Der Berliner Senat hat vor Monaten bereits ein Landesaufnahmeprogramm für Menschen aus Afghanistan beschlossen, aber bisher nicht umgesetzt. Im beschlossenen Koalitionsvertrag ist von einer Erweiterung des bestehenden Programmes für Syrer:innen und Irakder:innen um Menschen aus Afghanistan die Rede. Dies würde bedeuten, dass nur Menschen mit einer bereits erteilten Aufenthaltserlaubnis das Programm nutzen können und ebenso der Lebensunterhalt gesichert sein muss. Beides ist angesichts der Umstände derzeit kaum zu erfüllen.
Hier unser offener Brief:
Berlin muss endlich das beschlossene Landesaufnahmeprogramm Afghanistan vorlegen
Am 19.08.2021 hat der Berliner Senat ein Landesaufnahmeprogramm für Menschen aus Afghanistan beschlossen. Bisher gibt es dazu jedoch keine Aufnahmeanordnung der Innenverwaltung.
Zugesagt wurde, ehemalige Ortskräfte, ihre Familien und weitere von den Taliban bedrohte Personenkreise aufzunehmen. Weiterhin wurde beschlossen, folgende Gruppen zu berücksichtigen: Familienangehörige der Ortskräfte (das umfasst auch Familienmitglieder außerhalb der Kernfamilie), einheimische Helfer:innen der Alliierten und andere gefährdete Personen wie Journalist:innen, Frauenrechtler:innen, Künstler:innen, afghanische Ortskräfte von NATO-Partnerstaaten und EU-Institutionen, denen kurzfristig kein Visum erteilt wurde.
Monate sind vergangen, und es ist nichts passiert. Die Regelung im Koalitionsvertrag berücksichtigt nur Afghan:innen mit Aufenthaltserlaubnis und geht nicht weit genug.
Deutschland hat zwar seitdem rund 6.000 Menschen aus Afghanistan direkt oder indirekt durch Evakuierungsmaßnahmen anderer Staaten aufgenommen. Aber trotz wiederholter gegenteiliger Beteuerungen der Bundesregierung und des Berliner Senats gibt es momentan keine wesentlichen Aktivitäten, weitere Evakuierungsmaßnahmen durchzuführen. Afghanistan wird mehr oder weniger totgeschwiegen.
Menschenrechte und Menschenleben können und dürfen sich nicht an Wahlen orientieren. Es hat sich gezeigt, dass die Taliban ein islamistisches frauenfeindliches Regime führen und Frauen, Journalist:innen, Politiker:innen und auch direkte sowie indirekte Ortskräfte und ihre Familien mit dem Tod bedrohen. Dies geschieht, obwohl zuvor – vermutlich finanziell gesteuert – das Gegenteil durch die Taliban beteuert wurde.
Wir fordern deshalb den Senat auf, nun endlich das beschlossene Aufnahmeprogramm vorzulegen.
„Fast 4 Monate sind seit Senatsbeschluss vergangen. Die Regelung lt. Koalitionsvertrag berücksichtigt nur Afghan:innen mit erteiltem Schutzstatus, den viele bisher noch nicht haben. Hiervon muss dringend abgewichen werden, ebenso von Verpflichtungserklärungen für den Lebensunterhalt als Voraussetzung“ sagt Christian Lüder, Berlin hilft.
„Afghan:innen in Deutschland bangen um Angehörige. Die verlorene Zeit ist eine Ewigkeit für Menschen, die um ihr Leben fürchten und sich ohne Geld verstecken müssen. Wir brauchen eine großzügige Aufnahme“ fordert Amei von Hülsen-Poensgen, Willkommen im Westend/Ulme 35
Deshalb:
- Erlass einer Aufnahmeanordnung nach § 23 unter Verzicht auf § 68 AufenthG & bereits bestehende Aufenthaltserlaubnisse
- Die Bundesregierung muss zu ihren eigenen Aussagen stehen und Länderaufnahmeprogramme hinsichtlich Afghanistan genehmigen
- Unabhängig von einer Entscheidung der Bundesregierung muss der Senat seinen eigenen Beschluss zur Aufnahme nun sofort umsetzen.
- Menschenleben zu retten, ist keine Verhandlungssache
Berlin ist sicherer Hafen, Berlin steht für Humanität. Berlin hilft Menschen.