Corona unterbricht Frist für Dublin-Überstellung nicht

Da durch Corona bei Dublin-Fällen keine Überstellungen in andere Staaten möglich sind, versucht das BAMF, Fristen auszusetzen, damit in dieser Zeit kein automatischer Selbsteintritt erfolgt. Nach Auffassung des BAMF würde sich die normale 6-Monatsfrist deshalb automatisch verlängern.

Gegen diese Rechtsauffassung stellte sich bereits die EU-Kommission. Nun liegt eine erste abschlägige Gerichtsentscheidung vor.

Das VG Schleswig-Holstein urteilte hierzu abschlägig und hob einen BAMF-Bescheid auf, der den Asylantrag als unzulässig ablehnte, weil Italien zuständig sei (VG Schleswig-Holstein, 10. Kammer, 10 A 596/19 vom 15.05.2020).

Im vorliegenden Fall hatte das BAMF mitgeteilt, dass die Vollziehung der Abschiebungsanordnung gemäß § 80 Abs. 4 VwGO i.V.m. Art. 27 Abs. 4 Dublin-III-VO ausgesetzt wurde, weil aufgrund der Corona-Pandemie keine Überstellungen nach Italien möglich seien. Noch vor dem Gerichtsbeschluss lief die ursprüngliche 6-Monatsfrist ab.

Das Gericht hob nun den Bescheid komplett auf, weil er gegen Unionsrecht verstößt. Art. 27 der Dublin-VO sehe zwar eine Aussetzungsmöglichkeit grundsätzlich vor, setze dieser Aussetzung aber enge Grenzen.

Die Mindestvoraussetzung ist dabei, dass ein Rechtsbehelf gegen die Abschiebungsanordnung an sich eingelegt wurde (Hier die Klage gegen den ablehnenden Bescheid).

Wichtig: Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass bei nicht beklagten Dublin-Bescheiden die Überstellungsfristen so oder so ablaufen, auch wenn das BAMF etwas anderes schreibt (siehe auch Rechtsgutachten).

Dazu sagt das Gericht zu den wesentlichen Fragen weiter:

Der Zuständigkeitsübergang nach Ablauf der Überstellungsfrist soll verhindern, dass Asylanträge monate- oder gar jahrelang nicht geprüft werden, zugleich soll das Ziel einer möglichst schnellen Prüfung nicht dazu führen, dass dem jeweiligen Mitgliedstaat keine zusammenhängende Überstellungsfrist von sechs Monaten zur Verfügung steht, in der nur noch die Überstellungsmodalitäten zu regeln sind oder der Beschleunigungsgedanke zulasten eines effektiven Rechtsschutzes verwirklicht wird, vgl. § 27 Abs. 3 und 4 Dublin III-VO.

Jedoch dient die Aussetzung vorliegend nicht dazu, effektiven Rechtsschutz zu gewährleisten, indem eine Prüfung der Rechtmäßigkeit der Abschiebungsanordnung ermöglicht wird. So erfolgte die streitgegenständliche Aussetzung nicht etwa bis zum Abschluss der Klage als maßgeblichem Rechtsbehelf, sondern – zeitlich unbefristet – „bis auf weiteres“. Die Aussetzung der Überstellungsentscheidung sollte dabei nicht der Wirksamkeit gerichtlichen Rechtsschutzes gegen die Überstellungsentscheidung dienen, sondern ausschließlich der vorübergehend allgemein fehlenden Möglichkeit der Überstellung von Asylbewerben nach Italien Rechnung tragen. Ein Aussetzen der Durchführung der Überstellungsentscheidung aus diesem Grunde ist aber weder vom Wortlaut noch vom Sinn und Zweck des von der Beklagten herangezogenen Art. 27 Abs. 4 Dublin III-VO gedeckt. 

Eine von dem Abschluss eines konkreten Rechtsmittels losgelöste Aussetzung für den Fall einer allgemein fehlenden Möglichkeit der Überstellung ist hingegen nicht vorgesehen. Ebenso wenig sieht eine andere Vorschrift der Dublin III-VO Derartiges vor.

Zusammenfassung

Zusammenfassend sieht das Gericht demnach keinen hinreichenden Grund, dass durch die fehlenden Überstellungsmöglichkeiten durch Corona die Fristen in Dublin-Verfahfren verlängert würden.

Voraussetzung, um überhaupt eine rechtlich mögliche Aussetzung der Abschiebungsanordnung vornehmen zu können, ist, dass der jeweilige Dublin-Bescheid beklagt wurde. Ist dies nicht erfolgt, fehlt schon das rechtliche Mittel als solches.

Zur Beurteilung und dem weiteren Vorgehen in solchen Fällen verweisen wir auf das bereits von uns veröffentliche Rechtsgutachten und die dort genannten Schritte.

Der vorliegende Beschluss ist noch nicht bestandskräftig und auch per se das BAMF nicht grundsätzlich bindend. Man kann natürlich in anhängigen Verfahren mit dem Beschluss argumentieren. Es ist jedoch nicht zu erwarten, dass das BAMF nun seine grundsätzliche Linie ändern wird. Jedes Verfahren ist deshalb auch einzeln zu betrachten und zu führen.

Weitere Unterlagen

Leitfaden der EU-Kommission zu Asylverfahren

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