünftig auf die gefährliche Reise vorgeschickt werden.
- In den Deutschen Bundestag wird im Januar ein Gesetz eingebracht, das den Status quo (Aussetzung des Familiennachzugs für subsidiär Geschützte) so lange verlängert bis die oben stehende Neuregelung in Kraft gesetzt ist. Mit dieser Abrede ist untrennbar verbunden die unverzügliche Erarbeitung und Verabschiedung der oben genannten gesetzlichen Regelung, bis zum 31.07.2018.
II. Erwerbsmigration:
Der Teil der Migration, den wir steuern können, muss sich primär an den volkswirtschaftlichen Interessen unseres Landes orientieren. Wir wollen ein modernes, in sich konsistentes Migrationsrecht schaffen. Dabei streben wir an, alle Migrationsfragen analog zur Systematik des Sozialgesetzbuchs grundlegend und einheitlich zu kodifizieren. Als ersten Teil dieses Gesetzbuches regeln wir die Fachkräfteeinwanderung.
Wir wollen damit den Zuzug qualifizierter Fachkräfte nach Deutschland attraktiver machen sowie ordnen und steuern. In diesen Kontext gehört auch eine Verbesserung und Vereinfachung für den Aufenthalt langjährig Geduldeter, die die Integrationsanforderungen im Sinne von § 25 a und b des Aufenthaltsgesetzes erfüllen. Die Förderung nach der 3plus2-Regelung für Auszubildende wollen wir bundesweit einheitlich anwenden. Bei alledem wollen wir zusätzliche Belastungen für die sozialen Sicherungssysteme vermeiden.
III. Gelingende Integration
Bestehende Programme zur Entlastung von Ländern und Kommunen werden wir fortführen. Wir prüfen zusätzliche finanzielle Anreize bei freiwilligem Engagement von Kommunen für erfolgreiche Integrationsarbeit.
Wir bekennen uns zur Integration für diejenigen mit dauerhafter Bleibeperspektive. Dazu gehören Sprache und Arbeit. Die Zuständigkeiten wollen wir in diesem Bereich effizienter gestalten. Gleichzeitig sollen insbesondere diejenigen, bei denen die Ausreise kurzfristig nicht zu erwarten ist, Angebote nach dem Grundsatz des Förderns und Forderns für Spracherwerb und Beschäftigung bekommen. Eine Verfestigung von Aufenthaltsrechten wollen wir dabei vermeiden.
IV. Effizientere Verfahren:
Damit die Asylverfahren schnell, umfassend und rechtssicher bearbeitet werden können, erfolgt künftig deren Bearbeitung in zentralen Aufnahme-, Entscheidungs- und Rückführungseinrichtungen (ANkER), in denen BAMF, BA, Justiz, Ausländerbehörden und andere Hand in Hand arbeiten, in denen Residenzpflicht herrscht und das Sachleistungsprinzip gilt. In den ANkER-Einrichtungen sollen Ankunft, Entscheidung, kommunale Verteilung bzw. Rückführung stattfinden.
Die Bundesrepublik Deutschland hat das Recht zu wissen, wer in unserem Land leben will; dazu bestehen besondere Mitwirkungspflichten durch die Ankommenden. Das betrifft zuallererst die umfassende Identitätsfeststellung: Name, Herkunft, Alter, Fingerabdruck. Dies findet in den AnKER-Einrichtungen statt. Dies gilt auch für unbegleitete Minderjährige, bevor deren Inobhutnahme durch die Jugendämter erfolgt. Wir streben an, nur diejenigen auf die Kommunen zu verteilen, bei denen eine positive Bleibeprognose besteht. Alle anderen sollen, wenn in angemessener Zeit möglich, aus diesen Einrichtungen in ihre Heimatländer zurückgeführt werden.
Vollziehbar Ausreisepflichtige müssen unser Land verlassen. Freiwillige Rückkehr und konsequente Abschiebung sind dabei von wesentlicher Bedeutung. Die freiwillige Rückkehr hat Vorrang. Bestehende Hindernisse (z.B. Identitätsfeststellung, Aufnahmewillen der Herkunftsländer, Passersatzbeschaffung, Arbeit der Potsdamer Clearingstelle, ZUR) wollen wir weiter verringern. Wir starten eine Qualitätsoffensive für die Arbeit des BAMF.
Zum Zwecke der Verfahrensbeschleunigung werden Algerien, Marokko und Tunesien sowie weitere Staaten mit einer regelmäßigen Anerkennungsquote unter 5 Prozent zu sicheren Herkunftsstaaten bestimmt. Der Individualanspruch auf Einzelfallprüfung bleibt unberührt. Gleichzeitig wird durch eine spezielle Rechtsberatung für besondere vulnerable Fluchtgruppen deren besondere Schutzwürdigkeit berücksichtigt.
1 Gedanke zu „Sondierungsergebnisse zur Asylpolitik sind ein Debakel für Integration“