Einleitung
Die Ausbildungsduldung nach § 60a AufenthG ist in der Umsetzung wesentlich schwieriger als ursprünglich gedacht. Die Tücke liegt immer im Detail und in der Interpretation einzelner Regelungen des Gesetzes. 8 Bundesländer haben deshalb Erlasse o.ä. herausgegeben, die sich mit diesen Fragen und mit der Interpretation und Auslegung einzelner Teile beschäftigen. Teilweise sind diese Erlasse sehr bemüht und erleichternd, teilweise sind sie mehr oder minder ablehnend auslegend.
Es besteht an sich Einigkeit, dass es ein Nachjustieren geben muss. Hierzu soll das BMI auch Vorschläge erarbeiten. Wie dann eine Umsetzung aussehen wird, bleibt dabei dann wie immer abzuwarten.
Wir haben uns bemüht, die wesentlichen Problembereiche darzustellen und einen Lösungsansatz anzubieten. Es mag noch weitergehende Forderungen geben oder auch Teilprobleme, die wir nicht übersehen haben. Wir betrachten deshalb unser Papier als einen Beitrag von möglicherweise mehreren. Wenn wir etwas Grundlegendes übersehen haben oder auch bei offensichtlichen Unrichtigkeiten bitten wir um entsprechenden Hinweis.
Zudem haben wir – neben den Themen zur Ausbildungsduldung an sich – einen Vorschlag zur Umgestaltung der Beschäftigungserlaubnis gemacht. Auch hierzu bitten wir um kritische Würdigung.
Wir haben unsere Position sowohl dem BMI wie auch der Senatsverwaltung IAS in Berlin vorgelegt.
Einführung
Die mit dem Integrationsgesetz per August 2016 eingeführte sog. 3 plus 2-Regel für eine Anspruchsduldung für die Dauer einer Berufsausbildung ist neben den beiden Wegen zu einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 a und § 25 b der dritte Weg, einen Aufenthalt, der aus humanitären Gründen durch einen Asylantrag begonnen wurde, zu verfestigen und aus einem (gescheiterten) Asylverfahren im Idealfall in einen anderen Bereich des Aufenthaltsrechts zu wechseln.
Der Gesetzgeber hat nach seiner Begründung der Gesetzesänderung auch genau dies zum Ziel gehabt, obwohl normalerweise nach Stellung eines Asylantrages ein Übergang in eine Aufenthaltserlaubnis aus einem anderen als nur humanitären Grund gesetzlich gesperrt ist.
Ziel war die Rechtssicherheit für Arbeitgeber und auch Geflüchtete.
Hierzu heißt es in der Gesetzesbegründung der Bundesregierung zum Gesetzesentwurf:
9. Rechtssicherheit für Geduldete während und nach erfolgreich abgeschlossener Berufsausbildung und anschließender Beschäftigung
Mit den Neuregelungen in den §§ 18a und 60a AufenthG wird im Zusammenhang mit einer Berufsausbildung noch mehr Rechtssicherheit für Geduldete und Ausbildungsbetriebe geschaffen.Während der Zeit einer qualifizierten Berufsausbildung in einem staatlich anerkannten oder vergleichbar geregelten Ausbildungsberuf erhält die oder der Auszubildende eine Duldung für die Gesamtdauer der Ausbildung. Nach erfolgreichem Abschluss der Berufsausbildung erhält die oder der Geduldete eine weitere Duldung für sechs Monate zur Arbeitsplatzsuche, sofern er nicht im Betrieb verbleibt. Die bisherige Altersgrenze für den Beginn der Ausbildung wird aufgehoben. Bei Abbruch des Ausbildungsverhältnisses erlischt die Duldung. Der Ausbildungs- betrieb wird zur Meldung eines Abbruchs der Ausbildung verpflichtet. Für eine anschließende Beschäftigung wird eine Aufenthaltserlaubnis für zwei Jahre erteilt. Das Aufenthaltsrecht wird bei Abbruch des Beschäftigungsverhältnisses und bei strafrechtlicher Verurteilung wegen einer vorsätzlichen Straftat oberhalb der im Gesetz genannten Bagatellgrenze widerrufen.
Ausdrücklich sind als einzige Gründe für einen Widerruf nur das Abbrechen der Ausbildung und strafrechtliche Verurteilungen aufgrund von Vorsatztaten genannt und keine weiteren Voraussetzungen.
Die Begründung des Gesetzesbeschlusses sagt dazu:
Zu Nummer 8
Die Neufassung von § 60a Absatz 2 Satz 4 ff. AufenthG dient dazu, Geduldeten und ausbildenden Betrieben für die Zeit der Ausbildung und für einen begrenzten Zeitraum danach mehr Rechtssicherheit zu verschaffen und das diesbezügliche aufenthaltsrechtliche Verfahren zu vereinfachen. Mit dem Anspruch auf Erteilung der Duldung für die gesamte Dauer der Berufsausbildung und dem Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis für zwei Jahre einer der erworbenen Qualifikation entsprechenden Beschäftigung im Anschluss an die erfolgreich absolvierte Ausbildung (siehe die Ergänzung von § 18a AufenthG) erhält sowohl die oder der Auszubildende als auch der Ausbildungsbetrieb ein erheblich verstärktes Maß an Sicherheit. Künftig bedarf es in den Fällen des § 60a Absatz 2 Satz 4 AufenthG nur noch einer einmaligen Prüfung durch die Ausländerbehörden. Es gibt keine Altersgrenze für die oder den Auszubildenden für den Beginn der Ausbildung. Eine Duldung zur Berufsausbildung soll jedoch nicht erteilt werden bzw. erlöschen, wenn die oder der Auszubildende wegen einer vorsätzlichen Straftat strafrechtlich oberhalb einer im Gesetz festgelegten Bagatellgrenze verurteilt wurde. Wird die Berufsausbildung durch die oder den Auszubildenden oder den Ausbildungsbetrieb vor dem erfolgreichen Abschluss abgebrochen, ist der Ausbildungsbetrieb verpflichtet, dies unverzüglich der zuständigen Ausländerbehörde schriftlich mitzuteilen. Bei Abbruch der Berufsausbildung erlischt die Duldung kraft Gesetzes. Das pflichtwidrige Unterlassen der Anzeige durch den Ausbildungsbetrieb wird durch Ergänzung von § 98 AufenthG mit einem Bußgeld bewehrt.
In den Fällen, in denen nach erfolgreichem Abschluss der Berufsausbildung keine Weiterbeschäftigung im Ausbildungsbetrieb erfolgt, wird die Duldung für sechs Monate zur Suche nach einer der erworbenen beruflichen Qualifikation entsprechenden Beschäftigung verlängert. Eine Verlängerung der Duldung zur Arbeitsplatzsuche über sechs Monate hinaus ist ausgeschlossen.
Bei Erlöschen der für die Dauer der Berufsausbildung erteilten Duldung bleibt die Möglichkeit der Erteilung einer Duldung aus anderen Gründen unberührt.
Zu Nummer 4 Zu Buchstabe a
Mit dem neuen § 18a Absatz 1a AufenthG wird für die Fälle, in denen eine Duldung nach § 60a Absatz 2 Satz 4 AufenthG erteilt wurde, ein Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis für eine anschließende Beschäftigung eingeführt. Die Beschäftigung muss der in der Berufsausbildung erworbenen Qualifikation entsprechen. Die Aufenthaltserlaubnis wird für zwei Jahre erteilt. Da es sich um eine Aufenthaltserlaubnis zum Zweck der Beschäftigung handelt, ist diese Aufenthaltserlaubnis mit der Perspektive eines Daueraufenthaltsrechts im Rahmen der allgemeinen Bestimmungen des Aufenthaltsgesetzes verbunden. Die Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit wird ohne Vorrangprüfung erteilt. Die Bundesagentur für Arbeit hat lediglich die Arbeitsbedingungen zu prüfen. Diese Prüfung kann, soweit die erforderlichen Informationen des Arbeitgebers vorliegen, innerhalb weniger Tage erfolgen.
Die seitens des Bundesrates vorgeschlagenen noch weitergehenden Änderungen wie u.a. die Ausweitung des Duldungsanspruches auf ein Studium wurden zwar abgelehnt, in der dazu vorgelegten Begründung heißt es jedoch mit Bezug auf die Berufsausbildung:
c) Gewährung einer Aufenthaltserlaubnis während der Ausbildung
Die Bundesregierung möchte dem Vorschlag des Bundesrates nicht näher treten. Mit der Duldung wird den Auszubildenden und Ausbildungsbetrieben die erforderliche hinreichende Rechtssicherheit für die Zeit der Ausbildung gegeben. Darüber hinaus soll dem Auszubildenden ein anschließendes Aufenthaltsrecht mit der Perspektive auf einen Daueraufenthalt nur dann gewährt werden, wenn er die Ausbildung erfolgreich beendet und eine der erworbenen Qualifikation entsprechende Beschäftigung aufnimmt. Hierbei handelt es sich nicht um ein humanitäres Aufenthaltsrecht.
Damit ist klar, dass gesetzgeberisch gemeint und gewollt war, dass es trotz eines abgelehnten Asylantrages zu einer Aufenthaltserlaubnis kommen kann und die Sperrwirkung des § 10 AufenthG hier keine Anwendung finden soll.
Probleme aus der Umsetzung
In der Praxis stellen jedoch einige gesetzlich nicht präzise geregelten Umstände regelmäßig Hindernisse dar, wenn es um die Ausbildungsduldung bzw. auch die vorgeschaltete notwendige Beschäftigungserlaubnis geht. Die Bundesländer haben hierzu recht unterschiedliche Erlasse herausgegeben, die versuchen, diese Lücken zu schließen. Hier wird jedoch zumindest in einem Erlass aus unserer Sicht auch versucht, den Grundcharakter des Gesetzes und das politisch und gesetzgeberisch Gewollte zu unterlaufen.
Im Folgenden möchten wir die einzelnen Punkte herausstellen, die immer wieder zu Problemen führen und deshalb regelungsbedürftig sind.
1. unmittelbarer Beginn
Der Gesetzeswortlaut suggeriert die unmittelbar bevorstehende Aufnahme einer Ausbildung. Hierzu gab es schon ein Gerichtsurteil des VGH Baden-Württemberg, der sich mit dieser Problematik beschäftigte.
Diese Regelung ist insofern problematisch, dass vielfach Ausbildungen in Deutschland entweder zum 01.02. oder zum 018./01.09. beginnen. Hiermit stehen alle Beteiligten vor dem Problem, dass nach dem Wortlaut des Gesetzes ein am beispielsweise 01.03. zum 01.08. abgeschlossener Ausbildungsvetrag keine Anspruchsduldung auslösen kann.
Manche Bundesländer regeln dies nun mit der Definition des Begriffes „unmittelbarer Beginn“ und legen hierfür beispielsweise 6 Wochen fest.
Damit bliebe bis zu diesem Zeitpunkt nur die Möglichkeit einer Ermessensduldung, die jedoch einen anderen Grund haben muss als eben die eigentlich gemeinte Ausbildung.
Die vom Gesetzgeber gewünschte Sicherheit ist damit nicht gegeben, denn in den Fällen, in denen ein Ermessensgrund nicht vorhanden ist, bleibt der Ausländer weiter vollziehbar ausreisepflichtig und hat keine Möglichkeit, seinen Duldungsanspruch durchzusetzen.
Lösung:
Es muss bereits der auch frühzeitig geschlossene Ausbildungsvertrag einen Duldungsanspruch auslösen, nicht nur die unmittelbar bevorstehende Ausbildung.
Arbeitsmarktprogramme
In vielen Fällen verlangt das Jobcenter oder auch der potentielle Arbeitgeber das Absolvieren eines der klassischen Arbeitsmarktprogramme, die nun auch für Geflüchtete geöffnet sind. Dies ist in sehr vielen Fällen auch sinnvoll und unabdingbar.
In manchen Fällen wird beispielsweise eine EQ-Maßnahme der Ausbildung vorgeschaltet und ist Bestandteil des Ausbildungspaketes. Der Ausbildungsvertrag steht also unter dem Vorbehalt einer vorher absolvierten EQ-Maßnahme, ist aber zum Zeitpunkt deren Beginns bereits verbindlich abgeschlossen.
Auch in solchen Fällen bräuchte der Ausländer wie auch der Arbeitgeber zur gewollten Absicherung bereits zum Beginn der EQ-Maßnahme eine Ausbildungsduldung. Dies ist gesetzessystematisch auch eigentlich so gewollt, denn mit deren Beginn ist ja der Ausbildungsvertrag bereits abgeschlossen und soll die Anspruchsduldung begründen.
Mehrere Bundesländer haben deshalb per Erlass geregelt, dass in einer solchen Konstellation der Ausbildungsduldung eine Ermessensduldung mit gebundenem Ermessen vorzuschalten ist.
Hier muss ebenfalls eine gesetzliche Klarstellung erfolgen.
Lösung:
Bei einem Arbeitsmarktprogramm als Vorbereitung vor einer Ausbildung mit bereits abgeschlossenem Ausbildungsvertrag ist die Ausbildungsduldung bereits zum Beginn des Arbeitsmarktprogrammes zu erteilen, wenn der Ausbildungsvertrag zu deren Beginn bereits abgeschlossen ist.
Hinderungsgründe für Duldungsanspruch
a) Bevorstehende Abschiebung
In der Gesetzesbegründung sind drei Gründe benannt:
- die bereits erfolgte Beantragung von Pass(ersatz)papieren,
- die bereits terminierte Abschiebung oder
- ein laufendes Verfahren zur Dublin-Überstellung (vgl. BT-Drs.18/9090).
Diese Aufzählung wird als nicht abschließend bezeichnet.
Lösung:
Aufgrund der zwischenzeitlichen Rechtsprechung bzw. entsprechenden Erlassen der Bundesländer sollte jedoch nun nachgängig eine Klarstellung erfolgen, dass es sich um eine abschließende Aufzählung handelt,um eine klare und eindeutige rechtliche Basis zu haben. Dabei sollte auch klarstellend darauf hingewiesen werden, dass der jeweilige Grund tatsächlich abschiebungsverhindernd sein muss.
Ist beispielsweise das Ausstellen von Passersatzpapieren durch die jeweilige Ausländerbehörde eingeleitet, aber nicht zu erwarten, dass dies auch zeitnah zum Erfolg führt, ist das Bleibe- und Sicherheitsinteresse des Geflüchteten und des Arbeitgebers höher als eine vermeintlich mögliche Abschiebung. Insofern sollte dieser Zeitraum vom Gesetzgeber auch mit 4 Wochen verbindlich festgelegt werden.
b) bereits terminierte Abschiebung
Von manchen Bundesländern wird bereits ein einfacher Besuch der Ausländerbehörde als eingeleitete Abschiebemaßnahme gewertet. Diese weite Auslegung wird sicher nicht von der Intention des Gesetzes gedeckt. Gleichzeitig scheint unklar, zu welchem Zeitpunkt diese Terminierungen gelten. Der gesetzlichen Logik nach können diese nur nach Antragstellung liegen.
Lösung:
Hier sollte klargestellt werden, dass 1. diese Abschiebung bereits vor dem Antrag auf Ausbildungsduldung terminiert worden sein muss, nicht erst später. 2. Sollte ebenso klargestellt werden, dass eben auch erst die konkrete und zeitlich naheliegende Terminierung zählt und nicht etwa etwas in weiterer Zukunft. Sinnvoll sind hier 14 Tage.
c) Dublin-Verfahren
Klarstellend muss definiert werden, dass das eingeleitete Dublin- Verfahren an sich nicht ausschlaggebend sein kann. Abzustellen ist auch hier auf eine vollziehbare Abschiebungsanordnung nach § 34, die gleichzeitig auch zeitnah umgesetzt und vollzogen werden kann (14 Tage).
Ausschlüsse nach § 60a Abs. 6
§ 60a Abs. 6 AufenthG umfasst abschließend drei Fallkonstellationen, nach denen die Ausbildungsduldung schon aufgrund des Versagens der Beschäftigungserlaubnis nicht erteilt werden kann.
Danach darf die Beschäftigung nicht erlaubt werden, wenn
1) die Person eingereist ist, um Sozialleistungen zu erlangen („Um-zu-Regelung“),
2) aufenthaltsbeendende Maßnahmen bei der Person aus Gründen, die sie selbst zu vertreten hat, nicht vollzogen werden können („selbstverschuldete Duldungsgründe“) oder
3) die Person Staatsangehörige eines als „sicher“ erklärten Herkunftslandes gem. § 29a AsylG ist und ihr nach dem 31.08.2015 gestellter Asylantrag abgelehnt worden ist („sichere Herkunftsstaaten“).
Auch hierzu bedarf es erkennbar einiger Präzisierungen:
zu 1. Einreise, um Sozialleistungen zu erlangen
Den Beweis hierzu muss die Ausländerbehörde führen. Dies dürfte in den allerwenigsten Fällen gelingen. Mit Stellung eines Asylantrages ist der Grund der Einreise hinreichend definiert. Das AsylG sieht in den Fällen, in denen ein aus gesetzlicher Sicht unberechtigter Asylantrag gestellt wurde, genug Möglichkeiten, um diesen nicht nur abzulehnen, sondern stellt die Betroffenen ohnehin aus dem Duldungsanspruch heraus.
Lösung:
Ersatzlose Streichung.
zu 2. „Selbstverschuldete Duldungsgründe“
Das Gesetz stellt darauf ab, dass Menschen, die selbst dafür sorgen, dass sie nicht abgeschoben werden können, dieser Umstand nicht zum Positiven ausgelegt werden soll, um sie im Ergebnis nicht für eine gesetzlich betrachtet negative Handlung zu belohnen.
Dieser Punkt hat eine erhebliche Relevanz bei der Frage, ob eine Ausbildungsduldung erteilt wird oder nicht.
Das Gesetz definiert dies:
„Zu vertreten hat ein Ausländer die Gründe nach S. 1 Nr. 2 insbesondere, wenn er das Abschiebungshindernis durch eigene Täuschung über seine Identität oder Staatsangehörigkeit oder durch eigene falsche Angaben selbst herbeiführt.“
Soweit, so gut.
Hierzu ist jedoch einerseits klarzustellen, dass genau dieser Umstand dazu führen muss, dass die Ausreise nicht vollzogen werden kann. Die Passlosigkeit an sich kann und darf nicht dazu führen, dass der Ausländer den Duldungsanspruch nicht durchsetzen kann.
Einerseits ist das jeweilige Bemühen zu werten, das bei der Passbeschaffung an den Tag gelegt wurde. Wenn entweder die Botschaft/ das Konsulat die Passlosigkeit zu vertreten hat ODER notwendige Vorleistungen wie Geburtsurkunden etc. erst beschafft werden müssen und sich hierdurch die Passbeschaffung verzögert, darf hieran die Ausbildungsduldung nicht scheitern.
Vor allem gilt es hier auch, die Interessen des Ausländers, des Arbeitgebers und auch des Gesetzgebers zu berücksichtigen:
Ziel für alle und die Sicht von allen ist: Rechtssicherheit, Klarheit und eine Verschlankung der behördlichen Abläufe.
Dem folgend, kann dies nur eines bedeuten:
Hat sich der Ausländer mit Besuch von Konsulat/Botschaft und entsprechenden Anträgen bemüht, kann ihm die Passlosigkeit nicht mehr vorgeworfen werden. Zudem muss besagte Passlosigkeit den kausale Zusammenhang zum Abschiebungshindernis haben und der einzige Grund hierfür sein. Zudem ist – geklärte Identität vorausgesetzt – der Ausländerbehörde die Beschaffung von Passersatzpapieren nicht nur zumutbar, sondern auch möglich, so dass die fehlende Passbeschaffung gar nicht zu einem selbst verschuldeten Duldungsgrund führen kann.
Lösung:
Ermessensduldung zur Passbeschaffung, die mit Antragsnachweis (bei geklärter Identität) erfüllt wird. Gebundenes Ermessen. Die Rechtssicherheit der Beteiligten steht nach Sicht des Gesetzgebers im Vordergrund. Demnach ist die Duldung mit Ausbildungsbeginn dann auch zu erteilen.
zu 3.: Sichere Herkunftsstaaten
Von den Bundesländern und auch der zwischenzeitlichen Rechtsprechung wird unterschiedlich betrachtet, was und wie genau der im Gesetz genannte Stichtag 31.08.2015 definiert werden soll und ab wann mit einer Asylantragstellung gerechnet werden muss. Einige Bundesländer stellen auf das Datum des tatsächlichen Asylantrages ab, andere werten das Asylgesuch bereits als das entscheidende Datum. Vor dem Hintergrund der verwaltungsmäßig eskalierten Situation des Jahres 2015 sollte es hierzu eine Klarstellung geben.
Zweiter Problemkreis ist die gesetzliche Formulierung, dass das Ausschlussdatum 31.08.2015 zwingend mit der Tatsache verbunden ist, dass der Asylantrag abgelehnt wurde. Hieraus folgt im Umkehrschluss ebenso zwingend, dass das Gesetz den Ausschluss dann nicht als gegeben ansieht, wenn der Asylantrag zurückgenommen wurde. Auch hierzu gibt es jedoch in den einzelnen Bundesländern unterschiedliche Auffassungen.
Lösung:
Asylantragstellung i.S. des Gesetzes ist nicht nur die Stellung des Asylantrages an sich, sondern auch schon die Registrierung als Asylsuchender und das registrierte Asylgesuch. Zudem muss klargestellt werden, dass Menschen, die den Asylantrag zurückgenommen haben, ebenfalls unter die Duldungsregelung fallen.
Erteilung der Beschäftigungserlaubnis zur Ausbildungsduldung
Der Erteilung der Ausbildungsduldung geht rechtssystematisch die Erteilung einer Beschäftigungserlaubnis voraus. Diese ist grundsätzlich eine Ermessensentscheidung.
Nach mehreren Rechtsprechungen und auch nach einigen Erlassen von Bundesländern kann diese Ermessensentscheidung nur auf null reduziert sein. Ausschließlich die in § 60a Abs. 6 genannten Gründe können Hinderungsgründe für die Beschäftigungserlaubnis sein. Anderenfalls würde der Gesetzeszweck konterkariert.
Erst recht und ohnehin schon nicht ermöglicht das Ermessen bei der Beschäftigungserlaubnis ein insbesondere von Bayern praktiziertes Abstellen auf eine Bleibeperspektive. Die Anspruchsnorm der Ausbildungsduldung begründet alleine für sich bereits genau diese dauerhafte Bleibeperspektive, setzt sie doch in Verbindung mit § 18a bereits eine Bleibeperspektive von 5 Jahren in Gang.
Lösung:
Klarstellung durch den Gesetzgeber, dass die Beschäftigungserlaubnis zu erteilen ist, wenn alle sonstigen Voraussetzungen für eine Ausbildungsduldung nach § 60a Abs. 2 Satz 4 erfüllt sind und damit ein Anspruch auf Duldung besteht.
Erteilung einer Beschäftigungserlaubnis außerhalb der Ausbildungsduldung
Immer wieder ärgerlich ist die teilweise lange Dauer, die die Erteilung der Beschäftigungserlaubnis nach sich ziehen kann. Sofern die Bundesagentur für Arbeit eingeschaltet ist, gilt die Erlaubnis nach 14 Tagen ohne Reaktion als erteilt.
Das Gleiche sollte sinnvollerweise auch für den Part der Ausländerbehörde gelten, um auch für einen Arbeitgeber einen kalkulierbaren zeitlichen Rahmen vorzugeben. Es ist schlicht nicht zeitgemäß und auch an den Realitäten vorbei, wenn diese Prüfungen Monate dauern. Kein Arbeitgeber kann und will sich auf völlig unbestimmte Zeiträume einlassen.
Mögliche Lösung:
Plausibel erscheint uns eine Frist von insgesamt sechs Wochen, nach der die Beschäftigungserlaubnis als erteilt gilt. Damit hätte eine Ausländerbehörde zwei Wochen Zeit zur Bearbeitung, dann die Bundesagentur ebenfalls 2 Wochen sowie wiederum die Ausländerbehörde weitere zwei Wochen, um die Erlaubnis dann endgültig zu erteilen. Dazu kann auf einfachem Weg auch eine elektronische Antragstellung eingerichtet werden. Der Vorgang an sich ist sehr formal, eine Vorsprache kaum erforderlich und zudem können alle Beteiligten dann den Fortgang wie auch das Ergebnis überschauen.
FAZIT
Generell muss man nach Analyse und Verständnis der gesetzlichen Grundlagen und vor allem der Begründungen Eines konstatieren:
Der Anspruch aus Ausbildungsduldung in Verbindung mit einer später folgenden Aufenthaltserlaubnis nach § 18 a AufenthG ist eindeutig und klar nicht daran orientiert, ob alle ausländerrechtlichen Details eingehalten wurden, die im übrigen eine erhebliche Relevanz haben. Das Ziel des Gesetzgebers war und ist es, eine Brücke zu schlagen, die von einem i.d.R. negativ verlaufenen Asylverfahren zu einem dauerhaften Bleiberecht für die Dauer einer Ausbildung führt und im besten Falle eine Aufenthaltserlaubnis aufgrund einer Beschäftigung als Ergebnis hat.
Hier ist systemisch ein Wechsel gewünscht, auch wenn ansonsten ein Wechsel nach einem Asylantrag nur in eine Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen möglich ist. Genau dies wird hier durchbrochen.
Im Vordergrund steht damit nicht eine aufenthaltsrechtliche Bewertung, sondern vielmehr etwa ganz Anderes:
Es geht um Rechtssicherheit für Geflüchtete und deren Arbeitgeber, einen Ausbildungsvertrag abzuschließen und dabei und damit dafür zu sorgen, dass diese Ausbildung auch gesichert in Deutschland absolviert werden kann.
Alle Intentionen des Gesetzgebers gingen in genau diese Richtung.
Einzelheiten des Aufenthaltsrechts, insbesondere der Aufenthaltsbeendigung, standen insofern nicht im Vordergrund, wenn man eine Anspruchsnorm schafft, die vordergründig auf die Absolvierung einer Ausbildung abstellt.
Man wertet von Seiten des Gesetzgebers sowohl die Integrationsbemühungen des Ausländers wie auch die der Arbeitgeber höher als die Beendigung des Aufenthaltes. Dem muss jedoch auch in den Details Rechnung getragen werden.
Netzwerk Berlin hilft
Christian Lüder
April 2017
www.berlin-hilft.com
christian.lueder@berlin-hilft.com
Hallo Herr Lüder,
ich finde Ihren Artikel sehr hilfreich zum Thema. Vielen Dank.
Was noch interessant wäre, wo man die Erlasse der 8 Bundesländer nachlesen kann.
Für mich wäre BW wichtig.
Ich kann das gerne raussuchen. Ich bin mir mit BW gerade nicht komplett sicher.
Hallo Simone, in BW gibt es keinen speziellen Erlass. BW gehört zu den BL, die dazu bisher nichts erlassen haben. In vielen Fällen wird jedoch die jeweils zuständige Ausländerbehörde im Internet über die Ausbildungsduldung informieren. Vielleicht gibt es dadurch schon eine Klärung.
Gibt es denn ansonsten ein spezielles Problem oder eine solche Frage?
Beste Grüße
Christian Lüder