Bezahlkarte: Sozialgericht Hamburg hält Bargeldobergrenze von 50€ für unzulässig und sieht Notwendigkeit einer Einzelfallprüfung

Ein erster Beschluss des Sozialgerichts Hamburg zur Bezahlkarte und der dort vorgesehenen Bargeldobergrenze von 50€ stellt fest, dass eine pauschale Festsetzung des Bargeldbetrages ohne Berücksichtigung der persönlichen und örtlichen Umstände der Betroffenen ist rechtswidrig ist. Das Verfahren wurde von der Gesellschaft für Freiheitsrechte und Pro Asyl betrieben und unterstützt.  

Wesentlich ist an dieser Entscheidung, dass immer eine Einzelfallprüfung erfolgen müsse. Und diese Prüfung umfasst nicht nur die Höhe des Bargeldbetrages, sondern auch die Zulässigkeit von Beschränkungen von Überweisungen, regionale Beschränkungen oder Ausschluss bestimmter Käufe. Die Karte als solches wird dabei nicht grundsätzlich in Frage gestellt. 

Das Gericht stellt schon die Ermächtigungsgrundlage für die 50-€-Grenze in Frage. Die Leistungsbehörde in Hamburg hatte sich auf den Beschluss der Minitserpräsidentenkonferenz vom 24.06.2024 bezogen, die aber eben offensichtlich nicht ermächtigt ist, solche Festlegungen zu treffen.

Für die Leistungsbehörden bedeutet dies, dass sie grundsätzlich eine Entscheidung im Einzelfall zu treffen haben werden. Und letztlich bedeutet es auch, dass vermutlich in einer gigantischen Zahl von Verfahren erst gerichtlich geklärt werden wird, ob und in welchem Umfang jeweils dem Einzelfall korrekt Rechnung getragen wird. 

Für die Praxis

Für die Praxis bedeutet dies, dass Betroffene immer auch einen zusätzlichen Bargeldbedarf aufgrund von z.B. Alter, Kinder, Behinderung, Krankheit, Alleinerziehung, Alter, Erwerbstätigkeit, langer Aufenthaltszeit oder anderer besonderer Bedarfe beantragen und begründen sollte. 

Gleiches gilt auch, wenn man durch Einkäufe in kleinen Geschäften oder Spätis mit Kartenzahlungsminima, Privatkäufe gebrauchter Waren, Taschengeld für Kinder einen höheren Bargeldbetrag benötigt. 

Dann sollte die zusätzliche Bereitstellung für Bargeld beantragt und möglichst konkret begründet werden. Das AsylbLG selbst sieht für diese Fälle einen Rechtsanspruch auf höhere Barleistungen vor (§ 2 Abs. 2 S. 3; § 3 Abs. 3 S. 6 AsylbLG) vor. Das Sozialamt hat dann die Pflicht, sich mit jedem Antrag individuell auseinanderzusetzen und einen begründeten Bescheid zu erlassen, der die jeweiligen Umstände des Einzelfalls berücksichtigt. Bei Ablehnungen sollten dagegen Klage und ggfs. Eilantrag beim Sozialgericht eingelegt werden.

Rechtsgrundlage ist dafür § 3 Abs. 3 Satz 6 AsylbLG: 

„Soweit der notwendige persönliche Bedarf oder der Bedarf für Haushaltsenergie nicht mittels der Bezahlkarte gedeckt werden können, sind diese als Geldleistung zu erbringen.“

§ 3 Abs. 3 Satz 6 AslybLG

Hierauf sollte man sich in entsprechenden Anträgen auch beziehen. Die jeweilige Leistungsbehörde muss dann die vorgetragenen Dinge prüfen und auch einen entsprechenden rechtsfähigen Bescheid zu erlassen, den man bei Ablehnung dann auch beklagen kann. 

Bedeutender Mehraufwand für die Leistungsbehörden

Es ist hier noch keine Entscheidung in der Hauptsache und erst recht keine schon rechtskräftige. Dennoch zeigt die Entscheidung auf, dass der Verwaltungsaufwand für die Leistungsbehörden immens unterschätzt wird. Mitarbeiterinnen werden nicht nur zu bankähnlichen Sachbearbeitern, die zig Einzelüberweisungen freigeben müssten, sondern es ist im Grunde mit jedem Leistungsbescheid eine individuelle Prüfung der jeweiligen Umstände notwendig, um dem jeweiligen Einzelfall gerecht zu werden. 

Vielleicht Ist dies der letzte Umstand, der die Politik noch einmal zum Nachdenken und Einlenken bringt, wenn man den daraus resultierenden zusätzlichen Personalaufwand für Tausende von Einzelprüfungen einmal sauber ermittelt und sich zudem gedanklich von fachlich längst widerlegten Gründen für die Einführung der Bezahlkarte löst. 

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