Erweiterung der Anforderungen an ärztliche Atteste, Gutachten und Stellungnahmen im AufenthG

Eine nicht voll im Fokus stehende Änderung durch das sog. „Geordnete-Rückkehr-Gesetz“ betrifft die nun nochmals erhöhten Anforderungen an den Nachweis von Erkrankungen. Auch hier wurden die Anforderungen verschärft. 

Nach Inkrafttreten des sogenannten „Geordnete-Rückkehr-Gesetzes“ am 21.08.2019 gelten an die Vorlage ärztlicher Atteste, Gutachten und Stellungnahmen weitere und erhöhte Anforderungen, wenn diese zur Feststellung von Krankheiten dienen sollen, um entweder ein nationales Abschiebehindernis aus gesundheitlichen Gründen (§ 60a Abs. 2c AufenthG) oder ein zielstaatsbezogenes Abschiebehindernis (§ 60 Abs. 7 AufenthG) begründen soll. 

Zur Angleichung wurde in § 60 Abs. 7 AufenthG ein Verweis auf die Regelungen des § 60a Abs. 2c Satz 2 und 3 AufenthG eingefügt. 

Stellungnahmen psychologischer Psychotherapeut*innen zur Geltendmachung psychischer Erkrankungen reichen damit grundsätzlich nicht mehr aus. 

Das BAMF müsste dennoch weiterhin bei Hinweisen auf Erkrankungen von sich aus weitere Sachaufklärung zu betreiben, was es i.d.R. mit Verweis auf die Umkehr der Beweislast und der gesetzlichen Vemutung, dass „der Abschiebung gesundheitliche Gründe nicht entgegenstehen“, nicht tut. 

§ 60 Abs. 7 lautet nun: 

(7) 1Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. 2§ 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. 3Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. 4Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. 5Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. 6Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

§ 60 Abs. 7 AufenthG

§ 60a Abs. 2c AufenthG wird zudem um zwei Punkte erweitert:

1) Die ärztliche Bescheinigung muss nun den lateinischen Namen oder die Klassifizierung der Erkrankung nach ICD 10 enthalten. 

2) Zudem müssen die zur Behandlung der Erkrankung erforderlichen Medikamente mit der Angabe ihrer Wirkstoffe und diese mit ihrer international gebräuchlichen Bezeichnung aufgeführt sein.

Die geänderte Vorschrift des § 60a Abs. 2c AufenthG lautet nun wie folgt:

(2c) 1Es wird vermutet, dass der Abschiebung gesundheitliche Gründe nicht entgegenstehen. 2Der Ausländer muss eine Erkrankung, die die Abschiebung beeinträchtigen kann, durch eine qualifizierte ärztliche Bescheinigung glaubhaft machen. 3Diese ärztliche Bescheinigung soll insbesondere die tatsächlichen Umstände, auf deren Grundlage eine fachliche Beurteilung erfolgt ist, die Methode der Tatsachenerhebung, die fachlich-medizinische Beurteilung des Krankheitsbildes (Diagnose), den Schweregrad der Erkrankung, den lateinischen Namen oder die Klassifizierung der Erkrankung nach ICD 10 sowie die Folgen, die sich nach ärztlicher Beurteilung aus der krankheitsbedingten Situation voraussichtlich ergeben, enthalten. 4Zur Behandlung der Erkrankung erforderliche Medikamente müssen mit der Angabe ihrer Wirkstoffe und diese mit ihrer international gebräuchlichen Bezeichnung aufgeführt sein.

§ 60a Abs. 2c AufenthG

Notwendige Anforderungen in Stichpunkten:

Eine ärztliche Bescheinigung wird als „qualifizierte“ Bescheinigung im Sinne des § 60a Abs. 2c

AufenthG angesehen, wenn sie diese Informationen und Angaben enthält:

  • Beschreibung der tatsächlichen Umstände, auf deren Grundlage eine fachliche Beurteilung erfolgt ist
  • Methode der Tatsachenerhebung
  • fachlich-medizinische Beurteilung des Krankheitsbildes (Diagnose)
  • Schweregrad der Erkrankung
  • Lateinischer Namen oder die Klassifizierung der Erkrankung nach ICD 10
  • Folgen, die sich nach ärztlicher Beurteilung aus der Erkrankung ergeben (können)
  • Benennung der zur Behandlung der Erkrankung erforderlichen Medikamente mit der Angabe der Wirkstoffe und ihrer international gebräuchlichen Bezeichnung

Bei der Umsetzung der gesetzlichen Änderungen wird in § 60 Abs. 7 „nur“ auf die Sätze 2 und 3 des § 60a Abs. 2c verwiesen, nicht jedoch auf Satz 4. Ausweislich der Gesetzesbegründung (BT- Drucksache 19/10047) wurde jedoch eine Gleichstellung der gesetzlichen Vorschriften angestrebt. 

Die ärztliche Bescheinigung sollte zudem durch eine*n Fachärztin/Facharzt auf dem Gebiet der jeweils diagnostizierten Erkrankung ausgestellt werden. Gerade bei psychischen Erkrankungen sei jedoch nochmals darauf verwiesen, dass Stellungnahmen gleich welcher Art von TherapeutInnen nicht mehr anerkannt werden, weil es sich ausweislich des Gesetzes um eine ärztliche Stellungnahme handeln muss. 

Mitwirkungspflichten

Daneben gilt eine gesetzliche Mitwirkungspflicht bei der Vorlage von Attesten, die ein nationales Abschiebehindernis nach § 60a begründen sollen. Diese müssen „unverzüglich“ vorgelegt werden, was i.d.R. innerhalb von 14 Tagen nach Datum der Ausstellung bedeutet. 

Hierzu heisst es in § 60a Abs. 2d:

(2d) 1Der Ausländer ist verpflichtet, der zuständigen Behörde die ärztliche Bescheinigung nach Absatz 2c unverzüglich vorzulegen. 2Verletzt der Ausländer die Pflicht zur unverzüglichen Vorlage einer solchen ärztlichen Bescheinigung, darf die zuständige Behörde das Vorbringen des Ausländers zu seiner Erkrankung nicht berücksichtigen, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Einholung einer solchen Bescheinigung gehindert oder es liegen anderweitig tatsächliche Anhaltspunkte für das Vorliegen einer lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankung, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würde, vor. 3Legt der Ausländer eine Bescheinigung vor und ordnet die Behörde daraufhin eine ärztliche Untersuchung an, ist die Behörde berechtigt, die vorgetragene Erkrankung nicht zu berücksichtigen, wenn der Ausländer der Anordnung ohne zureichenden Grund nicht Folge leistet. 4Der Ausländer ist auf die Verpflichtungen und auf die Rechtsfolgen einer Verletzung dieser Verpflichtungen nach diesem Absatz hinzuweisen. unmittelbar nach Erhalt der Abschiebungsandrohung, d.h. innerhalb weniger Tage, vorgelegt werden, damit der Vortrag des Betroffenen Berücksichtigung finden kann. 

§ 60a Abs. 2d AufenthG

Im Fall einer PTBS, die nicht auf traumatisierende Erfahrungen im Bundesgebiet zurückzuführen ist, muss die qualifizierte ärztliche Bescheinigung sogar unmittelbar nach Erhalt der Abschiebungsandrohung, d.h. innerhalb weniger Tage, vorgelegt werden, damit der Vortrag des Betroffenen Berücksichtigung finden kann. 

Die Verletzung der Mitwirkungspflicht führt regelmäßig dazu, dass der jeweils festgestellte Befund hinsichtlich der beabsichtigten Abschiebung zwingend nicht mehr berücksichtigt werden darf.

Etwas anderes gilt nach dem Wortlaut des Gesetzes wenn 

  • der Betroffene nachweislich unverschuldet an der Einholung einer qualifizierten ärztlichen Bescheinigung gehindert war oder
  • Gründe vorliegen, die zu einem Abschiebungshindernis im Sinne des § 60 Abs. 7 führen würden. 

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