Leistungschaos in Berlin: Beim Wechsel von den Sozialämtern zu den Jobcentern droht Chaos & Leistungslosigkeit

Leistungs-Chaos in Berlin

Beim Wechsel von Menschen aus der Ukraine von den Sozialämtern zu den Jobcentern zum 01.06. droht Chaos und Leistungslosigkeit. 

Zum 01.06. können Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine unter bestimmten Bedingungen von den Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) vom Sozialamt zu den Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch (SGB) vom Jobcenter wechseln. Die rechtlichen Voraussetzungen, die auf Bundesebene dazu geschaffen wurden, sind jedoch komplex und stellen nicht sicher, dass etwa ein grundsätzlicher Wechsel zum Stichtag 01.06. erfolgen kann. Vielmehr sind die Sozialämter auch nach dem 01.06. in vielen Fällen noch monatelang für Geflüchtete aus der Ukraine zuständig. Nicht mehr Erwerbsfähige über 67 Jahren wechseln nur den Rechtskreis, aber nicht die zuständige Behörde.

Die aktuelle Situation vieler Menschen stellt sich uns real wie folgt dar: 

  • Es gab in Sozialämtern Abschlagszahlungen im April, aber keine weiteren Zahlungen.
  • Es gibt in zahlreichen Fällen keine Leistungsbescheide der Sozialämter, anhand derer man prüfen könnte, für wen welche Leistungen bisher gezahlt wurden.
  • Sozialämter kündigten an, sich wieder telefonisch zu melden, wenn „weitere Leistungen möglich seien“. Solche Anrufe sind nie erfolgt. 
  • Neue Leistungsanträge wurden mit Hinweis auf baldige Zuständigkeit der Jobcenter abgelehnt.
  • Kostenübernahmen für Mietverträge werden mit Hinweis auf die Jobcenter verweigert
  • Bescheinigungen, die Arztbesuche ermöglichen, werden nicht ausgegeben.
  • Elektronische Gesundheitskarten werden nicht bestellt.
  • Anträge von Drittstaatlern aus der Ukraine werden oft nicht einmal entgegen genommen.

Dies sind nur einige konkrete Beispiele die uns erreichten, die es verteilt über nahezu alle Bezirke in der Stadt gibt. 

Die Folgen sind u.a.: 

  • Leistungs- und damit Mittellosigkeit
  • Versorgungsengpässe bei Lebensunterhalt
  • Versorgungslücken bei der medizinischen Versorgung
  • Fehlende Unterbringung und Obdachlosigkeit
  • Verlust von angebotenen Wohnungen, wenn es keine schnelle Bearbeitung gibt

Inzwischen haben Sozialämter wie z. B. in Pankow bereits geschlossen oder kündigen dies wie Marzahn-Hellersdorf für die nächste Woche an. Neuanträge sollen noch möglich sein, Vorsprachen für Menschen, die bereits Leistungen beantragt haben, nicht. Dazu heißt es aus Marzahn-Hellersdorf z. B.: „Aufgrund des anstehenden Rechtskreiswechsel bezüglich des Leistungsanspruches für ukrainische Geflüchtete vom AsylbLG in das SGB II/SGB XII und zur Sicherstellung der Zahlläufe vorübergehend keine Sprechstunde“.

Viele Menschen aus der Ukraine sind jedoch auf Barleistungen angewiesen, weil sie noch nicht über ein Konto verfügen. Anträge auf Kostenübernahmen müssen jetzt vom zuständigen Sozialamt bearbeitet werden, nicht irgendwann zukünftig von einem anderen evtl. einmal zuständig werdenden Amt. 

Die Sozialämter tun offensichtlich so, als ob es einen grundsätzlichen Wechsel per Stichtag für alle gäbe. Dies ist jedoch nicht der Fall. Bis in den Jobcentern alle Anträge bearbeitet sein werden, vergehen noch Wochen oder Monate. Bis dahin sind die Sozialämter rechtlich verpflichtet, die Leistungen sicherzustellen. Neu Ankommende nach dem 01.06. werden zudem immer erst einmal in der Zuständigkeit der Sozialämter sein. 

Wir fordern deshalb von allen Bezirken und ihren Sozialämtern: 

  • Durchgehende Möglichkeit zur Vorsprache und Antragstellung
  • Nachzahlung erkennbar offener Beträge
  • Erstellung entsprechender Leistungsbescheide
  • Sicherstellung der Leistungen nach dem 31.05.
  • Hotline & zentrale E-Mail für Beratungseinrichtungen für unkomplizierte Nachfragen in jedem Bezirk

Wir beraten alleine an unserem Standort Mollstraße 1 täglich rund 100 bis 150 Menschen. Nahezu alle haben eines der o. g. Probleme. Teilweise werden Menschen von Ämtern zur Hilfe beim Ausfüllen von Anträgen direkt zu Beratungsstellen geschickt, weil sie selbst das nicht leisten wollen. 

Umso zwingender sind auf Seiten der Jobcenter

  • Ausfüll-Anleitungen und -Hilfen auf ukrainisch und russisch für alle Antragsteile
  • konkrete Beratung bei der Antragstellung in allen Jobcentern, auch auf ukrainisch
  • Klare Kommunikation zu Zuständigkeit und Zugang (wir haben Fälle von  über 80-jährigen, die von den Jobcentern eingeladen wurden)
  • Klare Kommunikation zu den Voraussetzungen (z. B. erhält niemand die geforderte Bescheinigung über einen Eintrag im Ausländerzentralregister)
  • Kurzfristige Bescheide und Sachstandsmitteilungen
  • Auch hier: Eine zentrale Hotline und E-Mail für Nachfragen von Beratungsstellen

Wir wissen um die große Aufgabe und die Zahl der geballt zu bearbeitenden Anträge und Fälle und auch die Herausforderungen an die Verwaltung in Berlin. Wir reden jedoch hier über die Sicherstellung des Existenzminimums von Menschen. Und wir reden auch darüber, dass wir in der Beratung gerne helfen. 

Wir können aber nicht Leistungslücken schließen und fehlende Versorgung sicherstellen. So viele Gutscheine für Einkäufe in Supermärkten haben wir nicht. Genau dies sind jedoch die Probleme, vor denen wir jeden Tag stehen und die in naher Zukunft noch viel größer  werden.

Berlin 20.05.2022

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1 Gedanke zu „Leistungschaos in Berlin: Beim Wechsel von den Sozialämtern zu den Jobcentern droht Chaos & Leistungslosigkeit“

  1. Es ist leider exakt so, wie in der Stellungnahme beschrieben. Die Familie, die wir kostenlos in unseren Räumen aufgenommen haben,werden von drei Sozialąmtern (Charlottenburg, Neukölln, Köpenick) nicht so behandelt, wie sie es rechtmäßig verdient hätten. Es werden Dolmetscher eingesetzt, die gar kein Deutsch können. Leistungen werden befristet. Zuständigkeiten sind ungeklärt. Es ist keine Bereitschaft zur Hilfe vorhanden. Gar keine! Ein beschämendes Gesamtbild in Berlin. In sehr vielen anderen Bundesländern läuft alles reibungslos.

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