Der Familiennachzug zu subsidiär Geschützten soll ab 01.08. mit monatlich 1.000 Visa wieder erfolgen können. Neben den neuen Abläufen haben wir uns mit der Frage beschäftigt, wie die Beantragung in der Praxis aussehen wird. Hierzu haben wir uns auch bei IOM informiert.
Zu den gesetzlichen Neuregelungen und zum Verfahrensablauf an sich haben wir einen sehr ausführlichen Beitrag veröffentlicht.
Wir wollen hier nun weitere aktuelle Informationen zum Antragsverfahren und zur Dauer geben und haben hierzu auch mit IOM gesprochen.
Verfahrensdauer bzw. „Antragsstau“
Vor den seit rd. 14 Tagen über das neue Internetportal neu eingetragenen Terminanfragen stehen die im Gesetzgebungsverfahren angegebenen 26.000 bereits in der Vergangenheit eingegangenen Terminanfragen. Lt. Presseberichten soll sich die Zahl auf nun bereits 28.000 erhöht haben, also offenbar rd. 2.000 Neuanträge seit Anfang Juli 2018.
Die Zahl 26.000 ist, da es die Anfragen der letzten gut zwei Jahre betrifft, wohl in der Praxis zu hoch. Einerseits gibt es Menschen, die inzwischen erfolgreich auf Flüchtlingsstatus geklagt haben. Daneben sind einige entweder zurückgekehrt oder nicht mehr an einem Nachzug interessiert.
Realistisch kann man deshalb wohl um vielleicht 25 % wieder abziehen. Eine Umfrage von IOM bei den für Beirut für den Nachzug registrierten Menschen soll das bestätigt haben. Beirut ist sicher die Auslandsvertretung mit der stärksten Terminnachfrage.
Damit bleiben „nur“ noch rd. 19.000 vorrangige Visaanträge als ernsthaft bestehen.
Der Großteil dieser Visaanträge wird realistische über Beirut laufen. Geschätzt werden hierzu 2/3 bis 3/4 aller Anfragen. Beirut ist bekanntermaßen bereits jetzt schon mit Anträgen von Nachziehenden überlaufen. Der bisherige Druck von anerkannten Flüchtlingen wird dabei nicht deutlich abnehmen. Zusätzlich kommt nun eine erhebliche zahl von Fällen von Nachzubewilligen zu subsidiär Geschützten hinzu.
Der erste Rat, den man nun für die Visabeantragung geben kann, ist also, dass man nach Möglichkeit Beirut als Ort der Antragstellung vermeiden sollte, soweit das möglich ist.
Bezogen auf das neue Verfahren bzw. im Unterschied zum Familiennachzug zu Anerkannten erfolgt in der jeweiligen Auslandsvertretung keine alleinige Entscheidung mehr, sondern nur eine qualifizierte „Unterlagensammlung“ bzw. Überprüfung von Härtefallgründen, die bei den Nachziehenden bestehen (z.B. Krankheiten o.ä.). Das Verfahren wird bei Menschen mit subsidiärem Schutz dann auch von der deutschen Ausländerbehörde wie auch vom Bundesverwaltungsamt betreut.
Am Ende wird dann die jeweilige Auslandsvertretung eine Visumentscheidung treffen müssen, die sich aufgrund der komplizierten neuen Rechtslage jedoch aufwendiger gestaltet als beim bisherigen Familiennachzug.
Deshalb sind die Fallzahlen bzw. auch die zeitlichen Abläufe vom Nachzug zu anerkannten Flüchtlingen auch nicht 1:1 übertragbar, da bisher die Entscheider in den Auslandsvertretungen das alleinige Nadelöhr in der Botschaft waren.
Demnach wird nun für Beirut davon ausgegangen, dass Menschen, die jetzt neu einen Termin zum Nachzug zum subisidär Geschützten beantragen, bei aller Vorsicht und nach Rücksprache mit IOM wohl von rd. 12 Monaten Wartezeit ausgehen müssen, bis es zum Termin kommt. Vorher müssen bereits vorhandene Terminanfragen bearbeitet werden.
Hinsichtlich der Dauer des eigentlichen Verfahens, also beginnend mit dem Termin in der Botschaft, kann man wohl von rd. 4 Monaten ausgehen, wenn es sich um einen klaren Fall handelt: Vier Wochen sind für die Übersendung und Weiterleitung der Unterlagen von der Auslandsvertretung normal. Dazu kommen sicher mind. vier Wochen Ausländerbehörde und vier Wochen beim Bundesverwaltungsamt. Danach muss die Botschaft das verfahren abschließen.
Diese ca. 4 Monaten reine Verfahrenszeit unterstellt, ergeben sich dann zumindest im Fall Beirut rd. 16 Monate. Ein am 01.08.2018 beantragter Termin könnte demnach erst im November/Dezember 2019 mit der Visumerteilung abgeschlossen sein.
Auch für Visa aus Afghanistan sind die Wartezeiten erheblich. 1. ist die Beantragung nur über die Botschaften in Neu-Delhi (Indien) und Islamabad (Pakistan) möglich, was ein weiteres Visum zur dortigen Einreise erforderlich macht. 2. Betragen die Wartezeiten für Neuanträge auch hier inzwischen 12 Monate.
Zu den Zeitabläufen in Beirut ist zugegebenermaßen auch ein wenig Spekulation dabei. Andererseits geht es uns um ein realistisches Bild und auch darum, nicht übertriebene Erwartungen bei den Betroffenen zu schüren.
Beim Familiennachzug zu anerkannten Geflüchteten sind die Zeitabläufe von Beirut vom Botschaftstermin bis zur Entscheidung bzw. Visumvergabe derzeit bei rd. 8-9 Monaten.
Verfahren
Sofern am jeweiligen Standort IOM vor Ort ist (Istanbul, Beirut, Amman und Erbil) erfolgt unaufgefordert nach Terminbeantragung und zeitlich relativ dicht für dem Termin in der Botschaft ein vorgeschalteter Termin bei IOM. IOM kontaktiert die Antragsteller selbständig.
Im Fall von Erbil ist dieser Termin verpflichtend, weil letztlich das gesamte Visumverfahren via IOM läuft. An allen anderen Standorten ist der Termin freiwillig, aber dringend empfehlenswert, denn bis auf Istanbul nimmt IOM auch dort die Anträge stellvertretend für die Botschaft entgegen.
IOM prüft die vorzulegenden Unterlagen und verschiebt auch einen bereits erteilten Botschaftstermin in Abstimmung mit Botschaft und Antragsteller, wenn z.B. Unterlagen noch fehlen sollten.
Sondertermine gibt es unverändert für Angehörige zum Nachzug zu unbegleiteten Minderjährigen und in medizinischen Notfällen. Diese können auch beim in Deutschland Lebenden bestehen, nicht nur beim nachziehenden Familienangehörigen.
Wesentliche Merkmale dafür sind 1. akute Fälle, 2. dringend notwendige Behandlung und 3. die Unmöglichkeit einer Behandlung im jeweiligen Land.
Grundsätzlich lassen sich lt. IOM zu den Fragen des Nachweises medizinischer Behandlungen bzw. Krankheiten folgende Hinweise geben:
- die tatsächlichen Umstände, auf deren Grundlage eine fachliche Beurteilung erfolgt ist: Dies kann z.B. durch die Darstellung der Krankheitsvorgeschichte sowie Zeitpunkt oder Zeitraum der entsprechenden Tatsachenerhebung erfolgen;
- die Methode der Tatsachenerhebung: z.B. durch Angabe, welche Untersuchungen ggfs. vorgenommen worden sind, um andere Befunde auszuschließen; sind einzelne Tatsachen unter Hinzuziehung anderer Angehöriger von Heilberufen ermittelt worden, ist dies substantiiert anzugeben; ebenso ist anzugeben, welche Angaben (insbesondere zur Anamnese) auf eigenen Angaben des betroffenen Ausländers oder auf Angaben Dritter, etwa von Angehörigen, beruhen;
- die fachlich-medizinische Beurteilung des Krankheitsbildes (Diagnose): Es handelt sich um die Schlussfolgerung, die sich aus den gemäß a dargestellten Tatsachen nach Anwendung der gemäß b genannten Untersuchungen nach dem Stand der Medizin fachlich ergibt;
- den Schweregrad der Erkrankung: Hierbei handelt es sich um ein Element der fachlich-medizinischen Beurteilung; auch die Angaben zum Schweregrad der Erkrankung sind also aus den gemäß a dargestellten Tatsachen nach Anwendung der gemäß b genannten Untersuchungen abzuleiten;
- die Folgen, die sich nach ärztlicher Beurteilung aus der krankheitsbedingten Situation voraussichtlich ergeben: Hierbei ist auf die Folgen für die Gesundheit des betroffenen Ausländers abzustellen, die mit einer freiwilligen Rückkehr oder einer zwangsweisen Rückführung einhergehen würden; es muss ein Bezug zur Erkrankung und ihrem Schweregrad bestehen; beachtlich sind nur ärztlich beurteilbare Schlussfolgerungen in der Bescheinigung, nicht aber zum Beispiel Mutmaßungen zu Verhältnissen in einem möglichen Zielstaat nach einer Rückkehr des betroffenen Ausländers; zulässig und beachtlich sind allerdings etwa Ausführungen zu gesundheitlichen Folgen, wenn bestimmte Behandlungs- oder Therapiemöglichkeiten entfallen.
- Wenn das Attest nicht in deutscher oder englischer Sprache vorliegt, fügen Sie bitte eine beglaubigte Übersetzung bei. In Beirut und Amman kann auch eine medizinische Begutachtung durch IOM erfolgen. Hierfür wenden Sie sich bitte an mhfap.lb@iom.int. Allgemeine Fragen zum medizinischen Dienst von IOM richten Sie bitte an fap.mha@iom.int.
Hinsichtlich medizinischer Begutachtungen und Atteste müssen diese in deutsch oder in englisch vorliegen. Daneben oder auch ergänzend kann man in Beirut zum IOM-Vertrags-Arzt gehen. Dieser überprüft Atteste bzw. nimmt auch Untersuchungen vor. Dies ist zwar mit Kosten verbunden, die aber mit 30 $ bzw. 100 $ überschaubar sind.
Weitere Details, insbesondere zum Verfahren der konkreten Auswahl und der Bildung des „Rankings“ beim Bundesverwaltungsamt, sind auch IOM nicht bekannt. Auch der Umgang z.B. mit dem auf Platz 1.100 gelisteten Visum-Antrages ist noch unklar.
Wir werden bei Klarheit hierüber weiter aktualisieren.
Information über den Verfahrensstand
Offen bleibt auch, ob und wie Betroffene über den jeweiligen Stand ihres Verfahrens informiert werden. Es ist zu erwarten, dass es keine Zwischennachrichten geben wird. Im Idealfall kommt es nach den von uns prognostizierten vier Monaten zu einer Visumerteilung. Anderenfalls kann es natürlich auch nach ähnlichem Zeitraum eine Ablehnung geben.
Problematisch sind mit Sicherheit die Fälle, bei denen zwar die Voraussetzungen grundsätzlich erfüllt sind, jedoch die Anzahl der bereits erteilten Visa die 1.000 erreicht. Vermutlich werden dann Betroffene nichts Konkretes erfahren, sondern schlicht darauf hoffen müssen, ob sie in den folgenden Monaten dabei sind oder nicht. Eine Zwischennachricht ist zum Verfahren nicht erwartbar.
Super INFORMATIV web-Seite!
Compliment!