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Das Bundesministerium des Innern (BMI) hat einen Gesetz-Entwurf zur Asylrechtsverschärfung vorgelegt, das im Wesentlichen Verschärfungen zu Abschiebehaft, aber auch zu deutlichen Verschärfungen im Asylverfahren und zur Strafbarkeit unrichtiger Angaben beinhaltet
Das als „Diskussionsentwurf“ bezeichnete Papier vom BMI ist ein direktes Resultat aus dem Flüchtlingsgipfel vom 10.05.2023, bei dem Bund und Länder eigentlich über die Verteilung der Kosten bei der Flüchtlingsunterbringung und Integration sprechen wollten, aber letztlich auch ein Papier geeint haben, das letztlich noch komplett andere Inhalte hatte. So wurde einerseits in sehr breitem Raum über europäische Lösungen und Änderungen gesprochen und andererseits auch die nun in besagtem Entwurf niedergelegten Änderungen gemeinsam beschlossen.
In wesentlichen Punkten bedeutet dieser Entwurf eine massiver Verschärfung bestehenden Rechts.
Dies betrifft beispielsweise das Durchsuchen weiterer Wohnungen von nicht Betroffenen in Gemeinschaftsunterkünften, die Änderungen bei der Wertung von offensichtlich unzulässigen Asylanträgen bis hin zur möglichen Willkür, den Wegfall von Ankündigungsfristen bei Abschiebungen, die Verlängerung von Abschiebungs- und Sicherungshaft sowie die Erweiterung von Haftgründen. Ebenso werden unrichtige oder falsche Angaben im Asylverfahren, im Widerufsverfahren oder bei Mitwirkungspflichten nun strafbar.
Zumindest teilweise stellt sich die Frage, ob diese Änderungen überhaupt verfassungsrechtlich zulässig sind. Daneben stellt sich – wie so oft – die Frage, ob diese Dinge 1. umsetzbar und 2. überhaupt sinnvoll sind.
Bisher galt bei Abschiebehaft ohnehin das Argument, dass man Menschen einsperrt, die in den meisten Fällen gar keine Straftaten begangen haben. Jetzt jedoch werden durch strafrechtliche Verschärfungen die Voraussetzungen geschaffen, dass man ggfls. straffällig wird, wenn man unrichtige Angaben gemacht hat.
Grundsätzlich jedoch sollen die Voraussetzungen für Abschiebehaft mit dieser Grundlage deutlich erweitert werden.
Daneben geht es um grundlegende Änderungen beim Auslesen von Handydaten. Dies teilt man nun in zwei Schritte: Das Auslesen inkl. Cloudspeicher und das Auswerten. Sehr detailliert stellt dies alles dieser Artikel dar:
Dass dieses Gesetz nicht als Referentenentwurf sondern „Diskussionsentwurf“ bezeichnet wird, deutet an, dass sich das BMI wohl schon selbst an einigen Stellen nicht sicher ist, ob das alles Sinn macht.
Hier ein erster Überblick über die geplanten Änderungen ohne Anspruch auf Vollständigkeit:
Wesentliche Änderungen im AufenthG
- Erteilung der Aufenthaltserlaubnis bei subsidiärem Schutz für sofort 3 Jahre statt 1 Jahr (§ 26)
- Durchsuchungen in Gemeinschaftsunterkünften auch in anderen Räumlichkeiten als nur das Zimmer (der Wohnung) des Betroffenen zum Zwecke der Identitätsklärung (§ 48)
- Inhabern eine Niederlassungserlaubnis nach § 9 darf diese bei Passlosigkeit nicht mehr widerrufen werden, wenn die Passbeschaffung nicht zumutbar ist (§ 52)
- Ebenso: Durchsuchungen in Gemeinschaftsunterkünften zum Zwecke der Abschiebung sollen nun auch in Wohnungen anderer Personen oder sonstigen Räumlichkeiten möglich sein (§ 58)
- Abschiebungen in der Nacht sind nun trotz des Verbotes in § 58 Abs. 7 dann durchgeführt werden, wenn die „Rahmenbedingungen von der durchführenden Behörde nicht beeinflusst werden können“ (§ 58)
- Zuständigkeit für Erlass eines Durchsuchungsbeschlusses nun einheitlich bei Amtsgerichten, nicht mehr wie teilweise bei Verwaltungsgerichten (§ 58)
- Die Ankündigungsfrist für Abschiebungen von einer Woche bei Abschiebungen aus Haft (§ 59) wird ebenso gestrichen wie die die Ankündigungsfrist von einem Monat, wenn jemand mindestens seit eine Jahr im Besitz einer Duldung war (§ 60a).
- Widerspruch gegen Einreise- und Aufenthaltsverbote sind nun ohne aufschiebende Wirkung (§ 78)
- Erlass von Wohnsitzauflagen oder räumlichen Beschränkungen sind damit nun sofort vollziehbar.
- Verstoß gegen Einreise- und Aufenthaltsverbote sind nun eigenständiger Haftgrund, ohne, dass es einer Fluchtgefahr bedarf (§62)
- Auch Menschen, die visumfrei einreisen konnten oder sich mit zwischenzeitlich abgelaufenem Schengen-Visum aufhalten, können nun ohne bestehende (und bisher nachzuweisende) Fluchtgefahr in Abschiebehaft genommen werden.
- Die Sicherungshaft zur Vorbereitung einer Abschiebung ist nun erst dann unzulässig, wenn feststeht, das erst nach 6 statt bisher 3 Monaten die Abschiebung durchgeführt werden kann und dies von Betroffenen nicht zu vertreten ist (§ 62)
- Die Sicherungshaft kann nun auch 6 Monate betragen, wenn von Betroffenen eine Gefahr für Leib und Leben oder die innere Sicherheit ausgeht. (§ 62)
- Neu eingeführt wird eine Mitwirkungshaft, wenn jemand bei einer Anordnung zum Botschaftsbesuch bzw. bei einem behördlichen Termin mit Bediensteten des vermuteten Herkunftsstaates keine Angaben macht, die zur Identitätsklärung erforderlich sind. Bisher gab es diese Möglichkeit nur bei einem Fernbleiben (§ 62)
- Behördliches Beschwerderecht gegen Ablehnung des Abschiebehaftantrages
- Verlängerung Ausreisegewahrsam von 10 auf 28 Tage (§ 62b)
- Bisher mussten Abschiebehaftanstalten o.ä., die zur Abschiebung genutzt wurden, in einer Entfernung von max. 1 Std. Vom jeweiligen Flughafen oder Grenzübergang liegen. Diese Begrenzung wird nun gestrichen (§ 62b)
- Bei Erteilung einer Niederlassungserlaubnis oder Daueraufenthalt EU können beide für 10 Jahre ausgestellt werden, auch wenn der bei Ausstellung vorgelegte Pass zwischenzeitlich abläuft (§ 78)
- Widerspruch gegen Einreise- und Aufenthaltsverbote sind nun ohne aufschiebende Wirkung (§ 84)
- Erlass von Wohnsitzauflagen oder räumlichen Beschränkungen sind damit nun sofort vollziehbar. (§ 84)
- Die Mit- und Beihilfe bei Schleusungen wird bei Vorsatz nun auch strafbar, wenn jemand dazu anstiftet oder Hilfe leistet, unrichtige oder falsche Angaben im Asylverfahren dazu zu benutzen, einen Schutzstatus zu erlangen (§ 96)
- Strafbar wird Schleusen nun auch dann, wenn z.B. ein unbegleiteter Minderjähriger sich dabei nicht selbständig strafbar machen kann (§ 96)
Wesentliche Änderungen im AsylG
- Reisen ins Herkunftsland müssen von Jobcentern, ABH, Botschaften, Polizei oder Bundespolizei nun auch dann mitgeteilt werden, wenn jemand im Asylverfahren ist oder ein Abschiebungsverbot nicht § 60 Abs. 5 oder 7 besteht. (§ 8)
- Fortdauer und Anordnung von Abschiebungshaft auch nach Asylantragstellung bzw. Folgeantrag, wenn sich jemand in Haft befindet oder bei Asylantragstellung die Voraussetzungen für Abschiebehaft erfüllt. (§ 14)
- Mitwirkungspflichten: Geändert und präzisiert werden die Regelungen zum Auslesen und Auswerten von Datenträgern (insbesondere Handys). Das Auslesen soll dann zulässig sein, wenn jemand keinen gültigen Pass oder Passersatz besitzt, die Auswertung dagegen nur dann erfolgen dürfen, wenn 1. keine milderen Mittel möglich sind und 2. auch Daten zur Identitätsklärung vorhanden sind. Liegen tatsächliche Anhaltspunkte vor, dass sich dort nur Daten aus der privaten Lebensführung finden lassen, wäre die Auswertung unzulässig. Diese Neufassung soll zur Umsetzung des BVerG-Urteils vom 16.02.2023 (1 C 19.21) dienen (§ 15a)
- Neugliederung des § 30 (Ablehnung als offensichtlich unbegründet). In weiten Teilen ist es tatsächlich eine Neufassung mit den alten Inhalten. Im wesentlichen neu sind jedoch drei Änderungen:
Ablehnung als offensichtlich unbegründet, wenn nur Umstände vorgebracht werden, die für die Prüfung des Asylantrages nicht von Belang sind“: Dies kann zu einer erheblichen Ausweitung von Ablehnungen als offensichtlich unbegründet statt einfach unbegründet führen. - Bei Verletzung von Mitwirkungspflichten galt bisher eine grundsätzliche Ausnahme, wenn „jemand dies nicht zu vertreten oder die Einhaltung der Mitwirkungspflichten aus wichtigen Gründen nicht möglich war“. Dies soll zwar weitgehend für unbegleitete Minderjährige erhalten bleiben, aber eben nicht generell (§ 30).
- Asylanträge bei bestehendem Einreise- und Aufenthaltsverbot sind als offensichtlich unbegründet abzulehnen. (§ 30)
- Asylanträge von Menschen mit bestehendem Einreise- und Aufenthaltsverbot sollen künftig als beschleunigte Verfahren durchgeführt werden (§ 30a)
- Aufenthaltsgesstattungen können künftig für 6 statt 3 Monate bei Pflicht zum Wohnen in einer Aufnahmeeinrichtung und sonst mit bis zu 12 Monaten statt sechs ausgestellt werden (§ 63)
- Ein Folgeantrag nach einem abgelehnten Folgeantrag hindert nicht die Abschiebung auch vor Entscheidung und Rechtskraft des 2. Folgeantrages (§ 71)
- Im Widerrufs- oder Rücknahmeverfahren gemachte unrichtige, ausbleibende oder unvollständige Angaben sollen zukünftig strafrechtlich relevant sein. Allerdings auch nur dann, wenn Betroffene deren Verwertung zugestimmt haben. (§ 73b)
- Ausbleibende, falsche oder unvollständige Mitwirkungen trotz entsprechender gesetzlicher Verpflichtung sollen zukünftig strafbar sein. Dies soll nun bei Verstößen gegen allgemeine Mitwirkungspflichten im Asylverfahren (§ 15) wie auch im Widerrufs- oder Rücknahmeverfahren (§ 73b) geändert werden. Dabei werden diese Verstöße im Asylverfahren mit Freiheitsstrafe bis zu 1 Jahr oder Geldstrafe belegt, wenn sie zu einem wissentlichen Gebrauch eines deshalb falsch erlangten Schutzstatus dienen, mit bis zu 3 Jahren oder Geldstrafe. (§ 85).