Die aktuelle Jahrespressekonferenz des OVG Berlin/Brandenburg zeigt auch dort massiv gestiegene Fallzahlen. Gleichzeitig wird deutlich, dass eine 2. Instanz nach der ersten Verwaltungsgerichtsentscheidung die Ausnahme ist.
Stand beim Verwaltungsgericht Berlin
Der Stand offener Verfahren alleine in Asylsachen hat sich jeweils per Jahresende von 7.776 (31.12.2016) auf nunmehr 13.603 (31.12.2017) um fast 90% erhöht. Dabei darf nicht unerwähnt bleiben, dass der Stand Ende 2015 bei 1.145 Verfahren lag.
Von Ende 2015 hat sich also die Anzahl der Verfahren um unglaubliche 1.188 % erhöht.
Hauptherkunftsländer für sind dabei die „üblichen“, also Syrien, Afghanistan, Irak, Iran, Pakistan und Türkei.
Wesentlich interessanter ist der Umstand, dass es dem Verwaltungsgericht Berlin offenbar durch eine deutliche Erhöhung der Richterstellen von rd 82 auf nun rd. 96 Volllzeitstellen die Verfahrenslaufzeiten nach eigenen Angaben zu senken.
So sank die durchschnittliche Bearbeitungsdauer von rd. 8,6 Monaten in 2015 auf nun 7,3 Monaten in 2017. Dabei bleibt dies ein rein statistischer Wert, der deutlich längere Verfahrensdauern nicht ausschließt.
Ebenso ist dabei zu bedenken, dass in den bereits erledigen Fällen im Vergleich zu den noch offenen nicht klar ist, ob z.B. nur die sog. „einfachen“ Fälle nun erledigt wurden, um die Statistik zu verbessern, aber in den offenen Fällen noch viele hängen, die bereits seit Jahren dort liegen und wie sich dies zukünftig entwickelt.
Zudem hat die Statistik sicherlich davon profitiert, dass in 2017 mehrere neue Kammern ausschließlich für Asylrecht geschaffen wurden. Diese neuen Kammern kamen ja unbelastet mit bereits anhängigen Verfahren frisch an den Start und haben zum Teil ziemlich rasant mit der Bearbeitung und auch dem Abschluss von Verfahren begonnen.
Es wurden z.B. mehrere Kammern mit nahezu ausschließlicher Zuständigkeit für Afghanistan neu gegründet. Natürlich sind dort erst einmal auch schnelle Verfahrensdauern zu erwarten. Laufen diese Kammern über neue Fälle aber wieder zu, verlängern sich auch die Laufzeiten der Verfahren wieder.
Es sei erinnert an die Erhöhung der Fallzahlen um rd. 90 %. Dem halten die Erhöhungen der Richterstellen jedoch nicht stand.
Insofern gehen wir realistisch immer noch von mindestens 12 Monaten Verfahrensdauer aus, selbst wenn sich dies bei einzelnen Fällen als zu lang herausstellen sollte.
Fakt ist jedenfalls, dass das Berliner Verwaltungsgericht zu fast 75% mit Asyl- und Aufenthaltsrecht beschäftigt ist und bleiben (Zuordnung für in 2017 eingegangene Fälle).
Situation beim OVG Berlin-Brandenburg
Auf deutlich kleinerer Flamme kocht das OVG, zumindest was die absoluten Fallzahlen betrifft. Im Ergebnis rollt die Verfahrenswelle jedoch weiter und steigert die Fallzahlen auch hier drastisch.
Von 44 offenen Verfahren Ende 2015 über 67 Ende 2016 sind nun Ende 2017 insgesamt 331 Verfahren mit Asylrechtsbezug offen. Auch hier kommt also die „Welle“ der Asylrechts-Fälle in massiver Form an.
Erkennbar ist dabei jedoch der deutliche Unterschied der absoluten Fallzahlen. Ebenfalls erkennbar ist dadurch, dass das OVG eben nicht wie im Zivilrecht ein klassische 2. Instanz ist.
Fälle, die beim OVG landen, müssen dort erst zur Revision zugelassen werden. Die ist unter folgenden Bedingungen möglich:
§ 124 Abs 2 VGO:
Die Berufung ist nur zuzulassen,
1. wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
2. wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
3. wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
4. wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
5.wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
Um es insofern deutlich zu machen: Eine „nur“ unterschiedliche Rechtsauffassung in Beurteilung und Auslegung von vorgetragenen Gründen in der ersten Instanz reicht nicht aus. In einem Zivilprozess wäre dies so, aber nicht im Verwaltungsrecht.
Wir bitten dies Helfenden und Beratenden grundsätzlich auch zu bedenken.
Um dies in Zahlen deutlich zu machen:
Von den in 2017 beantragten Berufungen wurden am Ende nur 19 % tatsächlich zugelassen. Von den in 2017 entschiedenen Berufungsfällen hatten 25 % Erfolg.
Dies soll nicht ermutigen, eine Berufung grundsätzlich nicht in Erwägung zu ziehen, es soll nur deutlich machen, dass es strenge Grenzen hierfür gibt und diese Grenzen auch für die Erfolgsaussichten gelten.
Zusammenfassung
Die Fallzahlen beim Verwaltungsgericht Berlin sind innerhalb von 3 Jahren um 1.188 % gestiegen.
Die Verfahrensdauer hat sich verkürzt, wobei dies nichts über den individuellen Fall aussagt und viele Fälle jahrelang anhängt sind und bleiben.
Die Verfahrenszahlen beim OVG Berlin-Brandenburg haben sich seit 2015 um 750% erhöht.
Die Erfolgsaussichten sind jedoch für Zulassung und nach dieser für einen Erfolg in der Sache eher gering.