Fachkräfteeinwanderung: Chancenkarte nach § 20a & §20b AufenthG ab 01.06.2024

Beginnend ab 01.06.2024 tritt der dritte Teil der Neuerungen des fachkräfteeinwanderungsgesetzes in Kraft. Wesentliches Element ist nun die sog. Chancenkarte, also ein Punktemodell, mit dem man entweder zur Jobsuche oder mit einem konkreten Arbeitsplatzangebot nach Deutschland einreisen kann und eine Aufenthaltserlaubnis erhält. 

Besonders wichtig und neu ist in diesem Kontext die erste Variante. War es bisher wesentliche Voraussetzung, dass man bereits aus dem Ausland heraus die Anerkennung und Gleichwertigkeit eines jeweiligen ausländischen Abschlusses erfolgreich betrieben hat, ist es nun möglich, eben auch ohne diese Voraussetzung unter bestimmten Bedingungen – hier die Erfüllung einer bestimmten Punktezahl – nach Deutschland einzureisen.

Wer bekommt die Chancenkarte?

Die sog. Chancenkarte nach § 20a & § 20b AufenthG KANN erteilt werden, wenn man 

  1. eine FACHKRAFT ist. Dies ist man dann, wenn man entweder einen deutschen Ausbildungs- oder Studienabschluss hat ODER einen als gleichwertig anerkannten ausländischen Ausbildungs- oder Studienabschluss hat. ODER
  2. man über einen ausländischen Studien- oder Ausbildungsabschluss, der im jeweiligen Land des Abschlusses als solcher anerkannt ist, verfügt. Bei dieser Variante muss man zusätzlich A1-Deutschkenntnisse oder B2-Englischkenntnisse nachweisen UND mindestens 6 Punkte nach der Tabelle erreichen. 

§ 20a AufenthG

Es gibt bei der Chancenkarte nach § 20a zwei unterschiedliche Varianten: 

  1. Such-Chancenkarte (§ 20a Abs. 5 S. 1 AufenthG) mit einer Aufenthaltserlaubnis bis zu 1 Jahr und
  2. Folge-Chancenkarte (§ 20a Abs. 5 S. 2 AufenthG) für eine Aufenthaltserlaubnis für bis zu 2 weitere Jahre, wenn ein Arbeitsplatzangebot für eine qualifizierte Beschäftigung vorliegt, aber noch keine andere Aufenthaltserlaubnis für die Erwerbstätigkeit erteilt werden kann.

Wie auch bisher gilt dies alles nicht für „irgendeinen“ Job, auch wenn dieser den Lebensunterhalt sichern sollte, sondern eben nur für sog. qualifizierte Beschäftigung.

Definition qualifizierte Beschäftigung

Die inzwischen gesetzliche Definition findet sich in „ 12 Abs. 12b AufenthG. Dies fasst das Bundesministerium des Innern (BMI) wie folgt zusammen:

In Abgrenzung zu unqualifizierten Beschäftigungen liegt eine qualifizierte Beschäftigung vor, wenn die Art der arbeitsvertraglich vereinbarten Tätigkeiten üblicherweise von Personen mit Fertigkeiten, Kenntnissen und Fähigkeiten ausgeübt wird, die in einer qualifizierten Berufsausbildung oder akademischen Ausbildung erworben werden. Dies umfasst sowohl berufsrechtlich reglementierte als auch nicht reglementierte Berufe.

Anwendungshinweise BMI

Erlaubte Beschäftigung

Mit der Such-Chancenkarte hat man ja noch keine Beschäftigung, denn die konkrete Suche danach ist ja gerade der Zweck dieser Art von Aufenthaltserlaubnis

Erlaubt sind hier deshalb zunächst nur Tätigkeiten bis zu 20 Stunden pro Woche im Durchschnitt über die gesamte Zeit der Erlaubnis. Ebenso erlaubt sind Probebeschäftigungen bis zu zwei Wochen. Die Bundesagentur für Arbeit muss hier jeweils nicht zustimmen. 

Probebeschäftigungen sind jeweils einmalig pro Arbeitgeber erlaubt. Zudem müssen sie entweder einer qualifizierten Beschäftigung entsprechen, auf eine Ausbildung abzielen oder dazu geeignet sein, für eine Maßnahme zur Anerkennung eines ausländischen Abschlusses entsprechend § 16d AufenthG aufgenommen zu werden. 

Mit der Folge-Chancenkarte ist die Beschäftigung natürlich im Rahmen der konkreten ja bereits vorhandenen Beschäftigung erlaubt. Hierzu ist dann auch wieder die Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit erforderlich. 

Sicherung des Lebensunterhalts

Der Lebensunterhalt muss in beiden Varianten komplett gesichert sein (§ 20a Abs. 4 AufenthG), also ohne Inanspruchnahme von Leistungen nach SGB II, wobei es nicht alleine darauf ankommt, ob man diese tatsächlich bezieht. Es darf vielmehr kein Anspruch auf ergänzende Leistungen nach dem SGB II bestehen. 

Es gibt hierzu keinen Pauschalbetrag, den man ansetzen kann. Die individuelle Berechnung ist insofern kompliziert, weil die Freibeträge für den Hinzuverdienst hier ebenfalls zu berücksichtigen sind und damit das notwendige Nettoeinkommen erhöhen. 

Zur groben Hilfe können jedoch bei Alleinstehenden rd. 900€ monatliche Nettoeinkommen zzgl der jeweiligen Warmmiete angesetzt werden.  

§ 20 b AufenthG

In § 20b sind die Voraussetzungen für eine Punktevergabe definiert und die jeweils dafür erhältlichen Punkte. 

Wir haben die Entwicklung im Gesetzgebungsverfahren in der folgenden Tabelle rein informativ mit dargestellt. 

Wichtig und ausschlaggebend ist hier nur die letzte grün unterlegte Spalte.

Punktetabelle

Hinweise zur Punktetabelle: 

  • Deutsche Sprachkenntnisse werden nur einmal gepunktet und dies mit dem höheren Wert. Zusätzliche englische Sprachkenntnisse werden jedoch addiert. 
  • Die Berufserfahrung muss im Zusammenhang mit der Qualifikation stehen. Hier wird natürlich auch nur der höhere Wert angerechnet. 
  • Zu den Mangelberufen zählen die, die auch bei der blauen Karte EU nach § 18g mit abgesenktem Gehaltsnivau zählen. 
  • Das Alter richtet sich nach dem Alter zum Zeitpunkt des Antrages. 
  • Hier geht es um Zeiten mit einer Aufenthaltserlaubnis. Zeiten aus einem Asylverfahren werden nur dann angerechnet, wenn dies mit Asylberechtigung oder als anerkannter Flüchtling endete. 
  • Ehegatten können sich nicht gegenseitig zur Chancenkarte verhelfen. Mindestens einer von beiden muss die Chancenkarte mit „eigenen“ Punkten erreichen, beim anderen reichen dann 5 Punkte plus der eine Punkt über den Ehegatten. 

Grundsätzliche Leistungsansprüche mit einer Aufenthaltserlaubnis nach § 20a AufenthG

Es besteht, sofern die individuellen Voraussetzungen erfüllt sind, dem Grunde nach Anspruch unter anderem auf folgende Sozialleistungen:

 Arbeitslosengeld I

Berufsausbildungsbeihilfe (BAB)

Ein Anspruch auf BAföG besteht i. d. R. NICHT, da hier ein 5jähriger Voraufenthalt in Deutschland vorausgesetzt wird (§ 8 Abs. 3 BAföG).

  • Diese Leistungen wären bei der Frage zur Lebensunterhaltssicherung unschädlich –

Bürgergeld nach dem SGB II/Leistungen nach SGB XII 

Dies sind wie schon dargestellt schädliche Leistungen, die  zum Verlust der Aufenthaltserlaubnis führen können. Zu beachten ist dabei auch die Meldepflicht der Leistungsbehörden an die jeweilige Ausländerbehörde. 

Es können ohnehin nur Überbrückungsleistungen (§ 23 Abs. 3 S. 3ff SGB XII) beansprucht werden, da der „normale“ Bezug einen fünfjährig Aufenthalt in Deutschland voraussetzt. stellt (§ 87 Abs. 2 S. 3 AufenthG).

Wechsel in andere Aufenthaltserlaubnisse aus § 20a AufenthG wechseln

Grundsätzlich ist ein Wechsel in jede andere Aufenthaltserlaubnis möglich. Dies ist ja auch der eigentliche Sinn der Chancenkarte.

Die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis mit der Such-Chancenkarte (§ 20a Abs. 5 S. 1) ist ausgeschlossen (§ 20a Abs. 6). 

Mit „Folge-Chancenkarte“ (§ 20a Abs. 5 S. 2 AufenthG) ist die Niederlassungserlaubnis nach den allgemeinen Regeln nach  § 9 AufenthG möglich (Wesentlich dabei neben voller Lebensunterhaltssicherung sind 60 Monate Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung und fünf Jahre Besitz einer Aufenthaltserlaubnis. Zeiten mit Such-Chancenkarte werden dabei dann angerechnet).

Erteilung für Menschen in Deutschland?

Ein Wechsel in die Such-Chancenkarte ist nur dann möglich, wenn man bisher eine Aufenthaltserlaubnis nach den §§ 16 bis 21 besitzt. Für Menschen mit humanitären Aufenthaltstiteln ist dies grundsätzlich nicht möglich. Ebenso geht dies nicht aus dem laufenden Asylverfahren mit einer Aufenhaltsgestattung oder aus einer Duldung heraus. 

Verlängerung oder Neuerteilung einer Such-Chancenkarte

Eine Verlängerung ist nicht möglich. Die Neuerteilung geht grundsätzlich, setzt jedoch voraus, dass man sich bei Neuerteilung mindestens so lange erlaubt in Deutschland oder alternativ im Ausland aufgehalten hat wie die Laufzeit der ersten Suchchancenkarte war, also i.d.R. dann ein Jahr.

Denkbar wäre dann allerdings eine „Rundumschleife“, also die Erteilung einer Such- und danach einer Folgechancenkarte und danach wieder einer Such-Chancenkarte, danach einer Folge-Chancenkarte. Hierbei müßte die zweite (neue) Such-Chancenkarte nur für eine logische Sekunde erteilbar sein können, um dann direkt eine neue Folge-Chancenkarte zu erhalten. 

Familiennachzug

Der Familiennachzug ist grundsätzlich möglich, richtet sich aber nach den allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen ohne etwaige Erleichterungen. Dies bedeutet neben der Lebensunterhaltssicherung für die komplette Bedarfsgemeinschaft vor allem das Spracherfordernis beim nachziehenden Ehegatten wie auch ausreichender Wohnraum. 

Anwendungshinweise BMI

Anwendungshinweise des BMI zu § 20a und b: https://www.bmi.bund.de/SharedDocs/downloads/DE/veroeffentlichungen/themen/migration/anwendungshinweise-fachkraefteeinwanderungsgesetz.pdf?__blob=publicationFile&v=3

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