Familiennachzug: Härtefall nach § 22 AufenthG – Beantragung und Voraussetzungen

 

Zum ausgesetzten Familiennachzug im März 2016 wurde vielfach der § 22 AufenthG als eine Ausnahmeregelung für Härtefälle diskutiert. Bis März 2017 gab es jedoch keinen einzigen Menschen, der über den § 22 ein Visum bekommen hat. Dies liegt in erster Linie daran, dass dieser Paragraph eine Visumerteilung nur sehr eingeschränkt zulässt. Deshalb hier einmal die Informationen und Wege, einen solchen Antrag zu stellen.

 

Erst einmal der kurze Gesetzestext:

§ 22 Aufnahme aus dem Ausland

Einem Ausländer kann für die Aufnahme aus dem Ausland aus völkerrechtlichen oder dringenden humanitären Gründen eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden. Eine Aufenthaltserlaubnis ist zu erteilen, wenn das Bundesministerium des Innern oder die von ihm bestimmte Stelle zur Wahrung politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland die Aufnahme erklärt hat. Im Falle des Satzes 2 berechtigt die Aufenthaltserlaubnis zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit.

 

Der mögliche Weg zum Antrag beruht auf den dringenden humanitären Gründen aus Satz 1 des Gesetzes. Hieraus leitet sich auch ab, dass nach allgemeiner Auslegung damit ausschließlich eine außergewöhnliche Härte gemeint ist, die bei der aufzunehmenden Person gegeben sein muss und nicht etwa beim hier bereits lebenden Geflüchteten besteht.

In den einschlägigen Kommentaren zum § 22 wird auch klargestellt, dass dieser Paragraph keine generelle Auffangregelung für einen Familiennachzug darstellt.

Diese Grundsätze muss man bei bzw. vor einem Antrag beachten.

Hierzu verweisen wir auch auf die Ausführungen des Auswärtigen Amtes im Rahmen der Anhörung zum Familiennachzug am 20.03.2017 im Bundestag:

Eine Aufnahme nach § 22 Satz 1 AufenthG kommt nach den Verwaltungsvorschriften allein in Fällen einer humanitären Notlage in Betracht, die sich von den Lebensumständen im Aufenthaltsland deutlich abhebt und aus der eine dringende Gefahr für Leib und Leben des Betroffenen folgt. Die konkrete Situation der aufzunehmenden Person muss sich dabei als „singuläres Einzelschicksal“ darstellen, das sich von vergleichbaren Situationen durch die Intensität und den Grad der Gefährdung unterscheidet. Die Aufnahme aus humanitären Gründen setzt darüber hinaus u. a. voraus, dass ein besonders enger Bezug zu Deutschland und ggfs. Anknüpfungspunkte an ein bestimmtes Bundesland in Deutschland, z. B. durch dort lebende Familienangehörige oder frühere Aufenthalte in Deutschland, gegeben sind.

 

Dies sind also die Maßstäbe, die angelegt werden, wenn es um diese gesetzliche Regelung geht.

Normalerweise erfolgt die Beantragung eines Visums gleich welcher Art grundsätzlich über die jeweils zuständige deutsche Auslandsvertretung.

Für den § 22 gibt es nun jedoch ein vorgeschaltetes Verfahren über das Auswärtige Amt.

Dieses Vorprüfungsverfahren läuft nach den folgenden Schritten ab:

  1. Schriftliche Anfrage an das Auswärtige Amt an die E-Mail- Adresse 508-9-R1@auswaertiges-amt.de
  2. Darlegung der Gefährdungssituation der aufzunehmenden Person schriftlich/per Mail an das Auswärtige Amt. Schilderung der Gefährdungssituation bzw. der besonderen Notlage der Familienangehörigen und der Situation der Referenzperson in Deutschland sowie der sonstigen Umstände des Einzelfalls erforderlich. Unterlagen und Nachweise, die die besondere Notlage belegen (z. B. ärztliche Atteste) und der BAMF-Bescheid der Referenzperson in Deutschland sollten beigefügt werden.
  3. Auf Grundlage der Schilderung und der eingereichten Unterlagen erfolgt eine Bewertung des Einzelfalls.
  4. Im Fall der Glaubhaftmachung einer besonderen Gefährdung/Notlage wird eine persönliche Anhörung in der zuständigen Auslandsvertretung durchgeführt.
  5. Auf Grundlage der durchgeführten Anhörung trifft das Auswärtige Amt eine abschließende Entscheidung über das Ersuchen auf humanitäre Aufnahme. Die Beteiligung der Ausländerbehörde erfolgt im Rahmen des Visumverfahrens. Ein Termin für die Beantragung wird von der Auslandsvertretung mit den Antragstellern auf Weisung des Auswärtigen Amtes vereinbart, eine Terminbuchung ist nicht erforderlich.

(Quelle: Antwort der Bundesregierung auf die kleine Anfrage Die Linke Drucksache 18/10960)

 

Es kommt also maßgeblich auf eine außergewöhnliche Härte an, die bei der nachziehenden Person liegen muss. Ein “einfacher” Nachzug wird über diese Regelung nicht möglich sein. Ebenso besteht eben bei einem unbegleiteten Minderjährigen die Härte wohl sicher auf seiner Ebene, aber eben i.d.R. nicht bei den nachziehenden Eltern.

Bisher sind ganze 49 Anträge nach § 22 bundesweit gestellt worden. Genehmigt wurde bis Anfang März kein einziger. Vor diesem Hintergrund ist deshalb auch der Beschluss des Koalitionsausschusses vom 29.03. eher zweifelhaft. Dieser lautet:

Im Einvernehmen zwischen dem Auswärtigen Amt und dem BMI wird die Härtefallklausel in § 22 Aufenthaltsgesetz in Einzelfällen unter besonderer Berücksichtigung der Kinderrechtskonvention genutzt.

Dies ist der einzige Beschluss zum Thema Familiennachzug und damit auch weit entfernt von Plänen der SPD, den Nachzug eventuell sogar wieder freigeben zu wollen. Es wird demnach mit ziemlicher Sicherheit in diesem Jahr keine weitergehende Regelung mehr geben. Und wie genau diese Vereinbarung dann in der Praxis angewendet und ausgestaltet wird, bleibt erst einmal offen und abzuwarten.

Aktualisierte Informationen zur Anwendung und auch zu den Fallzahlen finden sich in unseren Beiträgen HIER und HIER. An der grundsätzlichen Aussage, dass dieser Weg ein sehr seltener ist, ändert sich dabei jedoch nichts.

 

 

6 Gedanken zu „Familiennachzug: Härtefall nach § 22 AufenthG – Beantragung und Voraussetzungen“

  1. ich hoffe, es gibt eine Grundlage für eine etwas positivere Einschätzung, da die grüne und die linke Fraktion jeweils einen Entwurf eingereicht haben, die Aussetzung des Familiennachzugs für subsidiär Schutzberechtigte bis März 2018 (über deren Verlängerung ja einige, beispielsweise Kommunen schon nachdenken!) wiederum auszusetzen. D.h., auch subsidiär Schutzberechtigten die Möglichkeit zu geben, sofort Anträge für Visatermine an deutschen Botschaften für ihre Familien zu stellen. In der Expert/innenanhörung im Innenausschuss (20.3.2017) wurde die Situation auch insbesondere im Hinblick auf umF diskutiert. In einer kurzen Besprechung in der Kinderkommission habe ich auch noch einmal für die Situation der wachsenden Zahl von umF mit nur subsidiärem Schutz darauf hingewiesen. Es wird, um dieses Gesetz durchzubringen um jede SPD Stimme gehen!

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