Die Vergabepraxis vom Landesamt für Flüchtligsangelegenheiten (LAF) führt schon seit Jahren immer wieder zu Kritik. Die Ergebnisse der letzten Runde bestätigen dies, wenn nun mit European Homecare ein bekanntermaßen negativ vorbelasteter Betreiber Zuschläge bekommt.
Seit 1. Juni ist European Homecare Betreiber der Unterkunft in der Wolfgang-Heinz-Straße. Für eine zweite Unterkunft im Hausvaterweg wurde ebenfalls der Zuschlag erteilt.
Bereits seit 2014 steht European Home Care immer wieder in den Schlagzeilen. So wurden in einem großen Prozess zu Vorkommnissen und Misshandlungen in der Unterkunft in Burbach 38 Mitarbeiter und Sicherheitskräfte der Unterkunft angeklagt und zumindest teilweise auch verurteilt.
In einer Flüchtlingsunterkunft in Österreich verstarb ein Geflüchteter nach einer Schlägerei, Wachleute wurden der Vergewaltigung beschuldigt. 2015 gab es Vorwürfe wegen rassistischer Beleidigungen in einer Unterkunft in Brandenburg. Zudem gibt es Vorwürfe zur Verletzung von Arbeitnehmerrechten. Ebenso wurde ein einschlägig vorbestrafter Sexualstraftäter eingestellt.
Das Vergabeverfahren beim Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten sieht als Kriterien für eine Vergabe eine 70-prozentige Gewichtung nach Qualität und zu 30 % nach Preis vor. Gleichzeitig ist man bemüht, die Vergabeverfahren möglichst rechtssicher und ohne Nachprüfung durchzuführen. Sicherlich gute Ansätze, denen das Verfahren in der Realität jedoch offenbar nicht vollständig gerecht wird.
Es ist nicht zu erklären, dass ein Bieter wie European Homecare mit einer solchen presseöffentlichen Vorgeschichte unter der Maßgabe, dass zu 70 % auf die Qualität der Betreiberleistungen abgestellt wird, einen Zuschlag erhalten kann. Auch wenn nicht jeder Vorwurf tatsächliche Bestätigung erlangen konnte, muss dies dennoch einen Einfluss auf die qualitative Bewertung haben.
Im umgekehrten Fall fehlt gleichfalls ein Regulativ. Überdurchschnittlich hohe Qualitätsstandards oder Betreuungskonzepte auch in der Vergangenheit führen nicht zu Pluspunkten im Rahmen des Vergabeverfahrens. Im Gegenteil: Da qualitativ hochwertige Betreuungskonzepte in aller Regel mehr Geld kosten, dies aber im Verfahren nur ungenügend berücksichtigt wird, fühlt sich kein Betreiber motiviert, solche Konzepte bei Angeboten einzubringen.
Die offizielle Begründung für den Umstand, dass Bonus- bzw. Maluspunkte im Vergabeverfahren nicht berücksichtigt werden könnten, sind möglichst rechtssichere Vergaben. So erstrebenswert dies auch ist, führt es nun jedoch zu Vergaben mit zumindest zweifelhaften Ergebnis.
Zudem wird die gewünschte Rechtssicherheit bei der Vergabe offenbar jedoch auch so nicht erreicht, da beispielsweise durch Rügen im Verfahren der Zuschlag für die neue Unterkunft Beelitzhof in Steglitz-Zehlendorf nicht erteilt werden konnte. Hier springt nun übergangsweise für mehrere Monate der landeseigene Betreiber ein.
Aus unserer Sicht hätte das Vergabeverfahren an sich schon seit längerem überarbeitet werden müssen. Es stellte sich zunehmend heraus, dass die gewünschte Aufteilung zwischen 70 % Qualität und 30 % Preis in der Praxis nicht funktioniert. Qualitätskonzepte auf dem Papier lassen sich schnell und auch gut erstellen, mangeln dann jedoch in der Umsetzung. Zudem findet offenbar kein nachhaltiger Abgleich zwischen den eingereichten Qualitätskonzepten und den finanziellen Kalkulationen bei der Vergabe statt.
Weiterhin haben solche hochwertigen Konzepte den Nachteil, dass eine gute Qualität in der Regel mit höheren Kosten verbunden ist. Die Relativierung höherer Kosten wegen höherer Qualitätsstandards durch die geringere Gewichtung des Preises findet jedoch in der Realität nicht statt. Am Ende zählt der Preis.
Im Ergebnis ist kein Betreiber motiviert, über die vertraglichen Verpflichtungen hinaus besondere Leistungen zu erbringen. Ihm entstünden einerseits höhere Kosten, die sein Angebot nachteilig beeinflussen, andererseits hätte er weder im konkreten Vergabeverfahren noch für die Zukunft einen Vorteil aus höherer Qualität und besonderem Engagement.
Es wäre demnach wichtig, bei künftigen Vergabeverfahren die Betreiber-Qualität bei vergangenen Aufträgen in jedem Fall sowohl positiv wie auch negativ mit zu berücksichtigen. Dies würde solche Ergebnisse wie nun ersparen und andererseits qualitativ gut arbeitende Betreiber stärker berücksichtigen.
Ebenso wichtig ist es, die im Rahmen der Betreuung so wichtige lokale Vernetzung und Kenntnisse der lokalen Besonderheiten viel deutlicher in den Vordergrund zu stellen. Auch hier steht das bisherige Vergabeverfahren dagegen, das Gleichstellung mit einem Bewerber fordert, der dies noch gar nicht erbringen kann, weil er aus einem anderen Teil Deutschlands oder Europas ist.
Alternativ st eine Ausschreibung eines Rahmenvertrages für zukünftige Betreiberleistungen der nächsten Jahre denkbar. Ein Betreiber würde sich dann nicht mehr auf die konkrete Ausschreibung einer konkrete Unterkunft bewerben, sondern auf Leistungen im Rahmen dieses Rahmenvertrages. Im Ergebnis würden dann Unterkünfte für einen Zeitraum von zum Beispiel drei Jahren grundsätzlich an die Betreiber vergeben werden, die an der Ausschreibung des Rahmenvertrages positiv teilgenommen haben.
Ein weiterer wesentlicher Umstand sind momentan offenbar intransparente Qualitätskriterien. Ergebnisse einer Vergabe sind das eine. Auch hier ist für den Bieter schon nicht wirklich nachvollziehbar, warum das eine Konzept gut und das andere schlechter bewertet wird. Noch umplausibler ist es, wenn das gleiche Konzept bei unterschiedlichen Bewerbungen unterschiedlich abschneidet.
Aber auch im laufenden Betrieb findet nach Aussagen der Betreiber keine transparente und plausible Kontrolle auf Basis von klaren Qualitätskriterien statt. Geprüft werden Reinigungszyklen, Ausstattungsfragen oder der Personalschlüssel und seine Besetzung. Eine Überprüfung des konkret bei der Vergabe abgegebenen Qualitätskonzepts findet jedoch ebenso wenig statt wie eine plausible und nachvollziehbare Bewertung der Betreiberleistungen als solche. Genau hieraus resultiert die fehlende Motivation von Betreibern über das normale Maß hinausgehende Konzepte anzubieten.
Dazu kommt, dass Bewertungen durch das LAF aus Begehungen offenbar sehr abhängig von der kontrollierenden Person und den persönlichen Umständen sind, aber weniger anhand von nachvollziehbaren und beidseitig bekannten Qualitätskriterien erfolgen.
So ist schon für alle Beteiligten, also BewohnerInnen, Betreiber, MitarbeiterInnen und auch das Landesamt, offenbar nicht eindeutig klar, welche Rechte und Pflichten Bewohner in der Unterkunft haben. Immer wieder aufs Neue wird über Teppiche oder Elektrogeräte geredet, die mal erlaubt und mal verboten sind. Auch dies hängt nach Betreiberaussagen schon von den jeweils zuständigen Mitarbeitern des Landesamtes ab.
Gerade vor dem Hintergrund der zum 1. August startenden Beschwerdestelle ist es im Vorfeld zwingend, Bewohnerrechte und Bewohnerpflichten, die Hausordnung, Betreiberrechte und Betreiberpflichten, Aufgaben und Befugnisse der Sicherheitsdienste wie auch grundsätzliche qualitative Anforderungen klar zu definieren, um allen Beteiligten überhaupt einen Handlungsrahmen zu geben. Dazu gehören für alle nachvollziehbare Standards.
Zurückkommend auf das Ergebnis der Vergabeverfahren ergibt sich nun der etwas schizophrene Zustand, dass trotz Umfang, Anzahl und Schwere der Vorwürfe gegen einen Betreiber offenbar im aktuellen Vergabeverfahren keine Handhabe besteht, und deshalb eine solche Vergabe erfolgen kann bzw. man auf Vertragsverstöße und weitere Vorfälle in der Zukunft warten muss, um einen solchen Betreiber wieder loszuwerden. Dass dies nicht der Idealzustand sein kann, sollte allen Beteiligten schon lange klar geworden sein.
Links/Quellen
https://www.saechsische.de/geschaeftsmodell-asyl-3750773.html