Im absoluten Vordergrund stehen natürlich im Moment die Evakuierungen von deutschen StaatsbürgerInnen und den sog. Ortskräften mit ihren jeweiligen Familien. Dabei müssen neben der Kernfamilie auch junge Erwachsene und alleinstehende Frauen berücksichtigt und aufgenommen werden, weil hier direkte Verfolgungssituationen entstanden sind. Hierzu verweisen wir auch auf unsere Forderungen vom 15.08.
Gleichzeitig muss dabei eine großzügige Auslegung erfolgen, damit auch MitarbeiterInnen und die sog. Ortskräfte von NGOs, Medien und auch insgesamt deren sog. Subunternehmer von einer Evakuierung mit erfasst und evakuiert werden.
Forderungen für AfghanInnen in Deutschland
Daneben sind jedoch auch unserer Sicht daneben jedoch die folgenden Schritte notwendig:
Menschen aus Afghanistan, die sich teilweise seit 2015 bereits in Deutschland rechtmäßig aufhalten, sind in großer Sorge um Familie und Freunde in Afghanistan. Gerade die, deren eigene aufenthaltsrechtliche Position derzeit nicht mit einer Aufenthaltserlaubnis gesichert erscheint, haben angesichts dieser Umstände berechtigte Zweifel und Ängste.
Um hier nun eine Lösung für diese Menschen und ihre Angehörigen zu finden, sind weitere Schritte notwendig, die wir hier noch einmal präzisiert darstellen:
1. Unverzügliche Aktualisierung des Lageberichtes des Auswärtigen Amtes
Der Lagebericht ist u.a. Grundlage für die Asylentscheidungen des BAMF. Es ist ja für jeden Tagesschau-Zuschauer simpel zu erkennen, wie sich die Situation und Lage in Afghanistan verändert hat. Insofern ist es auch möglich, nun schnell die schon angekündigte Aktualisierung vorzunehmen und festzustellen, dass
A) eine freiwillige Ausreise in jedem Fall unmöglich ist
B) Abschiebungen unmöglich sind und und dann auch nach § 60 a AufenthG ausgesetzt werden sollten und
C) Individuelle Verfolgungsgründe abgelehnter Asylbewerber bei dieser veränderten Sachlage neu zu prüfen sind.
2. Bundesweiter Abschiebestopp Afghanistan
Auf dieser Basis könnte dann von der Bundesregierung und den Ländern zunächst ein bundesweiter Abschiebestopp für Afghanistan gem. § 60 a AufenthG erlassen werden, der ggf. in eine Bleiberechtsregelung gem. § 23 Abs. 1 AufenthG mündet.
3. Bundesaufnahmeprogramm
Ein bundesweites Aufnahmeprogramm mit einer in dieser Situation relevanten Zahl von z.B. 20.000 Menschen wie von Kanada angekündigt für besonders gefährdete Personen halten wir gleichfalls für zwingend notwendig.
Dies ist im Wesentlichen von der Bundeskanzlerin und BundespolitikerInnen ja bereits gefordert bzw. In Aussicht gestellt worden.
4. Landesaufnahmeprogramme
Auf Basis der in einigen Bundesländern bereits bekannten Landes-Aufnahmeprogramme können die Bundesländer eigene Programme auflegen, die dann von Familienmitgliedern der AfghanInnen genutzt werden können, die Familienangehörige damit nachholen können. Die Aufnahmeprogramme sollten insofern auch offen gestaltet werden, dass auf eine Verpflichtungserklärung nach § 68 verzichtet wird.
5. BAMF-Entscheidungen in laufenden Verfahren
Solange die Asylentscheidungen vom BAMF noch nicht getroffen wurden, sind dann auf Basis dieses neuen Lageberichtes Asylentscheidungen zugunsten von Menschen aus Afghanistan zu treffen. Dies kann auch in einem standardisierten Verfahren erfolgen, um den Arbeitsaufwand nach Möglichkeit in Grenzen zu halten.
6. Bescheide im Klagverfahren
Soweit BAMF-Bescheide bereits beklagt wurden, aber hierüber noch nicht entschieden ist, kann das BAMF ein Anerkenntnis auf Basis des (dann neuen) Lageberichtes und der jeweils individuellen Situation des Betroffenen aussprechen.
Damit würden sich laufende bzw. schwebende Gerichtsverfahren deutlich verkürzen, die Gerichte, das BAMF und natürlich auch die jeweils betroffenen Menschen entlastet werden.
7. Folgeantrag bei bereits abgeschlossenen Verfahren
In allen Fällen, bei denen es bereits ein rechtskräftig abgeschlossenes Asylverfahren mit einer Ablehnung oder nur einem Abschiebungsverbot gibt, können die Menschen in dieser Situation einen Folgeantrag stellen. Dies kann bereits jetzt passieren. Es hat sich die nach § 71 AsylG und nach § 51 VwfvG erforderliche „Änderung der Sachlage“ eingestellt, die einen solchen Folgeantrag rechtfertigt.
Die inhaltliche Bewertung dieses Folgeantrages kann ebenfalls in einem evtl. Standardisierten Verfahren erfolgen und somit auch hier das BAMF entlasten.
Mit diesen Schritten insgesamt würde einer großen Gruppe von langjährig hier aufhältigen Menschen eine Perspektive und eine gesicherte Basis gegeben. Gleichzeitig würden BAMF, Gerichte und Ausländerbehörden deutlich entlastet werden.
Berlin, 17.08.2021
Berlin hilft
Christian Lüder
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