Nachzug zu nun volljährigen anerkannten UMF: Was kann man nach EuGH-Urteil tun?

 

 

Ein aktuelles Urteil des Europäischen Gerichtshofes hat unter bestimmten Umständen Auswirkungen auf den Nachzug weiterer Familienmitglieder bei Menschen, die als unbegleitete Minderjährige eingereist und als Flüchtlinge anerkannt wurden, die aber bei Asylentscheidung bereits volljährig waren. (Aktualisiert 06.07.2018).

Bisher kann der vereinfachte Nachzug der Eltern zu als Flüchtling anerkannten UMF nur dann erfolgen, wenn die Eltern noch vor Volljährigkeit ein Visum erteilt bekommen haben. 

Dieses EuGH-Urteil ändert die Rechtslage nun. Der EuGH hat entschieden, dass der Nachzugsanspruch auch nach Eintritt der Volljährigkeit erhalten bleibt, wenn dann der Antrag auf Nachzug binnen drei Monaten nach Anerkennung als Flüchtling gestellt wird.

Der Gerichtshof stellt fest, dass die praktische Wirksamkeit des Rechts auf Familienzusammenführung in Frage gestellt würde, wenn es davon abhinge, zu welchem Zeitpunkt die zuständige nationale Behörde förmlich über die Anerkennung des Betroffenen als Flüchtling entscheidet, und damit von der mehr oder weniger schnellen Bearbeitung des Antrags auf internationalen Schutz durch diese Behörde. […] In einer solchen Situation muss jedoch der Antrag auf Familienzusammenführung innerhalb einer angemessenen Frist gestellt werden, und zwar grundsätzlich innerhalb von drei Monaten ab dem Tag, an dem der Minderjährige als Flüchtling anerkannt worden ist.

(Quelle: Pressemitteilung EuGH)

Was ist nun zu tun?

Innerhalb der letzte 3 Monate anerkannte Flüchtlinge

Ist jemand innerhalb der letzten 3 Monate als Flüchtling anerkannt worden, aber inzwischen volljährig geworden, ist in den meisten Fällen aufgrund der bisherigen Rechtslage vermutlich kein Nachzug angemeldet worden. Dies sollte man nun schnellstmöglich nachholen und diese Frist wahren. 

Gleiches gilt für zukünftige Fälle dieser Art natürlich ebenso.

Anerkennung als Flüchtling, aber bisher ohne Antrag

Vermutlich ist dies der häufigste Fall, weil Menschen in Kenntnis der bisherigen Rechtslage auf einen Antrag schlicht verzichtet haben.

Hier muss man zunächst einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand stellen. 

Nach § 32 Abs. 2 VwVfG ist der Antrag innerhalb von zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses zu stellen. Wegfall dieses Hindernisses ist das Urteil. Wenn man die Veröffentlichung des EuGH-Urteils als Ausgangspunkt nimmt, hieße das, dass bis spätestens Donnerstag, 26.04. (24 Uhr), der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bei der zuständigen Behörde eingegangen sein sollte. Parallel dazu sollte man innerhalb dieser Frist auch den Antrag auf Nachzug stellen.

Anerkennung als Flüchtling und bereits abgelehnter Nachzugsantrag

Hier gilt grundsätzlich das Gleiche. Zusätzlich gibt es noch die Rechtsmittel der Remonstration im abgelehnten Visumverfahren, bei der die Frist ein Jahr beträgt.

Aber auch hier gilt im Idealfall die Einhaltung der 2-Wochen-Frist (inzwischen abgelaufen).

Welche Möglichkeiten gibt es nach Ablauf der Frist 26.04.?

a) Wiederaufgreifen des Verfahrens (§ 51 Abs.1 VwVfG)

Voraussetzungen:

  • unanfechtbare Ablehnung des früheren Antrags auf Elternnachzug
  • geänderte Sach- oder Rechtslage – hier besteht das schwierige Problem darin, dass auch höchstgerichtliche Urteile einschließlich derjenigen des EuGH nach herrschender Meinung ohne Änderung des nationalen Gesetzes nicht zu einer geänderten Rechtslage führen. Hierzu gibt es jedoch abweichende Meinungen (s.u.).
  • Antrag innerhalb von 3 Monaten ab Kenntnis vom Grund bei der zuständigen Stelle (hierfür das negativ abgeschlossene Visumverfahren zuständige deutsche Auslandsvertretung)Aussetzte Punkt abgeleitet ergibt sich der 11.07.2018 als möglicher Fristablauf, weil dann drei Monate nach Urteilsverkündung abgelaufen sind. Auf hier ist jedoch nicht ausgeschlossen, dass sich diese Frist noch Über den 11.07. verlängert, weil man nicht unterstellen kann, dass ein Betroffener tagesaktuell Urteile des EuGH liest.

ALTERNATIV

 

b) Antrag auf (ermessensfehlerfreie) Entscheidung über eine Rücknahme (§ 48 VwVfG) 

Voraussetzungen:

  • unanfechtbare Ablehnung des früheren Antrags auf Elternnachzug auf Grund der eingetretenen oder kurz bevorstehenden Volljährigkeit
  • die frühere Ablehnung kann nach Ermessen zurückgenommen werden, wenn sie rechtwidrig war (oder heute wäre)

Frist hierfür ist 1 Jahr nach Kenntnis, sofern keine Rechtsmittelbelehrung erfolgte, was normalerweise im Visum-Vierfahren nicht der Fall ist.

c)  Es wurde noch nie ein Antrag auf Elternnachzug gestellt, weil man aufgrund der bisherigen Rechtslage darauf verzichtete

In diesen Fällen kann und sollte man versuchen, unter Hinweis auf die EuGH-Rechtsprechung unverzüglich ab Kenntnis des Urteils einen Antrag auf Elternnachzug bei der zuständigen deutschen Auslandsvertretung zu stellen.

Es spricht Einiges dafür, dass auch nach Ablauf dieser Fristen weiter Rechtsmittel bestehen könnten. 

Das BBZ schreibt hierzu:

Es ist gut möglich, dass Behörden und Gerichte später entscheiden, dass die Einhaltung der Zwei-Wochen-Frist nach Veröffentlichung des EuGH-Urteils (ohne, dass die deutsche Bundesregierung mitgeteilt hat, wie sie das Urteil umsetzen möchte) den Leuten nicht zugemutet werden kann, also auch ein späterer Antrag wirksam ist. Das sollte so schnell wie möglich mit fachkundigen Rechtsanwält_innen geklärt werden. Aber wir denken, dass es ratsam ist, sicherheitshalber den Antrag innerhalb dieser Frist zu stellen, wenn es irgendwie möglich ist. Schaden wird es jedenfalls nicht.

Rechtlicher Hintergrund ist zu § 51 VwVfG.

Hiernach wird jedoch eine geänderte Rechtslage vorausgesetzt. Eine neue höchstrichterliche Rechtsprechung ist dabei zwar keine geänderte Rechtslage, aber es wird vertreten, dass eine Änderung der Rechtsprechung, die dann zu einer Änderung der allgemeinen Rechtsauffassung führt, wiederum eine Änderung der Rechtslage darstellt.

Denkbar ist auch, dass durch die Bundesregierung bzw. die verantwortlichen Ministerien eine Anpassung der Verfahren und auch eine rückwirkende Umsetzung erfolgen könnte. Dies ist jedoch noch offen und nicht beantwortet. 

Eine mündliche Anfrage der Linken im Bundestag bliebt mehr oder weniger unbeantwortet. Jedenfalls muss sich die Bundesregierung erst noch mit den Auswirkungen befassen.

In jedem Fall sollte eine individuelle und umfassende anwaltliche Beratung zu diesem Thema erfolgen. Bereits von Rechtsanwälten vertretene Menschen sollten sich schnell mit ihrem Anwalt hierzu in Verbindung setzen. Dies ist auch deshalb wichtig, weil u.U. die Einleitung eines Widerrufsverfahrens bei Antrag auf Nachzug droht.

 

Leider hat das Urteil keine Auswirkungen auf Menschen mit subsidiärem Schutz.

 

Links und Unterlagen

Plenarprotokoll 19_25_Umsetzung EuGH UMF FNZ_Jelpke

BBZ-Formular_für_Familiennachzug_zum_UMF_nach_EuGH-Urteil

Beitrag Asyl.net mit Link zum kompletten Urteil

1 Gedanke zu „Nachzug zu nun volljährigen anerkannten UMF: Was kann man nach EuGH-Urteil tun?“

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