Afghanistan: Folgeantrag – Wann, wie & für wen?

UPDATE : Zur Frist zur Antragstellung gibt es aufgrund des aktuellen EuGH-Urteiles ein Update im Beitrag

Einleitung

Durch die veränderte Lage in Afghanistan ist es für manche Menschen aus Afghanistan in Deutschland möglich und auch ratsam, einen Folgeantrag zu stellen, wenn der ursprüngliche Asylantrag entweder abgelehnt oder nur eine relativ geringe Schutzstufe zuerkannt wurde. 

Da wir viele Nachfragen hierzu erhalten, wollen wir ein paar wichtige und wesentliche Hinweise dazu geben, wer einen solchen Antrag stellen kann und worauf hierbei zu achten ist. 

Zu unterscheiden bzw. zu beachten sind dabei die folgenden Punkte und Fragen:

  1. Wer kann überhaupt aus welchem Status heraus einen Folgeantrag stellen?
  2. Ist die Stellung eines Folgeantrages individuell sinnvoll, um einen besseren Status zu erzielen?
  3. Welche rechtlichen Folgen hat eine Folgeanstragstellung während des Verfahrens?
  4. Was ist am Ende individuell die beste Lösung?

Schon hier geben wir deshalb den Hinweis, dass eine INDIVIDUELLE Beratung VOR Antragstellung in jedem Fall sinnvoll und zwingend ist.

Folgeantrag: Wann kann man diesen stellen?

Ein Folgeantrag (§ 71 Asylgesetz) kann bei der Außenstelle des BAMF, bei der das erste abgeschlossene Asylverfahren geführt wurde, gestellt werden, wenn »sich die dem Verwaltungsakt zugrunde liegende Sach- oder Rechtslage nachträglich zugunsten des Betroffenen geändert hat« (§ 51 Abs. 1 Nr. 1 Verwaltungsverfahrensgesetz).

Hier trifft dies insoweit zu, dass sich in sehr vielen Fällen die Sachlage durch die Machtübernahme der Taliban geändert hat. 

Frist zur Antragstellung

Ein Folgeantrag muss innerhalb von 3 Monaten nach Änderung der Sach- oder Rechtslage gestellt werden. Überwiegend wird davon ausgegangen, dass der auslösende Zeitpunkt der Fall Kabuls an die Taliban ist, also der 16.08.2021. Die Antragstellung sollte deshalb sicherheitshalber bis zum 15.11.2021 erfolgen. 

Es ist zwar denkbar, dass auch eine spätere Antragstellung noch als rechtzeitig angesehen wird, weil die Lage in Afghanistan bis heute letztlich in weiten Bereichen noch unklar ist. Wie das jedoch später das BAMF oder in der Folge Gerichte sehen werden, ist derzeit völlig offen.

Zunächst muss man deshalb davon ausgehen, dass ein Folgeantrag nur bis 15.11.2021 rechtssicher gestellt werden kann. 

Update:

Seit 09.09.2021 liegt ein EuGH-Urteil vor, das sich u.a. mit der Frist zur Folgeantragstellung beschäftigt und diese Frist für nicht wirksam erklärt. Alle Informationen dazu und auch die weiteren Hinweise ergeben sich aus diesem Beitrag:

Voraussetzungen zur Bearbeitung von Folgeanträgen

Das BAMF entscheidet aufgrund von Lageberichten des Auswärtigen Amtes. Diese stellen die Grundlage zur Beurteilung der Situation in einem Land dar. 

Derzeit liegt kein Lagebericht vor, der die tatsächliche aktuelle Situation in Afghanistan schildert. Insofern entscheidet das BAMF derzeit auch nicht über noch laufende Asylverfahren und wird auch nicht über neu gestellte Folgeanträge entscheiden. 

Aus diesem Grund haben wir bereits Mitte August eine Forderungsliste aufgestellt, die sich konkret mit der Situation der Menschen aus Afghanistan beschäftigt, die bereits in Deutschland sind und seit 2015 hier ankamen und einen neuen Lagebericht gefordert. 

Derzeit kann man also seriös nicht sagen, wann es wieder zu Entscheidungen durch das BAMF kommen wird.

Zu unterscheiden ist ggfs., welche Folgen diese Änderung der Sachlage je nach Einschätzung in einem neuen Lagebericht für den Einzelnen haben kann. 

In den Fällen, in denen eine Verfolgung durch die Taliban bereits im ursprünglichen Asylantrag geltend gemacht wurde, dort jedoch auf die zum damaligen Zeitpunkt noch möglicherweise bestehenden Fluchtalternativen verwiesen wurde, fallen diese nach der vollständigen Machtübernahme ja nun weg und würden einen Verfolgungsgrund darstellen und begründen, der zum Flüchtlingsstatus führen kann. 

Alternativ ist auch denkbar, dass subsidiärer Schutz zuerkannt wird, wenn es nun zu gewalttätigen Auseinandersetzungen in Afghanistan kommt. Dies ist allerdings zumindest zum Zeitpunkt dieses Beitrages noch nicht klar. 

Es kann sich allerdings auch die Meinung bilden, dass durch die Machtübernahme der Taliban in ganz Afghanistan die Voraussetzungen nach § 4 AsylG, willkürliche Gewalt im Rahmen eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts, kaum noch vorliegen könnten. 

Insofern ist die Erteilung subsidiären Schutzes als Ergebnis eines Folgeantrages möglicherweise nicht zu erwarten und zumindest denkbar, dass je nach Aussage im zukünftigen Lagebericht ein subsidiärer Schutz unter Umständen nicht das Ergebnis eines Asylverfahrens sein muss, auch wenn wir wie auch viele andere das anders sehen.

Größenordnung zu Asyl- und Folgeanträgen

Wir haben auf Basis der Zahlen per 31.12.2020 einmal grob analysiert, für welche Menschen Folgeanträge unter Umständen Sinn machen. 

Zum Zeitpunkt 31.12.2020 waren noch rd. 35.000 nicht entschiedene Asylanträge anhängig. Dazu kommen noch rd. 123.000 Fälle, in denen ein Folgeantrag mindestens denkbar ist. 

Insgesamt sprechen wir also über rd. 158.000 mögliche Verfahren. Realistisch sind damit sicherlich rd. 80.000 Asylverfahren, die entweder noch grundsätzlich oder im Folgeverfahren zu entscheiden sind. Dies ist auch die Größenordnung, auf die das BAMF sich nach eigenen Aussagen vorbereitet. 

Hieran kann man zumindest grob eine zeitliche Dimension festmachen, die es auch – je nach Status und individueller Ausgangslage – zu bedenken gilt. 

Dauer eines Folgeverfahrens

Im Grundsatz bearbeitet das BAMF Asylanträge nach dem Eingang. Derzeit sind Entscheidungen über Asylanträge von Menschen aus Afghanistan ausgesetzt. Wann wieder Entscheidungen getroffen werden, ist im Moment noch nicht absehbar, zumal das BAMF auf die Vorlage eines neuen Lageberichtes vom Auswärtigen Amt wartet. 

Wenn Entscheidungen wieder aufgenommen wurden, würden zunächst die noch offenen „normalen“ Asylverfahren entschieden. Erst danach ginge es um Folgeanträge. 

Hierbei unterstellen wir, dass das BAMF auch nichts an seiner grundsätzlichen Praxis ändert und eben auch keine Schnellverfahren einsetzt, wie von uns vorgeschlagen. 

Dies so vorausgesetzt, werden Entscheidungen über Folgeanträge sicher kaum vor 2023 oder vielleicht sogar später zu erwarten sein. 

Insofern stellt sich zumindest in Einzelfällen die Frage, ob ein Folgeantrag Sinn macht oder man nicht auf anderen Wegen entweder in eine Aufenthaltserlaubnis oder sogar perspektivisch in eine Niederlassungserlaubnis kommt. 

Form des Folgeantrages

Regelfall persönlicher Antrag

Nach § 71 Abs. 2 AsylG muss ein Folgeantrag persönlich gestellt werden. Bis noch 30.09.2021 hatte das BAMF bedingt durch Corona auch eine schriftliche Antragstellung zugelassen. Diese Frist ist jedoch nicht verlängert worden.

Auch bei einer persönlichen Antragstellung macht es Sinn, alle inhaltlichen Gründe und Erwägungen schriftlich darzulegen und mitzunehmen. 

Im Rahmen des Antrages sollte man alle Gründe für diesen Folgeantrag bereits vortragen und begründen und belegen, soweit dies jeweils möglich ist. Auch die Bezugnahme auf den ursprünglichen Asylantrag macht Sinn, wenn dort z.B. Verfolgungen durch Taliban bereits vorgetragen waren. 

Die Darstellung der Gründe für den Antrag sind insofern wichtig, weil das BAMF nach § 71 Abs. 3 AsylGauf eine Anhörung verzichten kann. 

Ebenfalls darlegen muss man, was in diesem Fall die geänderte Sachlage ist, also konkret die auslösenden Momente für die Folgeantragstellung.

 

Ausnahme schriftlicher Antrag

„Der Folgeantrag ist schriftlich bei der Zentrale des Bundesamtes zu stellen, wenn

1. die Außenstelle, die nach Satz 1 zuständig wäre, nicht mehr besteht,

2. der Ausländer während des früheren Asylverfahrens nicht verpflichtet war, in einer Aufnahmeeinrichtung zu wohnen.“ (§ 71 Abs. 2 AsylG)

Wenn es demnach bereits im ursprünglichen Asylverfahren gem. § 14 AsylG keine Verpflichtung gab, in einer Aufnahmeeinrichtung zu wohnen, ist der Folgeantrag immer schriftlich zu stellen. Dies gilt also insbesondere für ehemalige unbegleitete Minderjährige oder Menschen, die seinerzeit schon eine länger als 6 Monate gültigen Aufenthaltserlaubnis hatten. 

Wo stellt man den Folgeantrag?

Der Folgeantrag muss grundsätzlich in der jeweils ursprünglich zuständigen Außenstelle des BAMF gestellt werden, die das ursprüngliche Asylverfahren betreut hat. Ausnahme ist die schriftliche Antragstellung. Diese erfolgt immer über die Zentrale des BAMF in Nürnberg. 

VOR Folgeantrag unbedingt zu beachten

In jedem Fall ist eine individuelle Beratung, idealerweise rechtsanwaltlich, notwendig, um die Chancen und Risiken der Folgeantragstellung abschätzen zu können. Leider ist die Rechtslage an einigen Stellen kompliziert, wie wir es im Folgenden auch darstellen. Deshalb gilt es, unbedingt VORHER eine Abschätzung und Einschätzung vorzunehmen, weil manche negativen Folgen automatisch eintreten (können) oder zumindest auch zeitliche Umstände zu bedanken sind. 

Bereits bestehende Aufenthaltserlaubnis

Bestehende Aufenthaltserlaubnis nach §§ 22, 23 oder 25 Abs. 3 bis 5 AufenthG 

Sofern bereits eine Aufenthaltserlaubnis besteht, muss man genau darauf achten, welche Folgen eine Folgeantragstellung haben kann. 

Zumindest bei einer Aufenthaltserlaubnis nach den §§ 22, 23 oder 25 Abs. 3 bis 5 AufenthG kann die unmittelbare Folge sein, dass mit der Antragstellung die Aufenthaltserlaubnis erlischt (§ 58 Abs. 1 Nr. 8 AufenthG). 

Aufenthaltserlaubnis § 25 Abs. 3

Eine grundsätzliche Ausnahme kann für eine Aufenthaltsrlaubnis nach § 25 Abs. 3 (Abschiebungsverbot) bestehen, mit der Folge, dass hier auch kein Erlöschen möglich ist:

Der Aufenthaltstitel nach § 25 Absatz 3 erlischt jedoch nicht, wenn ein Abschiebungsverbot nach § 60 Absatz 2, 3 oder Absatz 7 Satz 2 besteht. Im Hinblick auf Artikel 24 Absatz 2 der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29. April 2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (ABl. EU Nummer L 304 S. 12, so genannte Qualifikationsrichtlinie) ist in diesen Fällen von einem Entzug des Aufenthaltstitels abzusehen.“ (Allg. Verwaltungsvorschrift zu § 51 AufenthG)

Hierzu § 60 Abs. 2 & 3 AufenthG:

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.
(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

Sowie § 60 Abs. 7 (Satz 2) AufenthG: 

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.  

Für BERLIN gilt hier jedoch abweichend grundsätzlich Folgendes:

„Der Erlöschenstatbestand wird nur durch die Stellung eines Asylantrags ausgelöst und greift nicht bei der Stellung eines Folgeantrags, unabhängig davon, ob der Folgeantrag in ein weiteres Asylverfahren mündet.“ (VAB Berlin A 51.1.8)

Aufgrund dieser Auslegung greifen hier die Erlöschenstatbestände also ausdrücklich nicht. 

Bestehende andere Aufenthaltserlaubnis

Eine andere Aufenthaltserlaubnis bleibt dann bei Stellung eines Asylantrages bestehen, wenn sie mit einer Gesamtgeltungsdauer, also nicht nur Restlaufzeit, sondern auf den vollen Erteilungszeitraum gerechnet, von mind. 6 Monaten ausgestellt wurde. 

Dazu gilt es § 55 Abs. 2 AsylG zu beachten: 

(2) Mit der Stellung eines Asylantrags erlöschen eine Befreiung vom Erfordernis eines Aufenthaltstitels und ein Aufenthaltstitel mit einer Gesamtgeltungsdauer bis zu sechs Monaten sowie die in § 81 Abs. 3 und 4 des Aufenthaltsgesetzes bezeichneten Wirkungen eines Antrags auf Erteilung eines Aufenthaltstitels. § 81 Abs. 4 des Aufenthaltsgesetzes bleibt unberührt, wenn der Ausländer einen Aufenthaltstitel mit einer Gesamtgeltungsdauer von mehr als sechs Monaten besessen und dessen Verlängerung beantragt hat.“

Dies betrifft in unserem Kontext vor allem Aufenthaltserlaubnisse nach §§ 25a, 25b oder 19d AufenthG, die immer mit einer längeren Laufzeit ausgestellt werden. Sollten diese Titel bereits kurz vor Ablauf stehen, kann und sollte man deren Verlängerung beantragen. Hierzu wesentlich sind:

§ 81 Abs. 4 AufenthG: 

„(4) Beantragt ein Ausländer vor Ablauf seines Aufenthaltstitels dessen Verlängerung oder die Erteilung eines anderen Aufenthaltstitels, gilt der bisherige Aufenthaltstitel vom Zeitpunkt seines Ablaufs bis zur Entscheidung der Ausländerbehörde als fortbestehend.“

Dazu auch § 10 AufenthG: 

„2) Ein nach der Einreise des Ausländers von der Ausländerbehörde erteilter oder verlängerter Aufenthaltstitel kann nach den Vorschriften dieses Gesetzes ungeachtet des Umstandes verlängert werden, dass der Ausländer einen Asylantrag gestellt hat.“


Dazu auch hier VAB Berlin D 55.2:

Entsprechendes gilt bei der Anwendung des § 55 Abs. 2 S. 2 i.V.m. § 81 Abs. 4 AufenthG. Die Fiktionswirkung bleibt von der Stellung eines Asylantrags unberührt, wenn und soweit der Titel vor Antragstellung von der Bekanntgabe der Erteilung bzw. letzten Verlängerung bis zum Erlöschen durch Ablauf seiner Geltungsdauer (§ 51 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG) mehr als sechs Monate gültig war. 

Zu beachten ist auch, dass eine erloschene Aufenthaltserlaubnis später nicht einfach wieder „auflebt“. Erteilt werden dann die Aufenthaltserlaubnisse, auf die ein Anspruch besteht, also hier eben gerade NICHT die nach §§ 22, 23, 25 Absatz 3-5. In allen anderen Fällen prüft die Ausländerbehörde jeweils neu nach Ermessen, was auch bedeutet, dass dann geänderte persönliche Umstände u.U. Eine positive Entscheidung nicht mehr zulassen könnten. Denkbar sind hier z.B. nicht mehr erfüllte Sicherungen des Lebensunterhaltes. 

Rechtlicher Status nach Folgeantragstellung

Im Normalfall bekommt man mit Folgeantragstellung anders als beim der ersten Asylantragstellung zunächst eine Duldung, bis das BAMF geprüft und entschieden hat, ob der Folgeantrag grundsätzlich zur Eröffnung eines Verfahrens berechtigt. Erst mit dieser Entscheidung erhält man dann eine Aufenthaltsgestattung wie schon im regulären Asylverfahren.

Der Wechsel von der Duldung zu einer Aufenthaltsgestattung hängt davon ab, dass das BAMF der Ausländerbehörde mitteilt, dass der Antrag im Folgeverfahren angenommen und ein neues Asylverfahren durchgeführt wird. In der Praxis unterbleibt in manchen Fällen eine zwischenzeitliche Mitteilung. Die Ausländerbehröde erhält dann erst mit der Mitteilung über die neuerliche Asylentscheidung eine Information. Insofern muss man allerdings immer davon ausgehen, dass mit Annahme des Folgeantragsverfahrens durch das BAMF auch eine Aufenthaltsgestattung ausgestellt wird. 

Unter Umständen (s.o.) bleibt eine Aufenthaltserlaubnis ansonsten mit allen Rechten bestehen. 

War man durchgängig in Deutschland, besteht auch anders als im Erstverfahren keine Wohnverpflichtung in einer Aufnahmeeinrichtung mehr. Es erfolgt auch keine (erneute) Umverteilung nach EASY wie möglicherweise noch im Erstverfahren. Man muss auch nicht an den ursprünglichen Ort der BAMF-Außenstelle zurückziehen, die das Erstverfahren durchgeführt hat, um das Folgeverfahren druchzuführen, wenn man zwischenzeitlich umgezogen ist. 

Folgeantrag ja oder nein – nach Status

Als Flüchtling anerkannt

Kein Handlungsbedarf. Besser wird hier nichts. 

Subsidiärer Schutz

Zunächst der Hinweis auf die Ausführungen zum (noch nicht vorliegenden) Lagebericht und der damit noch unbestimmten Entscheidungsgrundlage des BAMF

Wenn im ersten Asylverfahren Gründe einer individuellen Verfolgung vorgetragen wurden, die seinerzeit z.B. daran scheiterten, dass darauf verwiesen wurde, dass die Taliban nur bestimmte Gebiete beherrschten, gibt es sicherlich einen guten Ansatzpunkt, um auf eine Flüchtlingsanerkennung zu bauen. Hier KANN sich ein Folgeantrag lohnen, wenn es um den leichteren Familiennachzug der Kernfamilie geht, also Ehepartner und minderjährige Kinder. 

Eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 2 Satz 1 Alt 2 entsteht bereits mit dem seinerzeit erteilten ja teilweise positiven Bescheid mit der Zuerkennung subsidiären Schutzes und bleibt auch  bestehen.

Läuft hier noch eine sog. Aufstockungsklage, also eine Klage auf Zuerkennung des Flüchtlingsstatus bei bereits zuerkanntem subsidiären Schutz, ist kein Folgeantrag möglich und auch nötig, weil die geänderte Sachlage dann ohnehin im gerichtlichen Verfahren berücksichtigt werden muss. 

Zu beachten ist jedoch zudem § 73 b AsylG: 

(1) Die Gewährung des subsidiären Schutzes ist zu widerrufen, wenn die Umstände, die zur Zuerkennung des subsidiären Schutzes geführt haben, nicht mehr bestehen oder sich in einem Maß verändert haben, dass ein solcher Schutz nicht mehr erforderlich ist. § 73 Absatz 1 Satz 3 gilt entsprechend.
(2) Bei Anwendung des Absatzes 1 ist zu berücksichtigen, ob sich die Umstände so wesentlich und nicht nur vorübergehend verändert haben, dass der Ausländer, dem subsidiärer Schutz gewährt wurde, tatsächlich nicht länger Gefahr läuft, einen ernsthaften Schaden im Sinne des § 4 Absatz 1 zu erleiden.
(3) Die Zuerkennung des subsidiären Schutzes ist zurückzunehmen, wenn der Ausländer nach § 4 Absatz 2 von der Gewährung subsidiären Schutzes hätte ausgeschlossen werden müssen oder ausgeschlossen ist oder eine falsche Darstellung oder das Verschweigen von Tatsachen oder die Verwendung gefälschter Dokumente für die Zuerkennung des subsidiären Schutzes ausschlaggebend war.
(4) § 73 Absatz 2b Satz 3 und Absatz 2c bis 6 gilt entsprechend.

Ein Widerruf ist nicht nur turnusmäßig möglich, sondern auch anlassbezogen. Die Stellung eines Folgeantrages wäre ein solcher Anlass. 

Da wir nicht wissen, auf welcher Basis das BAMF Folgeanträge entscheidet, besteht zumindest jetzt die Unsicherheit, dass möglicherweise zukünftig kein subsidiärer Schutz mehr verhängt werden könnte. Im Ergebnis kann die Stellung eines Folgeantrages also auch einen Widerruf eines bereits erteilten subsidiären Schutzes auslösen. 

Abschiebungsverbot

Die Chance auf einen besseren Schutzstatus ist hier sicherlich groß und ein Folgeantrag erwägenswert. 

Läuft noch eine Klage gegen den teilweise ablehnenden Bescheid, kann ohnehin auch hier kein Folgeantrag gestellt werden. Im gerichtlichen Verfahren wird dann ebenfalls die geänderte Sachlage automatisch berücksichtigt. In diesen Fällen bestand ja zudem ohnehin noch keine Aufenthaltserlaubnis, sondern weiterhin eine Aufenthaltsgestattung

Für ein mögliches Erlöschen verweisen wir auf den o.g. Abschnitt, wonach hier in jedem Fall aufgrund des Vorgenannten auch die Erteilungsgrundlage zu prüfen ist. 

Für BERLIN gilt jedoch auch auch hier grundsätzlich, dass die erteilte Aufenthaltserlaubnis nicht erlischt (s.o.).

Zu beachten ist allerdings ebenfalls § 73 c AsylG: 

(1) Die Feststellung der Voraussetzungen des § 60 Absatz 5 oder 7 des Aufenthaltsgesetzes ist zurückzunehmen, wenn sie fehlerhaft ist.
(2) Die Feststellung der Voraussetzungen des § 60 Absatz 5 oder 7 des Aufenthaltsgesetzes ist zu widerrufen, wenn die Voraussetzungen nicht mehr vorliegen.
(3) § 73 Absatz 2c bis 6 gilt entsprechend.

Problematisch kann dies z.B. für ehemals unbegleitete Minderjährige sein, die seinerzeit aufgrund der Minderjährigkeit ohne Familie und Bedrohung für Leib und Leben bei einer Abschiebung eine Zuerkennung eines Abschiebeverbotes erhalten hatten, nun jedoch als Volljähriger einen Folgeantrag stellen. 

Wie auch beim subsidiären Schutz kann der Folgeantrag eine Prüfung des seinerzeit erteilten Status auslösen, der möglicherweise zu einem Widerruf führt. 

Im laufenden Asylverfahren

Hier ist nichts zu veranlassen, weil die geänderte Sachlage ebenfalls im gerichtlichen Verfahren berücksichtigt wird. 

Mit erteilter „normaler“ Duldung

Hier geht es demnach um Menschen, deren Asylantrag komplett abgelehnt wurde. In der Regel macht es hier also immer Sinn, einen Folgeantrag zu stellen, da sich hier auch nur eine Verbesserung einstellen kann. 

Mit diesem Status macht der Folgeantrag in jedem Fall Sinn.

 

Ausbildungsduldung / Beschäftigungsduldung

Es gilt u.U abzuwägen, ob und wann ein Folgeantrag wirklich sinnvoll ist. Steht man z.B. kurz vor Ende der Ausbildung oder schon weit in den 30 Monaten der Beschäftigungsduldung und hat damit dann in Kürze einen Anspruch auf eine Aufenthaltserlaubnis nach § 19d bzw. § 25b und auch keine Familie, die noch nachziehen könnte, kann man durchaus darüber nachdenken, auf den Folgeantrag zu verzichten. 

Gleiches gilt dann, wenn man kurz davor ist, die Voraussetzungen für eine dieser Sonder-Duldungen zu erfüllen und dies mit der Folgeantragstellung riskieren würde, dies nicht mehr wahrnehmen zu können.

Während der Phase, in der geprüft wird, ob der Folgeantrag zulässig ist, behält man eine Duldung. Hier sind auch Ausbildungs- und Beschäftigungsduldung (noch) nicht gefährdet. Später entfällt die Duldung und man landet in der Aufenthaltsgestattung. Dies bedeutet auch den Verlust der Ausbildungs- oder Beschäftigungsduldung. Zudem muss man dann – zumindest bei einer erneuten Komplettablehnung des Folgeantrages – die Duldung und auch eine Ausbildungs- oder Beschäftigungsduldung neu unter den dann jeweils bestehenden Umständen und Voraussetzungen beantragt werden. 

Beschäftigung oder Ausbildung wird man grundsätzlich mit einer Aufenthaltsgestattung fortsetzen können. Es entfallen aber die aufenthaltsrechtlichen Perspektiven, wenn das Folgeverfahren durchgeführt wird. 

Aufgrund der nicht klaren zeitlichen Abläufe ergibt sich hier u.U ein Problem, da die Erteilung einer  Beschäftigungsduldung einen Zeitraum von 12 Monaten Vorduldung voraussetzt. Die Ausbildungsduldung verlangt 3 Monate (sofern die Ausbildung nicht bereits im Asylverfahren aufgenommen wurde). Nach aktueller Rechtslage muss man diese Vorduldungszeiten ein weiteres Mal erfüllen, wenn zwischenzeitlich eine Aufenthaltsgestattung bestand, bevor dann wieder eine Ausbildungs- oder Beschäftigungsduldung erteilt werden kann. Auch dies gilt es zu bedenken. 

Aufenthaltserlaubnisse erteilt nach Duldung (§§25a, 25b, 25 Abs. 5 & mit Einschränkung § 19d)

Die Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 wurde schon erwähnt. Sie erlischt mit Folgeantragstellung (Ausnahme für BERLIN s.o.). In diesem Fall sollte man dies jedoch wohl in Kauf nehmen, da die durch einen Folgeantrag erzielbare Aufenthaltserlaubnis letztlich vermutlich bessere Voraussetzungen bietet als nach § 25 Abs. 5. 

Anders sieht dies im Einzelfall bei einer Erlaubnis nach § 25 a oder b aus. Diese Erlaubnisse erlöschen zwar grundsätzlich nicht wie oben dargestellt, allerdings droht durch nicht kalkulierbare Zeitabläufe bis zur Folgeantragsentscheidung möglicherweise ein Ablauf der Aufenthaltserlaubnis noch während des laufenden Folgeverfahrens. 

In diesem Fall würden gesichert nur die Aufenthaltserlaubnisse verlängert werden, auf die ein Erteilungsanspruch besteht (§ 10 Abs. 1 AufenthG). Dies ist jedoch weder bei § 25a noch bei § 25b der Fall, weshalb hier die Verlängerungsentscheidung erst einmal im Ermessen der Ausländerbehörde steht. 

Beide Aufenthaltserlaubnisse werden jedoch mit einer Gesamtdauer von mehr als 6 Monaten erteilt und bestehen deshalb weiter. Würde deren Verlängerung anstehen, greift in diesen Fällen § 81 Abs. 4, nach denen die Fiktionswirkung den Fortbestand der Rechte aus diesen Erlaubnissen sichert. 

Die Aufenthaltserlaubnis nach § 19d als Folge einer abgeschlossenen Berufsausbildung nach Ausbildungsduldung hingegen bleibt auch im Folgeverfahren bestehen und müsste auch verlängert werden, da es hier einen Anspruch gibt, wenn sie nach § 19d Abs. 1a als Folge der Ausbildungsduldung erteilt wurde. Hat man hingegen eine Aufenthaltserlaubnis nach § 19d Abs. 1 im Ermessen erhalten, steht auch hier die Verlängerung analog zur Erteilung im Ermessen.

Dazu auch grundsätzlich VAB Berlin A 10.2:

Neben § 10 Abs. 2 ist auch immer § 55 Abs. 2 AsylG zu beachten. Hat der Ausländer einen Titel mit einer Gesamtgeltungsdauer von mehr als 6 Monaten besessen und dessen Verlängerung beantragt, lässt die Stellung des Asylantrags die Fiktionswirkung des § 81 Abs. 4 AufenthG unberührt (§ 55 Abs. 2 S. 2 AsylG). Damit ist dem Betroffenen eine Fiktionsbescheinigung und keine Aufenthaltsgestattung auszustellen.

Und für diesen Abschnitt grundsätzlich IN BERLIN: 

Bestehende Aufenthaltserlaubnisse wie sie hier behandelt wurden, erlöschen grundsätzlich nicht (s.o.). Ebenso werden sie wie in VAB A 10.2 dargelegt auch unabhängig von Anspruch oder Ermessen weiter verlängert.

Fazit

Wirklich klar ist die Lage eigentlich nur dann, wenn man in einer („normalen“) Duldung ist und der vorgehende Asylantrag komplett abgelehnt wurde. Dann lohnt sich der Folgeantrag wohl immer. 

Schon in einer Ausbildungs- oder Beschäftigungsduldung oder auch kurz davor kann sich ein anderes Bild ergeben. 

Wesentlich sind dabei immer folgende Erwägungen: 

Gibt es noch Mitglieder der (Kern)-Familie, die nachziehen könnten?
Kann in Kürze eine Aufenthaltserlaubnis auch aus der Duldung heraus erlangt werden?
Ist beim Folgeantrag ein Flüchtlingsstatus erreichbar?
Ist eine Niederlassungserlaubnis in Kürze erreichbar?

Unter Berücksichtigung der jeweils individuellen Antworten, des eventuell bereits durchgeführten Asylantrages und der im Antrag wie im Bescheid vorgetragenen Umstände und auch der voraussichtlichen Zeitabläufe muss dann NACH individueller Beratung eine INDIVIDUELLE Entscheidung getroffen werden, ob man in ein Folgeverfahren geht oder nicht. 

Eine pauschale Antwort gibt es hier leider kaum. 

Links zu anderen Beratungshinweisen zum Thema Folgeantrag

Beratungshinweise ProAsyl

Asyl.net Broschüre Folgeantrag

Weitere Beiträge für Ortskräfte

3 Gedanken zu „Afghanistan: Folgeantrag – Wann, wie & für wen?“

Schreibe einen Kommentar

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.