Ukraine: Berlin verlängert Regelung & Fiktionsbescheinigungen für DrittstaatlerInnen

Berlin hat bekanntermaßen als eines von wenigen Bundesländern eine spezielle Regelung für sog. DrittstaatlerInnen erlassen, also Menschen, die aus der Ukraine vor dem Krieg fliehen mussten, aber nicht ukrainischer Staatsangehörigkeit sind.  

In Folge dessen wurden seit September 2022 in vielen Fällen für DrittstaatlInnen Fiktionsbescheinigungen nach § 24 AufenthG mit sechs bzw. zwölf Monaten Laufzeit ausgestellt. 

Zu allen Einzelheiten dazu sei auf unseren sehr ausführlichen Beitrag dazu verwiesen(Dieses Verfahren gilt im übrigen grundsätzlich weiterhin für die DrittstaatlerInnen, die erst jetzt und auch zukünftig Anträge nach § 24 AufenthG stellen.)

Die aufgrund dieser Regelung seit September ausgestellten Fiktionsbescheinigungen (zumindest die mit sechsmonatiger Gültigkeit) laufen nun sukzessive aus. Deshalb hat der Berliner Senat am 07.03.2023 eine Anschlussregelung beschlossen, die das Landesamt für Einwanderung (LEA) entsprechend den nachfolgenden Vorgaben umsetzt. 

Diese Anschlussregelungen stellen wir im Folgenden dar. 

Vorab: Gültigkeit von neuen Aufenthaltserlaubnissen & Fiktionsbescheinigungen nach § 24v AufenthG maximal bis 04.03.2024

Vorab auch noch einmal der Hinweis auf die folgende Änderung seit Dezember 2022: Aufenthaltserlaubnisse nach § 24 AufenthG werden auch in Berlin nun nur noch bis max. 04.03.2024 ausgestellt und nicht mehr wie vorher für grundsätzlich zwei Jahre. Gleiches gilt auch für Fiktionsbescheinigungen, die jetzt – wenn die Voraussetzungen dafür zutreffen – nicht mehr für 12 Monate, sondern ebenfalls nur noch bis zum 04.03.2024 ausgestellt werden. 

Hintergrund: Der Beschluss des Europäischen Rates zur Aktivierung der Massenzustromrichtlinie stammt vom 04.03.2022. Die Richtlinie sieht ja generell vor, dass der Beschluss für zunächst ein Jahr wirkt und sich dann automatisch um 2 x 6 Monate verlängern kann, wenn es keinen gegenteiligen (aufhebenden) Beschluss dazu gibt. Wir sind jetzt demnach in der ersten von möglichen zwei Verlängerungen um jeweils sechs Monate. Bis zum 03.03.2024 muss vom Europäischen Rat ein neuer Beschluss gefasst werden, wenn die Massenzustromrichtlinie auch für ein drittes Jahr in Kraft bleiben soll. Damit ist allerdings erst Anfang 2024 zu rechnen. 

Ergänzende Regelungen des Senatsbeschlusses vom 03.03.2023:

Menschen mit einer bereits erteilten Fiktionsbescheinigung für 6 Monate

Zu allen grundlegenden Details zu deren Erteilung siehe HIER.

Die Grundlage für die Ausstellung einer solchen Bescheinigung für 6 Monate war, dass von Betroffenen bisher keine Gründe vorgetragen wurden, warum sie nicht sicher und dauerhaft in ihr jeweiliges Heimatland zurückkehren können. Sofern sie in der Ukraine Studierende waren, konnte dann eine Fiktionsbescheinigung für 6 Monate ausgestellt werden, um in dieser Zeit die Voraussetzungen für die Erteilung einer anderen Aufenthaltserlaubnis als der nach § 24 AufenthG zu erlangen, insbesondere der für ein Studium. 

Läuft nun diese ursprünglich erteilte Fiktionsbescheinigung jetzt aus, ergeben sich die folgenden Möglichkeiten: 

A) Vortrag von Gründen, weshalb keine sichere und dauerhafte Rückkehr ins Heimatland möglich ist

Wird nun – anders als bisher – erstmals vorgetragen, dass es Gründe gibt, warum man nicht ins jeweilige Heimatland zurückkehren kann, wird die bisherige Fiktionsbescheinigung verlängert, damit das BAMF für das LEA prüfen kann, ob diese vorgetragenen Gründe tatsächlich dafür ausreichend sind, dass eine sichere und dauerhafte Rückkehr ins jeweilige Herkunftsland nicht möglich ist. Dies entspricht dem ohnehin schon bisher angewendeten Verfahren, wenn seinerzeit bereits diese Gründe vorgetragen wurden. 

Hierzu erhalten Betroffene nun eine neue verlängerte Fiktionsbescheinigung nach § 24 AufenthG bis zum 04.03.2023. 

Hintergrund für diese Befristung ist, dass an diesem Tag die bisherige Beschlusslage des Europäischen Rates zur sog. Massenzustromrichtlinie ausläuft und es voraussichtlich erst ca. im Februar 2024 einen entsprechenden neuen Beschluss geben wird (s.o.).

Zu A: Weiteres Verfahren vor Ablauf der verlängerten Fiktionsbescheinigung 

Im Januar/Februar 2024 erfolgt dann eine erneute Vorsprache beim LEA, zu dem dann die Prüfungsergebnisse des BAMF zum jeweiligen Vortrag der Betroffenen vorliegen. 

Dann ergeben sich für Menschen in dieser Gruppen Anfang 2024 die folgenden Varianten: 

A1  Vorgetragene Gründe reichen aus

Kommt das BAMF zum Ergebnis, dass die vorgetragenen Gründe ausreichen, wird dann eine Aufenthaltserlaubnis nach § 24 AufenthG erteilt. Dies setzt jedoch voraus, dass es dazu eine entsprechende Beschlusslage des Europäischen Rates gibt, der die Wirksamkeit der Massenzustromrichtlinie bis 2025 verlängert (s.o.).

A2 Vorgetragene Gründe sind Asylgründe

Ergibt die Prüfung des BAMF, dass die vorgetragenen Gründe inhaltlich ausschließlich den Gründen entsprechen, die bei einem Asylantrag geprüft würden, gilt dann, dass die Fiktionsbescheinigung nicht verlängert werden kann, sondern Betroffene auf die Stellung eines Asylantrages verwiesen werden. Hierzu heißt es:

Verweist das BAMF den nicht-ukrainischen Drittstaatsangehörigen in seiner Einschätzung auf die Durchführung eines Asylverfahrens, ist dem BAMF zu folgen. Die erforderliche Belehrung nach § 20 Abs. 1 AsylG ist im Rahmen der Anhörung zur Versagung der Aufenthaltserlaubnis nach § 24 vorzunehmen.
Merke: Ein “Wahlrecht” des Ausländers zwischen asylrechtlichem oder ausländerrechtlichem Schutz vor Verfolgung im Heimatland besteht nicht. Beruft sich ein Ausländer materiell auf Asylgründe im Sinne des § 13 AsylG, hat sich damit ausschließlich das diesbezüglich besonders sachkundige Bundesamt zu befassen. Unterlässt der Ausländer die Stellung eines Asylantrags beim Bundesamt nach § 14 AsylG, kann er sich auch gegenüber der Ausländerbehörde nicht (mehr) auf zielstaatsbezogenen Abschiebungsschutz nach § 60 AufenthG berufen (siehe dazu BVerwG – 1 B 126/05 – Beschluss vom 03.03.2006.).“

LEA Berlin

B (Weiterhin) Kein Vortrag von Gründen zur nicht sicheren und dauerhaften Rückkehr, aber  besondere Härte

Sind auch bis zum Auslaufen der ursprünglich für sechs Monate erteilten Fiktionsbescheinigung wiederum keinerlei Gründe vorgetragen, kann noch die Erteilung bzw. Verlängerung einer Fiktionsbescheinigung in Frage kommen, wenn von einer besonderen Härte ausgegangen werden kann. 

Der ursprüngliche Hintergrund zur Erteilung dieser Variante der Fiktionsbescheinigung war ja, dass Drittsaatsangehörige, die aus der Ukraine fliehen und sich dort als StudentInnen aufgehalten hatten, hier die Möglichkeit erhalten, die Voraussetzungen zur Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis für ein Studium  o.ä zu erfüllen. 

Wesentliche Voraussetzungen dazu sind vor allem die eigenständige Sicherung des Lebensunterhaltes und entsprechende Sprachkenntnisse. 

Kritik am Senatsbeschluss aus August 2022 war schon immer, dass die dazu gegebene Zeit von sechs Monaten i.d.R. nicht ausreicht, um diese Voraussetzungen zu erfüllen, weil z.B. Laufzeiten von Integrationskursen schon diese sechs Monate übersteigen. 

Sind also diese Bemühungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes oder zur Erlangung der Sprachkenntnisse begonnen, aber noch nicht endgültig erfolgreich gewesen, besteht die Möglichkeit, dass die auslaufende Fiktionsbescheinigung nach § 24 AufenthG noch einmal bis zum 04.03.2024 verlängert wird. 

Dies kann nach dem entsprechenden Senatsbeschluss dann erfolgen,

„wenn   

  • der Lebensunterhalt wenigstens teilweise gesichert werden kann
  • aufgrund persönlicher oder gesundheitlicher Gründe eine Sicherung des Lebensunterhalts nicht oder nicht vollständig möglich oder nicht zumutbar ist oder 
  • der/die Betroffene zwischenzeitlich bereits besondere Integrationsleistungen (z. B. erhebliche Fortschritte bei dem Erlernen der deutschen Sprache) erbracht hat

und dadurch erkennbar wird, dass eine Aufenthaltserlaubnis nach § 16b oder eines anderen Aufenthaltstitels nach Ablauf der verlängerten Fiktionsbescheinigung voraussichtlich erteilt werden kann. Der Nachweis hierfür ist durch den nicht-ukrainischen Drittstaatsangehörigen zu erbringen, § 82 Abs. 1.“ (VAB Berlin)

Wichtig ist also hier, dass diese bisherigen Bemühungen von den Betroffenen entsprechend individuell nachgewiesen werden und ggfls auch dargestellt wird, wie und auf welchen Wegen diese Bemühungen zum Erfolg führen können.

Zu B: Weiteres Verfahren vor Ablauf der verlängerten Fiktionsbescheinigung

Anfang 2024 vor dem Auslaufen der dann ja bis 04.03.2024 verlängerten Fiktionsbescheinigung aufgrund einer besonderen Härte müssen Betroffene dann die Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 16 b oder einer anderen Variante erfüllen können. Eine Erteilung einer Erlaubnis nach § 24 ist ja in diesen Fällen ohnehin schon seit der Ausstellung der ersten Fiktionsbescheinigung bei dieser Fallkonstellation ausgeschlossen. 

Können die Voraussetzungen für eine andere Aufenthaltserlaubnis dann nicht erfüllt werden, bliebe nur noch die Möglichkeit zur Stellung eines Asylantrages oder der Darlegung von Gründen für eine Duldung

C Kein Vortrag von Gründen & keine besondere Härte

Wurden weder (nun erstmalig) Gründe zur nicht möglichen dauerhaften und sicheren Rückkehr vorgetragen noch gibt es eine besondere Härte nach B), dann läuft die ursprünglich erteilte Fiktionsbescheinigung aus. Die Erteilung einer anderen Aufenthaltserlaubnis ist dann auch nicht mehr möglich. 

Denkbar wäre dann nur noch die Stellung eines Asylantrages oder die Darlegung von Gründen für eine Duldung

Menschen mit einer ursprünglich für 12 Monate erteilten Fiktionsbescheinigung 

Zu allen Voraussetzungen siehe auch in diesen Fällen nochmals HIER. Im Wesentlichen hat sich hier nichts verändert.

Diese Fallgruppe kann erstmalig eigentlich erst im Oktober/November 2023 auftauchen, weil erst dann der erstmalige Erteilungszeitraum abläuft. Diese Menschen hatten demnach bereits vor Erteilung ihrer Fiktionsbescheinigung für seinerzeit 12 Monate entsprechende Gründe vorgetragen, warum sie nicht sicher und dauerhaft in ihr Herkunftsland zurückkehren können. Diese Gründe hat dann das LEA dem BAMF vorgelegt. Je nach Ergebnis der Prüfung dazu, gibt es demnach auch hier die folgenden Gruppen: 

A1 Vorgetragene Gründe reichen aus

Kommt das BAMF zum Ergebnis, dass die vorgetragenen Gründe ausreichen, wird eine Aufenthaltserlaubnis nach § 24 AufenthG erteilt, wenn man voraussetzt, dass es dann eine entsprechende Beschlusslage zur Massenzustromrichtlinie gibt (s.o.).

A2 Vorgetragene Gründe sind Asylgründe

Ergibt die Prüfung des BAMF, dass die vorgetragenen Gründe inhaltlich den Gründen entsprechen, die bei einem Asylantrag geprüft würden, gilt dann auch hier, dass die Fiktionsbescheinigung nicht verlängert werden kann, sondern Betroffene auf die Stellung eines Asylantrages verwiesen werden. Hierzu noch einmal der entsprechende Text dazu:

Verweist das BAMF den nicht-ukrainischen Drittstaatsangehörigen in seiner Einschätzung auf die Durchführung eines Asylverfahrens, ist dem BAMF zu folgen. Die erforderliche Belehrung nach § 20 Abs. 1 AsylG ist im Rahmen der Anhörung zur Versagung der Aufenthaltserlaubnis nach § 24 vorzunehmen.
Merke: Ein “Wahlrecht” des Ausländers zwischen asylrechtlichem oder ausländerrechtlichem Schutz vor Verfolgung im Heimatland besteht nicht. Beruft sich ein Ausländer materiell auf Asylgründe im Sinne des § 13 AsylG, hat sich damit ausschließlich das diesbezüglich besonders sachkundige Bundesamt zu befassen. Unterlässt der Ausländer die Stellung eines Asylantrags beim Bundesamt nach § 14 AsylG, kann er sich auch gegenüber der Ausländerbehörde nicht (mehr) auf zielstaatsbezogenen Abschiebungsschutz nach § 60 AufenthG berufen (siehe dazu BVerwG – 1 B 126/05 – Beschluss vom 03.03.2006.).“

LEA Berlin

B Vorgetragene Gründe reichen nicht aus

Teilt das BAMF dem LEA mit, dass die vorgetragenen Gründe nicht ausreichen und auch nicht denen eines Asylantrages entsprechen, ist davon auszugehen, dass das LEA dann keine Aufenthaltserlaubnis nach $ 24 erteilt und die Fiktionsbescheinigung auch nicht verlängert. 

Ansonsten bliebe auch hier noch grundsätzlich die Möglichkeit, einen Asylantrag zu stellen oder Duldungsgründe vorzutragen. 

C Voraussetzungen für eine andere Aufenthaltserlaubnis werden erfüllt

Sind zu diesem Zeitpunkt die Voraussetzungen für eine andere Aufenthaltserlaubnis als der nach § 24 AufenthG erfüllt, kann diese andere Aufenthaltserlaubnis erteilt werden. 

Auch hier gilt jedoch unserer Auffassung nach dann die Möglichkeit, im Ermessen bei einer besonderen Härte nochmals eine Verlängerung zu erreichen (siehe dazu unter 1.B). 

Hierzu gibt es jedoch bisher noch keine entsprechende Beschlusslage des Senats. 

Grundsätzlich: Entscheidung liegt beim LEA, nicht beim BAMF

Grundsätzlich bleibt die letztliche Entscheidung über die Frage, ob vorgetragene Gründe ausreichen oder nicht beim LEA und ist nicht Gegenstand des Verfahrens beim BAMF. Es ist aber davon auszugehen, dass das LEA in den allermeisten Fällen der Einschätzung des BAMF folgen wird. Abweichungen sind nur auf jeweilige Einzelfälle beschränkt:

„Grundsätzlich ist der Sachkunde des BAMF in seiner Einschätzung zu folgen. Nur besondere Umstände des Einzelfalls rechtfertigen eine abweichende Entscheidung. Soll eine abweichende Entscheidung getroffen werden, ist der Vorgang zuvor der Referatsleitung vorzulegen.“ (LEA Berlin)

LEA Berlin

Klar formuliert ist jedoch, dass das LEA in den Fällen, in denen das BAMF die Einschätzung abgibt, dass die vorgetragenen Gründe einem Asylantrag entsprechen würden, dieser Beurteilung durch das BAMF folgt (s.o.).

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