Berliner Abschiebung nach Afghanistan bleibt Einzelfall

 

 

Berlin ändert nichts an der bisherigen Praxis, nicht nach Afghanistan abzuschieben. Hierbei behält sich allerdings der Innensenator vor, hiervon Straftäter und Gefährder auszunehmen. Dennoch droht Menschen aus Afghanistan dadurch keine grundsätzliche Gefahr.

Am vergangenen Dienstag hat sich beim bisher größten Abschiebeflieger nach Afghanistan erstmals seit Jahren auch Berlin mit einer direkten Abschiebung beteiligt. Hierzu hatten wir am Donnerstag bereits berichtet.

 

Nach Auskunft der Innenverwaltung handelte es sich um einen Mann, der erheblich vorbestraft war. Konkret ging es bei den Verurteilungen um besonders schweren Raub in Verbindung mit schwerer Körperverletzung und besonders schwerer räuberischer Erpressung. Es handelte sich demnach um besonders schwere Straftaten und nicht Bagatelldelikte. Der Betroffene wurde direkt aus der Haft abgeschoben.

Unabhängig von eine solchen Einzelfall ändert sich jedoch nichts an der Praxis Berlins, nur in absoluten Ausnahmefällen Abschiebungen nach Afghanistan durchzuführen. Der Sprecher des Innensenators, Martin Palmen, formuliert dazu:

Die jetzt im Fokus stehende Abschiebung ändert nichts an unserer generellen Praxis bei Abschiebungen nach Afghanistan. Wir entscheiden grundsätzlich auf Grundlage von Einzelfallprüfungen. Wir sehen die Situation in Afghanistan nach wie vor und unabhängig vom neuen Lagebericht der Bundesregierung als humanitär problematisch an.

Im Mai letzten Jahres gab es eine umfangreiche Stellungnahme des Integrationsbeauftragten des Berliner Senats, Herrn Germershausen, zu Abschiebungen nach Afghanistan. Die dort formulierten Grundsätze gelten auch weiterhin:

  • Es gibt formell keinen Abschiebestopp im Land Berlin
  • Dennoch sind in den letzten Jahren keine Abschiebungen nach Afghanistan erfolgt.
  • Wenn überhaupt kommen für eine Abschiebung nur erwachsene männliche Personen in Frage, die als Gefährder eingestuft sind oder Straftaten begangen haben
  • Jede vorgesehene Abschiebung steht zudem unter dem Vorbehalt, dass die politische Hausleitung der Senatsverwaltung Inneres und Sport dieser unter sorgfältigster Abwägung und unter Berücksichtigung humanitärer Belange  zugestimmt haben müßte.

 

Ergänzend wollen wir dazu, dass auch nicht jeder Straftäter eine Abschiebung zu befürchten hat. Wie am aktuellen Fall ersichtlich, muss es sich um wirklich schwere Straftaten handeln, die mit einer mehrjährigen Haftstrafe ohne Bewährung geahndet wurden. 

Insofern braucht der bei Weitem überwiegende Teil der Community in Afghanistan auch weiterhin keine Angst vor Abschiebungen zu haben. Dies sollte auch so gerne weiter kommuniziert werden, um die erklärliche Aufregung im Moment zu beruhigen. 

Daneben sollte in der Praxis bei einem abgelehnten Asylantrag auch weiterhin in Richtung der bekannten Bleibeperspektiven beraten werden. Insbesondere die Ausbildungsduldung oder auch die Aufenthaltserlaubnisse nach § 25 a und § 25 b oder auch nach § 25 Abs. 5 kommen hier in Frage. Dass ein abgelehnter Asylantrag generell nicht automatisch eine Abschiebung bedeutet, haben wir hier ausführlich dargestellt.

Wir sind dennoch auch bei Straftätern gegen eine Abschiebung in ein Land, in dem nachweislich Todesgefahr droht. Die Sicherheitslage ist auch trotz gegenteiliger Meinung der Bundesregierung nicht entspannter, sondern hat sich vielmehr nochmals verschlechtert. Straftaten sollten mit Strafrecht und Haft geahndet werden, nicht mit Abschiebung in ein Kriegsgebiet. 

Daneben werden auch aus Berlin Dublin-Überstellungen in andere EU-Länder durchgeführt. Leider droht hier unter Umständen dann von dort aus aus einigen Ländern dann eine Abschiebung nach Afghanistan. Dies ist beispielsweise bei einigen skandinavischen Ländern der Fall. 2017 gab es aus Berlin 27 Dublin-Überstellungen. Wir haben auch dies immer wieder kritisiert und Änderungen verlangt. 

Dabei ist allerdings darauf hinzuweisen, dass Dublin-Überstellungen in der Verantwortung des Bundes stehen. Dennoch sollten hier für Berlin die gleichen Grundsätze gelten, die man auch ansonsten anlegt, wenn man ein Land als unsicher und gefährlich betrachtet.

Uns ist es dennoch wichtig, zu betonen, dass Familien gar keine Gefahr einer direkten Abschiebung droht. Für einzelne Männer gilt dies unter den o.g. Einschränkungen zum weitaus überwiegenden Teil ebenso, zumindest für Berlin. Darauf müssen wir trotz dieses ersten Falles auch immer wieder hinweisen und dazu aufklären.

1 Gedanke zu „Berliner Abschiebung nach Afghanistan bleibt Einzelfall“

  1. “Wir sind dennoch auch bei Straftätern gegen eine Abschiebung in ein Land, in dem nachweislich Todesgefahr droht. Die Sicherheitslage ist auch trotz gegenteiliger Meinung der Bundesregierung nicht entspannter, sondern hat sich vielmehr nochmals verschlechtert. Straftaten sollten mit Strafrecht und Haft geahndet werden, nicht mit Abschiebung in ein Kriegsgebiet.”

    Ich finde dass auch unheimlich schade, dass so etwas noch passiert. Unser Innensenator macht da einen tollen (great) Job, dass er sich da so engagiert.

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