Die Ministerpräsidentenkonferenz vom 06.11.2023 hat ein ganzes Bündel von Maßnahmen beschlossen, die angeblich dazu taugen sollen, Migration zu steuern. Eines davon ist die Einführung einer Bezahlkarte anstelle von Leistungszahlungen in bar.
Dass populistische Versprechen ist, dass Geflüchtete die die unter das Existenzminimum reduzierten Leistungen nach AsylbLG angeblich weitgehend entweder für Zahlungen an Schleuser oder für ihre Angehörigen in der Heimat ausgeben und – sofern man beides unterbindet – viel weniger Menschen nach Deutschland kämen als nach der bisherigen Praxis.
Nun, Schleuser verlangen nach allen öffentlich zugänglichen Quellen Vorkasse und bieten keine Ratenzahlung an. Und Überweisungen in die Heimat finden zwar statt, allerdings einerseits nach allem, was man weiss in weit geringerer Form als man dies in den Ampel-Fraktionen offenbar glaubt, und dann vermutlich eher durch hier arbeitende Landsleute mit gutem Einkommen als durch Geflüchtete im Asylverfahren. Eine Zusammenstellung zu diesem Heimatüberweisungen gibt es beim Mediendienst Integration.
Egal, auch wenn durch nichts belegt und vor allem auch bisher schon gesetzlich möglich, will man nun (nicht etwa in der Hochphase 2015/2016) solche Karten einführen und plant dazu auch noch eine Änderungen der gesetzlichen Grundlagen.
In den Medien heisst es dazu, dass man sich in den Regierungsfraktionen letzte Woche geeinigt hätte.
Grundlage für diese Einigung ist die geänderte Formulierungshilfe des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS) vom 05.04.2024.
Was wird nun im Gesetz geändert?
- Bisher gab es in § 2 AsylbLG den Vorrang von Geld- vor Sachleistungen. §2 regelt die sogenannten Analogleistungen, also Leistungen für Menschen, die grundsätzlich solche nach AsylbLG beziehen, aber bisher 18 Monate, nun 36 Monate, bereits in Deutschland sind und dann in Leistungen analog zu denen nach SGB II/XII wechseln. Nun können Leistungen weiterhin als Geldleistungen, also in bar oder bei diesen Menschen vor allem auf ihr Konto, gezahlt werden, aber auch alternativ immer über die Bezahlkarte.
- In § 3 AsylbLG ist weiterhin der Vorrang von Sachleistungen geregelt, den es auch bisher schon gab. Auch der sog notwendige persönliche Bedarf soll vorrangig durch Sachleistungen gedeckt werden. Auch dies ist nicht neu, in der Praxis jedoch kaum umsetzbar, weshalb dieser betrag in vielen Fällen immer bar ausgezahlt wurde. Auch hier kann dies nun durch die Bezahlkarte erfolgen.
- In § 3 Abs. 3 fällt der Vorrang von Geldleistungen zukünftig ebenfalls weg. Hier geht es um Menschen, die nicht mehr in Aufnahmeeinrichtungen wohnen, sondern z.B. in einer eigenen Wohnung oder einer Unterkunft mit Selbstversorgung. Nun wird auch hier die Möglichkeit zur Erbringung durch Sachleistungen, Gutscheine oder Bezahlkarte den Geldleistungen gleichgestellt.
- Ebenfalls geändert wird, dass der notwendige persönliche Bedarf nicht mehr durch Geldleistungen gedeckt werden muss, sondern nur noch kann, alternativ aber eben auch durch die Bezahlkarte.
- Ist man in einer Gemeinschaftsunterkunft untergebracht, kann der notwendige persönliche Bedarf auch soweit möglich durch Sachleistungen erbracht werden. Auch dies ist neu.
- Weil die Modelle in Bayern schon in der Praxis gegen die Wand gelaufen sind, ergänzt man nun, dass Unterkunftskosten wie also eine Miete für eine Wohnung, entweder durch Sachleistungen, Direktzahlungen an den Vermieter, als Geldleistungen, alternativ aber auch über die Bezahlkarte geleistet werden dürfen.
Auch weil in der öffentlichen Diskussion immer davon ausgegangen wird, dass es sich bei den Leistungsberechtigten um Asylsuchende in den ersten Wochen oder Monaten handeln würde, lohnt sich ein Blick ins AsylbLG, um abzugleichen, wer tatsächlich die Leistungsberechtigten nach AsylbLG sind.
1) Leistungsberechtigt nach diesem Gesetz sind Ausländer, die sich tatsächlich im Bundesgebiet aufhalten und die
§ 1 Abs 1 AslbLG
1. eine Aufenthaltsgestattung nach dem Asylgesetz besitzen,
1a. ein Asylgesuch geäußert haben und nicht die in den Nummern 1, 2 bis 5 und 7 genannten Voraussetzungen erfüllen,
2. über einen Flughafen einreisen wollen und denen die Einreise nicht oder noch nicht gestattet ist,
3. eine Aufenthaltserlaubnis besitzen
a) wegen des Krieges in ihrem Heimatland nach § 23 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes,
b) nach § 25 Absatz 4 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes oder
c) nach § 25 Absatz 5 des Aufenthaltsgesetzes, sofern die Entscheidung über die Aussetzung ihrer Abschiebung noch nicht 18 Monate zurückliegt,
4. eine Duldung nach § 60a des Aufenthaltsgesetzes besitzen,
5. vollziehbar ausreisepflichtig sind, auch wenn eine Abschiebungsandrohung noch nicht oder nicht mehr vollziehbar ist,
6. Ehegatten, Lebenspartner oder minderjährige Kinder der in den Nummern 1 bis 5 genannten Personen sind, ohne daß sie selbst die dort genannten Voraussetzungen erfüllen,
7. einen Folgeantrag nach § 71 des Asylgesetzes oder einen Zweitantrag nach § 71a des Asylgesetzes stellen oder
8.
a) eine Aufenthaltserlaubnis nach § 24 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes besitzen, die ihnen nach dem 24. Februar 2022 und vor dem 1. Juni 2022 erteilt wurde, oder
b) eine entsprechende Fiktionsbescheinigung nach § 81 Absatz 5 in Verbindung mit Absatz 3 oder Absatz 4 des Aufenthaltsgesetzes besitzen, die nach dem 24. Februar 2022 und vor dem 1. Juni 2022 ausgestellt wurde,
und bei denen weder eine erkennungsdienstliche Behandlung nach § 49 des Aufenthaltsgesetzes oder nach § 16 des Asylgesetzes durchgeführt worden ist, noch deren Daten nach § 3 Absatz 1 des AZR-Gesetzes gespeichert wurden; das Erfordernis einer erkennungsdienstlichen Behandlung gilt nicht, soweit eine erkennungsdienstliche Behandlung nach § 49 des Aufenthaltsgesetzes nicht vorgesehen ist.
Es handelt sich also bei Menschen nach § 1 Nr 3 um Menschen mit einer bereits erteilten Aufenthaltserlaubnis und damit auch nicht mehr nur kurzfristig in Deutschland.
Gleiches gilt für Nr 4, also Menschen mit einer Duldung, die in vielen Fällen ebenfalls schon langjährig in Deutschland sind. Ebenso sind Folgeantragsteller oft schon seit Jahren in Deutschland.
Letzte Gruppe sind UkrainerInnen in den ersten Monaten, bevor sie in Leistungen nach SGB II/XII wechseln, wobei es ja auch hier immer mehr Stimmen werden, dies grundsätzlich wieder zu ändern und Menschen mit einer Aufenthaltserlaubnis nach § 24 nur noch Leistungen nach AsylbLG zu gewähren, obwohl man dies erst 2022 geändert hat.
Im Ergebnis sind also viele Menschen betroffen, die bereits in eigenen Wohnungen leben und/oder arbeiten und damit idR über ein Konto verfügen. Nun könnten Leistungsbehörden trotz bereits bestehendem Konto oder trotz eines bestehenden Arbeitsverhältnisses ergänzende Leistungen über die Bezahlkarte auszahlen.
Nach den sonstigen Beschlüssen zu dieser Bezahlkarte soll diese zwar auch alle Möglichkeiten einer girocard haben, also theoretisch nur den Verwaltungsaufwand der Bargeldzahlungen reduzieren, aber ebenso sind zahlreiche Einschränkungen möglich, deren Einsatz bzw deren Umsetzung dann in der Hand der Länder liegen soll.
Dabei geht es vor allem um:
- Eine Begrenzung der Verfügungen in bar
- Sperren einzelner Waren und Dienstleistungen
- Sperren von Überweisungen generell, aber vor allem ins Ausland
- Sperren von Überweisungen zugunsten einer jeweiligen Karte durch Dritte
- Sperren der Verwendung außerhalb einer bestimmten Region, die über PLZ definiert werden kann
Bei den Plänen zur zukünftigen Verwendung der Bezahlkarte gibt es bereits jetzt massive Differenzen: Manche Bundesländer wie z.B. Hamburg zahlen derzeit nur 50€ zur Barabhebung aus, in anderen wie Berlin gehen die politischen Meinungen von kompletter Verfügbarkeit der Leistungen (Senatorin Kiziltepe) bis ebenfalls nur 50€ (RegBM Wegner).
Die Gefahr der Einführung einer solchen Karte geht indes noch weiter, denn es gibt bereits politische Forderungen aus der Union zum Einsatz einer solchen Karte für Bürgergeld-Empfänger.
Stellungnahme Prof. Dr. Brücker BIM/DeZIM
Eine lesenswerte Stellungnahme zur Bezahlkarte, ihrer Wirkung und allen wissenschaftlichen Hintergründen gibt es ganz aktuell von Prof. Dr. Herbert Brücker vom Berliner Institut für empirische Integrations- und Migrationsforschung (BIM) & Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) wie auch in der DeZIM-Forschungsgemeinschaft.
Gerade bei sensiblen Eingriffen in die Existenzsicherung sollten sich Bund und Länder in ihren Entscheidungen auf fachliche Evidenz statt auf Anekdoten und Annahmen stützen, die nicht plausibel sind.
Prof. Dr. Herbert Brücker BIM, IAB, DeZIM
https://www.dezim-institut.de/fileadmin/user_upload/Demo_FIS/publikation_pdf/FA-6050.pdf
Die Bezahlkarte ist doch nur der Befürchtung geschuldet, noch mehr Wähler an die AfD oder das Bündnis SW zu verlieren! In den 80ern oder 90ern haben wir die Flüchtlinge mit solchen Bezahlkarten mit Listen für unsere Einkäufe in die Supermärkte geschickt und ihnen draußen das Bargeld übergeben. Und das wird und sollte wieder geschehen!
Pari Rafi, Berlin