Der Familiennachzug ist endlich erfolgreich, die Familie ist auf dem Weg nach Deutschland und kommt hier an. Wie geht es nun weiter? Das Ende der Fallstricke ist jedenfalls noch nicht erreicht.
Die Menschen müssen NICHT zum LAF oder BAMF, denn sie stellen ja nicht neu einen Asylantrag o.ä., sondern kommen über den Nachzug nach Deutschland.
- Sie melden sich deshalb ganz normal beim Bürgeramt an.
- Danach kann man Leistungen beim Jobcenter oder Sozialamt beantragen bzw. die Leistungen aufgrund der nun größeren Familie erweitern.
Hier gibt es manchmal das erste Problem, weil manches Jobcenter fälschlicherweise eine 3-monatige Sperre verhängt. Diese Auslegung ist jedoch nicht richtig. Es gibt einen Anspruch auf Leistungen nach SGB-II von Anfang an.
Hierzu gibt es auch eine fachliche Weisung der Agentur für Arbeit. In dieser heißt es:
(1) Familienangehörige von Drittstaatsangehörigen können einen Aufenthaltstitel nach den Bestimmungen des 6. Abschnitts des 2. Kapitel AufenthG erhalten, wenn sie nach Deutschland “nachziehen”. Die Regelungen des 6. Abschnitts sind akzessorisch zu den Regelungen, nach denen die jeweilige Bezugsperson (von der die Familienangehörigen ihr Recht auf Aufenthalt ableiten) ihren Aufenthaltstitel erhält. Hat die Bezugsperson einen Aufenthaltstitel nach Abschnitt 5 des 2. Kapitels AufenthG und ist daher nicht vom Leistungsausschluss nach § 7 Absatz 1 Satz 2 Nr. 1 SGB II erfasst, so gilt dies auch für die Familienangehörigen, denen ein Titel nach Abschnitt 6 erteilt wird.
Quelle. Fachliche Weisung, Ziffer 1.4.9.4, RZ 7.48
(2) Familienangehörigen von Drittstaatsangehörigen wird zum Zweck des Familiennachzuges zunächst von einer deutschen Botschaft ein nationales Visum (D-Visum) nach § 6 Absatz 3 in Verbindung mit §§ 27 ff. AufenthG ausgestellt. Dieser Aufenthaltstitel (§ 4 Absatz 1 Satz 2 Nummer 1 AufenthG) ist bereits als ein Aufenthaltstitel nach Kapitel 2 Abschnitt 6 des AufenthG zu betrachten, welcher sich akzessorisch zum Aufenthaltstitel der Bezugsperson verhält. Nachziehende Familienangehörige von anerkannten Asylberechtigten und Personen mit internationalem Schutz (Flüchtlinge nach der Genfer Flüchtlingskonvention und subsidiär Schutzberechtigte), die mit einem nationalen Visum zur Familienzusammenführung in das Bundesgebiet einreisen, haben somit ab dem Tag der Einreise einen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II, sofern die allgemeinen Anspruchsvoraussetzungen erfüllt werden, da die Bezugsperson einen Aufenthaltstitel nach Kapitel 2 Abschnitt 5 des AufenthG besitzt, der nicht von den Leistungsausschlüssen des § 7 Absatz 1 Satz 2 SGB II erfasst wird.
RZ 7.48a
Hiernach ist eindeutig erläutert, dass die nachziehenden Familienangehörigen eben am Anspruch der jeweiligen Bezugsperson “hängen” (also der Person, die bereits als anerkannter Geflüchteter hier ist) und deshalb sofortigen Anspruch auf Leistungen haben.
Sollte sich das Jobcenter also anders verhalten, sollte man zunächst versuchen, dies mit der entsprechenden Team-Leitung zu klären, um so doch noch schnell eine Lösung zu erreichen. In der Regel klappt dies (in Berlin) wohl auch.
Geht dies nicht ohne Weiteres, kann man nur auf den formellen Weg einschwenken, der allerdings einige weitere Schritte erfordert:
Um zu verhindern, dass bei einer rechtswidrigen Ablehnung des Antrages die Familienmitglieder bis zu einer möglichen Entscheidung des Sozialgerichts ohne existenzsichernde Leistungen und Kostenübernahme dastehen, wäre zu überlegen, den Antrag auf Leistungen an das Jobcenter mit der Aufforderung zu versehen, diesen im Fall eine Ablehnung gem. § 16 SGB I weiterzuleiten an das Sozialamt. Und wenn beide Behörden die Zuständigkeit von sich weisen, muss man einen Eilantrag ans Sozialgericht stellen.
§ 16 SGB I Abs. 2 sagt dazu:
Anträge, die bei einem unzuständigen Leistungsträger, bei einer für die Sozialleistung nicht zuständigen Gemeinde oder bei einer amtlichen Vertretung der Bundesrepublik Deutschland im Ausland gestellt werden, sind unverzüglich an den zuständigen Leistungsträger weiterzuleiten. Ist die Sozialleistung von einem Antrag abhängig, gilt der Antrag als zu dem Zeitpunkt gestellt, in dem er bei einer der in Satz 1 genannten Stellen eingegangen ist.
- Bei einer nicht schnell korrigierbaren Ablehnung muss man deshalb auf einer schriftlichen Ablehnung bestehen.
- Danach kann man auf diesen Bescheid in Widerspruch gehen und dabei auf die fachlichen Hinweise verweisen.
- Das Jobcenter ist zur Entgegennahme eines Antrages bei tatsächlicher oder auch nur vermeintlicher Nicht-Zuständigkeit verpflichtet und ebenso zur Weiterleitung an die dann zuständige Stelle. Dies wäre dann das LAF.
- Ehe man dann weitere Zeit verliert, sollte man dann einen Eilantrag beim Sozialgericht auf Gewährung der Leistungen stellen. Dabei kann man die Beiladung des LAF über § 75 SGG beantragen, denn das LAF wäre nach der (fälschlichen) Auffassung des Jobcenters dann die zuständige Behörde.
- Parallel dazu ist man aufgrund des dringenden notwendigen Bedarfes vorschussberechtigt und kann dies auch entsprechend einfordern.
Dennoch: Erster und wichtigster Schritt ist der Versuch der Klärung mit dem Jobcenter. In den meisten Fällen leistet das JC inzwischen korrekt. Einzelfälle lassen sich dennoch nicht ausschließen.
meldet man sich beim Bürgeramt für Flüchtlinge an, Christian? Oder beim “normalen” Bürgeramt? Wenn es das Flüchtlingsbürgeramt ist, kannst du vielleicht noch mal die Zuständigkeiten ergänzen, damit man nicht falsch läuft.
Gibt es auch Erfahrungen, dass umF ihre Familien holen konnten? Wahrscheinlich leider noch nicht? Und wie läuft es dann, die sind ja noch beim Jugendamt im Bezug, aber die Eltern müssten zum Jobcenter?
Danke
Sehr hilfreiche Info, vielen Dank!