Der europäische Rat der Europäischen Union hat dem Reform-Paket am 14. Mai 2024 zugestimmt, zuvor am 10.AApril 2024 das Europäische Parlament. Es fehlt noch die formelle Veröffentlichung aller Änderungen und deren nationale Umsetzung in den nächsten zwei Jahren.
Geänderte Rechtsakte
Die GEAS Reform umfasst die (Neu-)Fassung von 10 Rechtsakten:
- Asyl- und Migrationsmanagement Verordnung (inkl. Der ehemaligen DublinIII-VO)
- Asylverfahrensverordnung
- Screeningverordnung
- Krisenverordnung
- Eurodac Verordnung
- Verordnung zum Rückkehrgrenzverfahren
- Qualifikationsverordnung
- Aufnahmerichtlinie
- Resettlement-Rahmen-VO
- Keine Änderungen:
- Rückführungsrichtlinie (aber mit diversen Bezugnahmen)
Der Unterscheid zwischen Richtlinien und Verordnungen ist an sich, dass EU-Verordnungen eine unmittelbare Geltung in allen Mitgliedsstaaten erlangen und Richtlinien zunächst in nationales Recht umzusetzen sind.
Bei den nun im GEAS beschlossenen Verordnungen gibt es eine Art Zwitter-Lösung: Es handelt sich in Teilen um Verordnungen, die jedoch dennoch binnen 2 Jahren noch in nationales Recht implementiert werden sollen.
Bis Ende 2024 will das Bundesministerium des Innern nun einen Umsetzungsplan vorlegen, der dann bis zum Ende der Legislatur auch noch umgesetzt werden soll. Ab Juli 2026 soll dann die reale Umsetzung und Anwendung erfolgen.
Zu befürchten ist dabei, dass wir für einige Zeit zwei parallele Systeme haben werden – die das alten und die des neuen Rechts.
Offen ist auch noch, wie diese Umsetzung konkret erfolgen soll. Soll es z.B. Änderungen am bestehenden AsylG und AufenthG geben oder wird daraus ein komplett neues Gesetz?
Erkennbar sind jedoch einige Rechtsakte, die bisher Richtlinien waren, in Verordnungen neu gefasst worden.
Ohne nun die ganze Diskussion zu den Änderungen im GEAS neu aufzumachen, wollen wir auf ein paar wesentliche Punkte eingehen, die den Kern der Reform ausmachen.
Wesentliche Änderungen
Verpflichtendes Screening
Irregulär eingereiste oder auch nach Seenotrettung aufgegriffene Menschen sollen ins screening-Verfahren. Dabei gelten sie an den EU-Außengrenzen als „nicht eingereist“ (ähnlich wie beim Flughafenverfahren oder auch so wie man es im Transitbereich eines Flughafens auf internationalen Flügen kennt.
Im übrigen sind solche Screening-Verfahren auch an Binnengrenzen, also auch zB in Deutschland, möglich, wobei dann die Nicht-Einreise-Fiktion entfällt.
Inhalt und Zweck dieses Verfahrens sind zunächst Schritte wie Registrierung, Identifizierung, Sicherheitsüberprüfung und auch erste Gesundheitschecks und Feststellung von Vulnerabilitäten.
Soweit das letztlich auch bisher schon so war, wird jedoch nun noch zusätzlich darüber entschieden, in welches weitere Verfahren jemand kommt.
Denn nun wird darüber entschieden, ob jemand zur Durchführung des Asylverfahrens in die EU einreisen darf und wer nicht und stattdessen in ein sog. Asylgrenzverfahren kommt.
Kriterien sind dabei einerseits die Anerkennungsquote. Menschen aus Ländern mit einer Anerkennungsquote innerhalb der EU unter 20% kommen immer in das Asylgrenzverfahren. Es kann jedoch auch die Menschen treffen, die zwar aus Ländern mit deutlich höheren Quoten stammen, wie zB Syrien oder Afghanistan, die jedoch über einen sog. „Sicheren Drittstaat“ eingereist sind.
Dies kann zB auch auf Menschen zutreffen, die via Türkei nach Griechenland kamen, da Griechenland die Türkei als auch für Syrer und Afghanen sicheren Drittstaat ansieht. Zuständig für die Erklärung zu einem sicheren Drittstaat sind dabei die jeweiligen Nationalstaaten. Dabei wurden die bisher geltenden Maßstäbe zudem auch noch gelockert, denn diese sichern Drittstaaten müssen nun nicht mehr alle Voraussetzungen der Genfer Flüchtlingskonvention erfüllen. Es reicht aus, wenn sie einen sog. „Effektiven Schutz“ nach Art 58 der neuen VO erteilen.
Ansonsten – Stichwort Ruanda-Modell – ist auch nach der GEAS-Reform zunächst noch sichergestellt, dass es zur Durchführung von Asylverfahren in Drittstaaten eine Verbindung der betreffenden Person zu diesem Drittstaat geben muss, also beispielsweise wenn sich jemand dort schon einmal niedergelassen oder länger aufgehalten hat oder familiäre Bindungen bestehen. Ein einfaches „durchreisen“ für wenige Tage reicht dafür nicht. Deshalb sind auch alle Pläne im aktuellen Grundsatzprogramm der CDU noch europarechts- und in Teilen auch verfassungswidrig.
Grenzverfahren statt reguläres Asylverfahren
Trifft nun einer dieser eben benannten Umstände zu, würde eben kein reguläres Asylverfahren erfolgen, sondern eben ein sog beschleunigtes Grenzverfahren. Nach 7 Tagen Screening darf das Asylgrenzverfahren dann 12 weitere Wochen dauern. Ein sich ggfls anschließendes Abschiebungsgrenzverfahren kann ebenfalls in max. 12 Wochen durchgeführt werden. Das Ganze erfolgt unter letztlich haftähnlichen Bedingungen, denn die Menschen sollen ja zu diesen Grenzverfahren in Lagern an den Außengrenzen bleiben und daran gehindert werden, weiter in die EU einzureisen.
Insgesamt sind dies also 25 Wochen und damit rd. 6 Monate.
Ungelöst ist jedoch dann das Problem, was genau passiert und wie es für die Menschen weitergeht, wenn eine Abschiebung nicht möglich ist.
Verteilung und „Solidarität“
Fällt man nicht in ein Asylgrenzverfahren, würde man innerhalb der EU verteilt werden können, um das Asylverfahren dann in diesem Mitgliedsstaat durchzuführen.
In den Screening-Zentren sollen 30.000 Plätze vorgehalten werden. EU-Staaten sollen sich zukünftig entscheiden dürfen, ob sie Geflüchtete aufnehmen oder alternativ Geld zahlen. Dieses Geld können sie dann wahlweise in den Mitgliedsstaaten einsetzen, aber auch zB in Drittstaaten. Insgesamt sollen so 600 Mio € p.a zusammenkommen.
Ausgelöst werden kann diese Krisenmechanismus zudem nach jeweils eigenen Kriterien des jeweiligen EU-Staates bei „Krise“ oder „Migrationsdruck“.
Abgesenkte Rechtsmittel
Es gibt keinerlei Rechtsmittel für Betroffene gegen:
- Die Feststellung, dass Krise im jeweiligen Mitgliedsstaat vorliegt
- Die Entscheidung, ins Screening genommen zu werden oder dieses zu lange dauert
- Die Entscheidung, ins Grenzverfahren und/oder Abschiebegrenzverfahren genommen zu werden oder auch dieses zu lange dauert
Neue Dublin-Fristen
Die Dublin-III-Verordnung geht nun in die Asyl- und Migrations-Management-VO auf.
Dabei werden die bisherigen Fristen deutlich verlängert.
20 Monate: Dauer, für die der Mitgliedstaat der ersten Einreise für den Asylantrag zuständig ist (bisher 12 Monate)
12 Monate: Zuständigkeit des Mitgliedstaats der ersten Einreise, wenn eine Person nach einem Such- und Rettungseinsatz auf See ausgeschifft wurde
15 Monate: Danach endet die Zuständigkeit für eine Person, deren Antrag von einem Mitgliedstaat im Grenzverfahren abgelehnt wurde
36 Monate: Die Zuständigkeit für eine Person, die flüchtig ist, um sich einer Überstellung zu entziehen, geht auf den überstellenden Mitgliedstaat über (bisher 18)
Fazit
Ob und welche Wirkungen das neue GEAS-System überhaupt zeigen wird, bleibt komplett offen. Das ganze System hängt im übrigen vor allem daran, dass die EU mit Drittstaaten Vereinbarungen treffen muss, die die Rücknahme von Menschen überhaupt erst einmal ermöglichen. Ob dies dann auch auf Menschen anderer Nationaliäten anwendbar ist, bleibt dabei völlig offen.
Die nationale Umsetzung bietet zumindest noch einige wenige Chancen drauf, in der konkreten Umsetzung auf die rechtliche Gestaltung Einfluss zu nehmen. Ob dies jedoch gewünscht ist und gelingt, ist ebenso offen.
Daneben gibt es bereits jetzt – 2 Tage nach Verabschiedung des gesamten Paketes Initiativen, Teile der gerade erst gefundenen Lösungen wieder aufzubohren. 15 EU-Staaten wollen insbesondere die Drittstaaten-Lösung und hier speziell das sog. Verbindungselement abschaffen, um damit Modelle wie das britische mit Ruanda oder das italienische mit Albanien umsetzen zu können, was die aktuelle Europarechtslage auch nach der Reform verhindert. Kurzum: Die Diskussion und die Bemühungen um Verschärfungen beim Asylrecht werden weiter gehen.
Weitere Informationen
Übersicht Europäisches Parlament mit den Texten zu den RL & VO auf deutsch