Aus den Koalitionsverhandlungen R2G in Berlin zum Thema Geflüchtete

Der letzte Stand zum Thema Geflüchtete aus den Koalitionsverhandlungen: Was letztlich dann in einem Koalitionsvertrag steht, bleibt den noch bevorstehenden Endverhandlungen vorbehalten. Ohnehin steht alles, was bisher gesagt wurde, noch unter dem allgemeinen Finanzierungsvorbehalt.

Ob sich demnach, und wenn dann wie, an diesem Stand noch etwas ändert, kann man nicht sagen. Zudem werden sicherlich noch weitere Details ausgehandelt worden sein, die in dieser Zusammenfassung  nicht auftauchen.

 

Unsere Bemerkungen

Aus diesen Gründen wollen wir im Moment auch nicht eine Kommentierung zu einzelnen Themen und Bereichen vornehmen. Dennoch möchten wir die folgenden Anmerkungen machen:

  • Viele Punkte sind im Moment erst einmal plakativ und müßten in der realen Umsetzung noch mit Leben erfüllt werden. Insofern kann man auch hier nicht genau sagen, was die Vereinbarungen dann real bedeuten werden.
  • “Wird sich einsetzen”, “streben wir an” usw, sind Formulierungen, die schon erkennen lassen dass es in manchen Fällen beim Versuch – insbesondere bei Initiativen auf Bundesebene –  wohl eher bleiben wird. Dennoch zählt natürlich schon der Versuch.
  • In manchen Fällen fragt man sich dann nach der konkreten Umsetzungsmöglichkeit: Unterbringung in Wohnungen ist ein erstrebenswertes Ziel, scheitert aber an den fehlenden Wohnungen, wenn die konkreten Konzepte dazu nicht mit vorgestellt werden.
  • Manche Dinge sind auch jetzt schon umgesetzt und insofern nichts Neues.
  • Der Zeithorizont mancher Vereinbarung ist erst Richtung Ende 2017 wirksam, wenn man sich damit beeilt.

Neben dem allgemeinen Finanzierungsvorbehalt werden zudem der spätere Ressort-Zuschnitt der Senatsverwaltungen und auch die Kompetenzen wichtig werden. Gleiches gilt für die mindestens ebenso wichtigen jeweiligen Etats und auch die Zuordnung von Zuständigkeiten und Verantwortung.

Im Moment haben wir mind. fünf Senatsverwaltungen (Finanzen, Soziales, StadtUm, AIF, Inneres), die Senatskanzlei, das LAF, die BIM und die ABH, die im Thema insgesamt mitmischen. Aus unserer Sicht ist es essentiell, wenn dieses Wirrwarr zumindest zum Teil aufgelöst und klarer strukturiert wird. Auch, ob es dazu am Ende überhaupt kommen wird, ist wohl noch offen.

Die Richtungen sind dabei ja positiv, uns fehlt bisher dennoch das eine oder andere klare Bekenntnis und Statement. Das kann alles noch kommen deshalb wollen wir auch nicht abschließend bewerten.

 

Hier nun die konkreten Aussagen und Formulierungen ohne Änderungen (Quelle Die Linken Berlin):

Aufenthaltsrecht

· Rot-Rot-Grün will die landesrechtlichen Spielräume im Aufenthalts- und Asylrecht nutzen, um Integration zu erleichtern und Bleibeperspektiven auch in bislang ungelösten Fällen zu ermöglichen.

· Eine Expert*innenkommission wird unter Beteiligung verschiedener zivilgesellschaftlicher Organistionen Empfehlungen für die Überarbeitung der Verfahrenshinweise der Ausländerbehörde Berlin (VAB) erarbeiten.

· Berlin wird keine landesinterne Wohnsitzauflage erlassen

· Die Härtefallkommissionsverordnung wird überarbeitet und Entscheidungen transparenter

· Die Koalition wird verstärkt auf die Förderung einer unterstützten Rückkehr, statt auf eine reine Abschiebepolitik setzen und bestehende Programme bei Bedarf durch ein Landesprogramm verstärken. Direktabschiebungen aus Schulen, Jugendeinrichtungen und Krankenhäusern sowie die Trennung von Familien bei Abschiebungen und Rückführungen in Regionen, in die Rückführungen aus humanitären Gründen nicht tragbar sind, wird es nicht mehr geben. Der Anspruch auf anwaltliche Betreuung und Begleitung gilt auch während der Vollstreckung aufenthaltsbeendender Maßnahmen. Die Koalition hält Abschiebehaft und Abschiebegewahrsam grundsätzlich für unangemessene Maßnahmen und wird sich deshalb auf Bundesebene für deren Abschaffung einsetzen.

· Die Koalition wird im Bundesrat Initiativen ergreifen, um die Einbürgerungsquote zu erhöhen und gleichzeitig seine landesrechtlichen Möglichkeiten für Einbürgerungen ausschöpfen.

· Wir wollen die landesrechtlichen Möglichkeiten ausschöpfen, um Familiennachzug zu erleichtern. Wir streben eine Bundesratsinitiative mit dem Ziel an, den Familiennachzug auf sonstige Angehörigen auszuweiten, insbesondere für Verwandte zweiten Grades (d.h. Eltern u.ä.) und für volljährige Kinder. Die Koalition spricht sich gegen die Aussetzung des Familiennachzugs für subsidiär Schutzberechtigte aus. Das Landesprogramm für syrische Geflüchtete wird weitergeführt und um die Gruppe der irakischen Geflüchteten erweitert.

· Die Koalition strebt auf Bundesebene eine Erleichterung der Gewährung eines humanitären, alters- und stichtagsunabhängigen Bleiberechts für langjährig Geduldete an und wird sich gegen eine Ausweitung der sicheren Herkunftsländer und für die Abschaffung des Flughafenverfahrens einsetzen.

 

Roma

· Berlin wird die kontinuierliche Zusammenarbeit mit dem »Landesrat der Roma und Sinti, RomnoKher Berlin-Brandenburg e.V.« in einem Rahmenvertrag neu regeln.

· Das Problem der Vermietung unbewohnbaren Wohnraums an Menschen und der Überbelegung wird angegangen und dazu u.a. das Wohnungsaufsichtsgesetz zu einem wirksamen Instrument für die Bezirke gemacht.

· Das Bezirksprogramm soll aufgestockt werden.

 

Arbeitsmarktintegration von Geflüchteten

· Die Koalition wird auf Landesebene Deutschkurse auch für diejenigen, die bisher von den Angeboten des BAMF ausgeschlossen sind, anbieten und bedarfsdeckend ausbauen.

· Bis Mitte 2017 wird ein umfassendes Konzept für die Arbeitsmarktintegration von Geflüchteten vorgelegt, das von der Erstberatung bis zum Ausbildungs- oder Arbeitsvertrag die notwendige Begleitung beinhaltet. Für Frauen werden spezifische Maßnahmen zur Beratung und Unterstützung entwickelt.

· Alle Geflüchteten sollen zukünftig unmittelbar nach der Ankunft eine Erstberatung über den Zugang zu Bildung, Erwerbsarbeit und Ausbildung in Anspruch nehmen können. Angestrebt wird die Bildung eines Kompetenzzentrums in Kooperation mit den Kammern und den Berufsschulen um auch nicht-formale Kompetenzen zu erfassen und für Arbeitgeber*innen nachvollziehbar zertifizieren.

· Das Projekt »Arrivo« wird ausgebaut.

 

Allgemeine Arbeitsmarktintegration

· Die Koalition wird das anonymisierte Bewerbungsverfahren schrittweise in den Berliner Behörden und den Unternehmen mit Landesbeteiligung einführen, um einen diskriminierungsfreieren Zugang zu Ausbildung und Beruf zu unterstützen.

· Das Anerkennungsverfahren von im Ausland erworbenen beruflichen Qualifikationen soll verbessert und verkürzt, die Anerkennung von Teilqualifikationen gesichert werden.

 

Partizipations- und Integrationsgesetz (PartIntG)

· Das PartIntG wird evaluiert und weiterentwickelt.

· Der Öffentliche Dienst wird Vorbild für die berufliche Förderung von Menschen mit Migrationshintergrund und Diskriminierungserfahrung und ein Leitbild interkulturelle Öffnung der Verwaltung entwickeln. Die Koalition wird den Anteil von im öffentlichen Dienst und in den landeseigenen Unternehmen Beschäftigter mit Einwanderungsgeschichte erhöhen.

 

Partizipations- und Integrationsprogramm

· die Mittel zur Förderung von Migranten- und Geflüchtetenorganisationen aus dem »Partizipationsprogramm« werden erhöht

· Die Werkstatt der Kulturen wird als Kultureinrichtung und Plattform für die vielfältige kulturelle Entwicklung Berlins neu ausgeschrieben.

· Für den Karneval der Kulturen stellt Berlin langfristig eine auskömmliche Basisfinanzierung aus öffentlichen Mitteln bereit

 

Unterbringung und Versorgung geflüchteter Menschen

· Die Koalition möchte geflüchtete Menschen zügig in Wohnungen unterbringen. Sie wird die Voraussetzungen und Grundlagen für eine bedarfsgerechte und humanitäre Versorgung schaffen sowie benötigte Ressourcen bereitstellen, um die Geflüchteten in Wohnungen, hilfsweise in geeigneten Erstaufnahme- und Gemeinschaftsunterkünften unterzubringen.

· Die Neustrukturierung im Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten (LAF) – als Teil einer Berliner Willkommensinfrastruktur – wird fortgeführt. Es wird ausreichend Personal rekrutiert, um zu geordneten Verwaltungsverfahren zurückkehren zu können.

· Die Koalition wird die Abstimmungs- und Steuerungserfordernisse stärker mit den bezirklichen Belangen und Strukturen verzahnen, um die bedarfsgerechte Information und Versorgung der Geflüchteten zu sichern. Dazu gehören auch Information und Einbindung der Anwohner*innen bei neu zu errichtenden Unterkünften sowie die Sicherstellung der notwendigen kommunalen Infrastrukturen wie Kindertagesstätten und Schulen einschließlich deren struktureller, organisatorischer und finanzieller Untersetzung.

· Die Koalition will Geflüchteten den individuellen Zugang zum Wohnungsmarkt ermöglichen. Dafür wird geprüft, wie allen Geflüchteten, ähnlich wie in Bremen und Niedersachsen, die Anmietung einer »Sozialwohnung« mit Wohnberechtigungsschein ermöglicht werden kann.

· Um Groß- und Notunterkünfte, insbesondere die Hangars des ehemaligen Flughafens Tempelhof, das ICC und Turnhallen zügig zu schließen, wird ein verbindlicher Maßnahmenplan vorgelegt. Dieser wird auf Grundlage verschiedener Einzelmaßnahmen wie den Umbau landeseigener und Bundesimmobilien, der Realisierung der Modularen Unterkünfte als Wohnungen sowie durch die Unterbringung in privaten Netzwerken und durch integrative Wohn- und Selbsthilfeprojekte umgesetzt. Vorübergehend wird die Koalition mit gewerblichen Beherbergungsbetrieben Kontingentvereinbarungen abschließen.

· Die Koalition verpflichtet sich, ein unabhängiges, effektives, transparentes und nachvollziehbares Beschwerde- und Kontrollmanagement (»Heim-TÜV«) einzuführen. Prüfergebnisse werden veröffentlicht und in die Vergaben einbezogen. Die regelmäßige Ausstattung der Unterkünfte mit WLAN gehört zu den Anforderungen an Unterkünfte.

· Für mögliche künftige Fluchtbewegungen werden wir ein Konzept entwickeln, um eine personelle und räumliche Reserve vorzuhalten.

· LSBTTIQ*, ethnische und religiöse Minderheiten und alleinstehende Frauen gelten auch weiterhin als besonders schutzbedürftig im Sinne der EU-Aufnahmerichtlinie. Entsprechend sind Angebote des Schutzes und der Beratung sicherzustellen und kontinuierlich auszuweiten.

Nach den vorstehenden Grundsätzen wird die Koalition zusammen mit der Stadtgesellschaft ein neues Konzept zur Integration und Partizipation geflüchteter Menschen entwickeln.

Wir wollen die Integrationsforschung durch ein Bundesinstitut für Integrations- und Migrationsforschung an einer Berliner Universität unterstützen.

2 Gedanken zu „Aus den Koalitionsverhandlungen R2G in Berlin zum Thema Geflüchtete“

  1. Das klingt doch schon mal gut. Hoffen wir, dass alle Maßnahmen zügig und ohne Abstriche umgesetzt werden.

    Ich kann mir allerdings auch den Hinweis nicht verkneifen, dass das durch einen Koalitionswechsel auch schon vor einem Jahr möglich gewesen wäre, liebe SPD. Und es hätte sehr viel Leid erspart …

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