Sprung neben die Matte?

Erheblicher Klärungsbedarf bei neuen Betreiberverträgen. Sind die laufenden Ausschreibungen für tempohomes mit 5.000 Plätzen damit gefährdet? Der Zeitplan zum Turnhallen-Freizug wackelt 




Alles neu macht der Mai: Bekanntermaßen bestehen für nahezu alle Notunterkünfte, die seit Herbst letzten Jahres eröffnet wurden, keine klaren vertraglichen Regelungen zwischen den Betreibern und dem Lageso. In den meisten Fällen regeln sog. Absichtserklärungen nur wesentliche Punkte, lassen jedoch auch dabei wesentliche Dinge wie klare Leistungsverzeichnisse aus.

Aus diesem Grund und auch zur Vorbereitung und Durchführung von Ausschreibungen für die Containerdörfer (tempohomes) sollte schon im April vom LAGeSo den Betreibern ein Mustervertrag vorgelegt werden, der dann Basis für diese Ausschreibungen und auch Grundlage zum Vertragsschluß für die bereits bestehenden und zukünftige Unterkünfte sein sollte.

Seit dem 24.05. liegt nun ein solcher Mustervertrag vor. Dieser ist jedoch, anders als offenbar den Betreibern gegenüber im Vorfeld dargestellt, nicht das Ergebnis der gemeinsam hierzu gebildeten Fokusgruppen, sondern letztlich einseitig vom LAGeSo erarbeitet worden.

Ablehnung des Vertrages durch die LIGA

Die LIGA der Spitzenverbände der freien Wohlfahrtspflege (Caritas, Paritäter, Diakonie, AWO, DRK, Jüdische Gemeinde) rät ihren Mitgliedern nun vom Unterzeichnen dieses neuen Vertrages ab. Dies kann als Folge auch bedeuten, dass die Mitgliedsunternehmen sich nicht an den laufenden Ausschreibungen beteiligen werden.

Die wesentlichen Kritikpunkte

  • 

Einseitige Durchgriffsrechte für das Lageso z.B. zur Änderung der Abrechnungsmaßstäbe oder die einseitige Änderung der Art der Unterkunft.
  • Die Unterkunft ist auf Vollbelegung ausgelegt vorzuhalten, die Abrechnung erfolgt jedoch über Tagessätze. Anpassungen der Vergütungen sollen erst erfolgen, wenn die Unterkunft für durchgehend mind. drei Monate mit unter 60% belegt ist. Darüber soll der Betreiber die laufende Ausstattung auch mit Personal wie bei einer Vollbelegung gewährleisten.
  • Ebenso werden Zahlungsziele für Rechnungen mit Fälligkeitsterminen erst nach 9 Wochen und einem weiteren Monat Zahlungsziel kritisiert.
  • Dazu werden den Betreibern weitgehende Haftungen und Verantwortlichkeiten auferlegt: Das Risiko einer nicht erteilten Baugenehmigung soll beispielsweise der Betreiber tragen, obwohl letztlich das Land selbst die Genehmigung ja erteilen muß.

In der Tat erscheinen manche Regelungen auch angesichts der bekannten schleppenden Zahlungsweise des Lageso in der Vergangenheit weit überzogen, sehr einseitig und nicht ausgewogen, Andere Dinge hingegen wie z.B. die vorherige Genehmigung von Hausverboten für Ehrenamtliche sind aus unserer Sicht völlig ok und wohl nur in den Details regelungsbedürftig. Als “verfassungswidrig” bezeichnete Vorgaben wie die Meldung der Bettenbelegung in Echtzeit sind ebenso lösbar, denn letztlich läuft das in keinem Buchungssystem einer Hotelgruppe anders, ohne, dass hierdurch verfassungsmäßige Rechte eingeschränkt würden.


Aufhebungsvereinbarungen für Turnhallen ebenso kritisch

Daneben ist den bisherigen Betreibern der Notunterkünfte eine Aufhebungsvereinbarung vorgelegt worden, die von den Verbänden ebenfalls als unausgewogen abgelehnt wird. Auch hier geht es wohl zunächst um zugunsten des Lageso relativ einseitige Vertragsinhalte, die innerhalb von vier Wochen zu einer Vertragsbeendigung führen sollen.

Laufende Ausschreibungen gefährdet?

Inzwischen sind nun fünf zukünftige Unterkünfte öffentlich ausgeschrieben worden, zwei weitere sind für nächste Woche angekündigt, eine weitere muss noch zwingend folgen. Grundlage der Ausschreibung ist das bisher vorgelegte Vertragsmuster. Damit würde dieser Vertrag in der bisherigen Form automatisch zum Bestandteil eines Angebotes eines Bieters werden. Betroffen sind damit insgesamt rd. 5.000 Plätze.

Wenn es nun tatsächlich zu einer Verweigerung der Verbände kommen sollte, die bisherige Vertrags-Variante zu akzeptieren, besteht die Gefahr, daß sich auf diese Ausschreibungen entweder keiner der organisierten Betreiber bewirbt oder im Extremfall überhaupt keine Angebote abgegeben werden.

 

Turnhallen-Freizug wackelt

Im Ergebnis stehen damit diese sieben ersten Ausschreibungen zeitlich auf der Kippe. Folge wäre auch, daß der Umzugs- und Freizugsplan für die Turnhallen wackeln würde, denn der setzt zwingend die rechtzeitige Eröffnung der neuen Tempohomes und weiterer Unterkünfte voraus. Wenn nun Ausschreibungsvorfahren für den Betrieb dieser Unterkünfte nicht oder nicht richtig durchgeführt werden, kann die Belegung auch nicht erfolgen.

Nach dem vom Tagesspiegel veröffentlichten Papier sind bis Ende Juli die Freizüge von insgesamt 12 Turnhallen mit rd. 2.000 belegten Plätzen vorgesehen. Die hierzu vorgesehene Unterkunft Heerstraße ist bisher noch gar nicht ausgeschrieben.

Im August sollen weitere 16 Hallen mit rd. 3.200 Plätzen freigezogen werden. Hierzu werden zwingend die Standorte Venusstr., Zossener Str., Buckower Damm und Sieverstorpstr. benötigt. Für alle diese Standorte sind die Ausschreibungen bereits mit dem momentanen Vertrag veröffentlicht.

Da für die Venusstr. und die Zossener Str. bereits am Montag, 13.06., um 10 Uhr die Abgabefristen ablaufen, scheint mindestens in diesen beiden Fällen eigentlich nichts mehr zu retten. Ein Gespräch der Fokusgruppe aus Betreibern und LAGeSo zu Vertragsfragen ist erst für genau diesen Tag vorgesehen.

 

Quellen:

Artikel Cicero

Schreiben der LIGA an ihre Mitglieder

eigene Recherche

 

5 Gedanken zu „Sprung neben die Matte?“

  1. Was meint man mit Genehmigung von Hausverboten? Müsste das vom Lageso eigentlich erst genehmigt werden, da die Betreibet quasi nicht das Hausrecht besitzen? Gilt das auch für Ehrenamtliche? Ich denke da an das Hausverbot an Kreuzbeeg Hilft.

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    • Das bezieht sich konkret auf Ehrenamtliche. Erteilung nur mit Zustimmung des Lageso. Das ist m.E. auch ok. Es wird kritisiert, daß es erst nach Zustimmung wirksam werden soll. Das ist aber lediglich eine Verfahrensfrage

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  2. Hausverbot wird im Rahmen des Hausrechts bzw. des Wachschutzes ausgesprochen. Ich finde es gut, nach den vergangenen Aktionen einzelner Betreiber, das das Land Berlin die Möglichkeit einer Schlichtung festschreibt. Es sollte jedem klar sein, das in der Zeit zwischen Verweis und Klärung ein Zugang zur Unterkunft versagt wird. Ich lasse doch zB. einen ‘Dieb’ nicht gemütlich weiter ausräumen bis Tage später das Verbot da ist, von Gewalttätern oder religiösen Unruhestiftern mal ganz abgesehen. tztz

    Alles im allen ist die Kritik nicht unberechtigt allerdings teilweise extrem überzogen zudem einige Regelungen schon immer so vereinbart waren (Weisungsrecht, Controlling usw.) – letztlich arbeiten die Verbände ja FÜR das Lageso und nicht in eigenen Namen!

    Die Anrechnung der Spenden ist auch für mich eine Frechheit, den die Spenden sind für die Flüchtlinge. Wir protestieren gegen Betreiber, die Spenden gegen Entgeld verkaufen – nun erhebt Vater Staat Anspruch auf Miltätigkeitsgaben für Arme um seinen Säckel zu füllen? Nicht mit mir!

    Was mich jedoch am meisten stört ist die Quintersenz des Schreibens – im Vorletzten Absatz wird aus der Kritik an dem LAGeSo plötzlich und unerwartet eine Fede gegen ‘kleine’ Betreiber und das ganze Schreiben bekommt einmal mehr den Beigeschmack, das die ‘großen’ Verbände hier Stimmung machen um die Aufträge an sich reißen zu können! Klare Foulspiel und komplett unsozial und unkooperativ – der Rückzug derer Bewerbungen kann ich von daher nur begrüßen!

    just my 2 pence
    LG Hanschi

    PS. Ich hatte in meinen 45 Berufsjahren bisher in JEDEM Arbeitsvertrag drinne stehen, das Presseanfragen an die Abteilung für Öffentlichkeitsarbeit bzw. an die Pressestelle zu verweisen sind. Ist das bei irgendwen anders geregelt?

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    • Ich betrachte die grundsätzliche Regelung (Hausverbot nur mit Zustimmung) als völlig richtig. Haben wir ja auch genau so gefordert 🙂 Zur Schlichtung gibt es einen konkreten ausgearbeiteten Vorschlag. Das verfahren ist ebenso wichtig.

      Es geht dem Verband nicht um ein Weisungsrecht an sich, sondern um ein sehr weitgehendes Durchgriffsrecht. Kann man alles machen, aber die Folgen daraus müssen geregelt werden. z.B. wenn das Land verlangt, aus einer GU Wohnungen zu machen o.ä.

      Bei den Spenden geht es dem Land darum, daß Dinge, die gespendet werden, aber an sich Leistung des Betreibers sind, dann vom Betreiber wieder herausgerechnet und nicht zusätzlich (also ohne Gegenleistung) an ihn vergütet werden. Das ist an sich völlig richtig und m.E. auch regelbar. Ob und welche Folgen das nun bei der Rechnungslegung hat, ist für mich nur bedingt nachvollziehbar, aber wie gesagt ich sehe darin auch kein echtes Problem.

      Ich kann da keine Fehde erkennen. Die LIGA-Mitglieder nehmen für sich in Anspruch, qualitätsorientiert zu sein. Die Empfehlungen an sich gehen letztlich an alle und werden nicht differenziert. Und ein “an sich reissen” sehe ich nicht. Vergeben wird letztlich über eine Ausschreibung, allerdings dort auch zu 7ß0% nach Qualität und zu 30% nach Preis. Insofern ist der Anspruch völlig ok.

      Und zum Pressethema: das ist eine übliche Regelung und die wird so auch sicher von den meisten ohnehin abgeschlossen. Hier geht es ja darum, daß letztlich die Caritas z.B., wenn sie auch selbst Betreiberin ist, nach dem Vertrag letztlich gar nicht mehr äußern dürfte.

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