Corona hat vor allem für Menschen in enger und prekärer Unterbringung u.U. gefährliche Folgen. Geflüchtete, Wohnunglose und Obdachlose sind dabei besonders gefährdet.
Bisher haben vor allem die Bezirke nicht die Möglichkeiten genutzt, die durch leerstehende Hotel und Hostels weiterhin bestehen. Dabei könnten alle am Ende gewinnen: Bezirke, Stadt, Hotels und Hostels, aber vor allem die betroffenen Menschen. Unser aktueller Brief zu diesem Thema anlässlich der Konferenz zur Wohnungslosenhilfe:
Situation in Gemeinschaftsunterkünften im Land Berlin
Sehr geehrter Herr Müller,
sehr geehrte Frau Breitenbach,
sehr geehrter Herr Kollatz,
sehr geehrte Bürgermeisterinnen und Bürgermeister der Berliner Bezirke,
sehr geehrte Stadträtinnen und Stadträte,
Bereits im April hatten wir Sie zusammen mit anderen Initiativen zur Unterbringung nach ASOG angeschrieben und um eine kurzfristige und pragmatische Lösung gebeten. Leider hat sich seitdem wenig getan.
Berlin drohen wieder steigende Corona-Infektionszahlen, deutlich mehr Erkrankte und unverändert eine besondere und gesteigerte Gefahr in allen Unterkünften, in denen Menschen dicht und letztlich nicht adäquat und gut untergebracht sind.
Mit großer Sorge sehen wir deshalb auf den nun beginnenden Herbst, der ganz sicher zu steigenden Infektionszahlen und zudem deutlich schlechteren Rahmenbedingungen führt. Ob es nun wieder so glücklich ausgeht wie im Frühjahr, muss zumindest bezweifelt werden.
Die Unterbringung von Menschen auf dichtem Raum mit wenigen und dazu gemeinsamen Duschen und Toiletten provoziert geradezu eine gefährliche Situation und lässt Infektionen freien Lauf.
Deshalb fordern wir im Sinne der Menschen sofortige Maßnahmen:
- Stärkere und bessere Wahrnehmung der Unterbringungspflicht für anerkannte Geflüchtete durch die Bezirke
- Einleitung sofortiger und schneller Maßnahmen bei der ASOG-Unterbringung für Wohnungslose durch die Bezirke und
- Entspannung der jetzt bereits absehbaren drohenden Probleme in der Kältehilfe durch die ohnehin in vielen Fällen verpflichtende Unterbringung nach ASOG statt in reiner Notübernachtung
- Weitere Entzerrung und Verbesserung der Belegung und Situation für Geflüchtete in den Unterkünften des LAF,
Die Situation an sich hat sich nicht geändert:
Insgesamt sind in. Berlin rd. 40.000 Menschen wohnungslos. Rund die Hälfte dieser Menschen sind in Unterkünften des LAF untergebracht, davon wiederum rd. 10.000 in eigentlicher Zuständigkeit der Bezirke.
Die andere Hälfte der Menschen sind durch die Wohnhilfen der Bezirke in überwiegend in Heimen, Hotels, Hostels oder Apparetements untergebracht. Die Qualität dieser Unterkünfte ist extrem unterschiedlich, es gibt Unterkünfte, in denen der Aufenthalt schon in normalen Zeiten gesundheitsgefährdend ist, in Zeiten von Corona jedoch unzumutbar.
Einrichtungen der Kältehilfe sind für Obdachlose nur die letzte Zuflucht und reine Nothilfe. Sanitäre Einrichtungen, gerade unter Corona noch viel wichtiger, sind dort jedoch kaum und nie ausreichend vorhanden. Deshalb ist auch hier dringender Handlungsbedarf.
Wenn es jetzt noch keine eindeutige und klare Reaktion gibt, befürchten wir deutlich schlimmere Folgen für die Betroffenen als wir sie bisher glücklicherweise erlebt haben. Leider ist für präventive Maßnahmen schon viel zu viel Zeit verloren gegangen. Es bleibt dabei aber immer noch die Möglichkeit zum Handeln.
Lösungsansatz
Durch den Einbruch des Tourismus besteht weiterhin eine einmalige Gelegenheit, neue Unterkünfte, Hotels oder Appartements anzumieten. Einerseits könnte damit auch hier eine Entzerrung zu enger Wohnverhältnisse stattfinden, andererseits besteht die Chance, nun Unterbringungskapazitäten nicht nur zu vergrößern, sondern endlich auch in der Qualität auf das notwendige Mindestmaß zu bringen.
Bei den vor kurzem veröffentlichen Zahlen der Übernachtungen per Juli 2020 zeigt sich, dass für Januar bis Juli 2020 rd. 60% weniger Übernachtungen stattfanden. Auch im Juli selbst waren es es. 60%, obwohl Corona-Maßnahmen schon deutlich gelockert waren. Ausländische Übernachtungen brachen sowohl für den Juli wie auch das Gesamtjahr sogar um es. 70% ein.
Berlin insgesamt, aber vor allem die für den größten Teil der Unterbringung von Menschen verantwortlichen Bezirke haben aus unserer Sicht bisher die Chancen auf eine win-win-win-Situation nicht genutzt:
- Schlechte Unterkünfte könnten durch bessere ersetzt werden, ohne mehr Geld ausgeben zu müssen.
- Hotels, Hostels, Jugendherbergen etc. hätten gesicherte und planbare Umsätze und benötigen weniger Hilfen.
- Leistungen für die Menschen können verbessert werden, vertragsfreieUnterkünfte nun langfristig vertraglich gebunden werden.
- Die Belegung zu Corona-Zeiten könnte deutlich entzerrt werden.
- Und als Letztes, jedoch wichtigsten Punkt: Die Unterbringung für die Betroffenen Menschen würde sich massiv verbessern.
Warum schon bisher diese große Chance nicht genutzt wurde, ist für uns völlig unverständlich. Alle gewinnen, niemand verliert. Deshalb jetzt noch einmal unser dringender Appell: Nutzen Sie endlich diese Möglichkeiten!
Berlin ist als Stadt insgesamt gefordert, schnelle und möglichst sachorientierte Lösungen zu finden, die sich nicht an Zuständigkeiten alleine orientieren dürfen. Wir wissen um das besondere Engagement und auch die großen Anstrengungen vieler Verwaltungsmitarbeiterinnen und Verwaltungsmitarbeiter.
Dennoch sehen wir dringenden stadtweiten Handlungs- und Verbesserungsbedarf – nicht nur in Unterkünften vom LAF, sondern vor allem in bezirklichen Unterkünften und bei der ASOG-Unterbringung. Bitte handeln Sie jetzt!
Mit freundlichen Grüßen
Berlin hilft