Mietendeckel für Geflüchtete: Die Realität schlägt oft die Theorie

Der Berliner Wohnungsmarkt ist ohnehin schon ein bekanntermaßen schwieriger. Für Menschen mit Migrationshintergrund ist er noch komplizierter, für geflüchtete Menschen erhöhen sich die Probleme noch einmal.

Seit einigen Jahren haben wir einen sog. „Vermietermarkt“. Vermieter*innen können sich ihre Mieter*innen aus einer großen Zahl von Bewerbungen aussuchen. Dabei finden sich Menschen mit ausländischen Namen oder eben mit Fluchthintergrund und (manchmal vermeintlich) unklarer Perspektive auf den letzten Plätzen in den internen „Bewerber-Ranglisten“.

Geflüchtete sind sehr oft auf staatliche Unterstützung angewiesen. Dies betrifft auch den Abschluss von neuen Mietverträgen oder die Zahlung der Miete für bestehende Verträge. Die Neuvermietung hält sich dabei an enge finanzielle Grenzen, auch wenn diese in den letzten Jahren erfreulicherweise immer mehr angehoben wurden.

Inzwischen gilt in Berlin der Mietendeckel. Mieten, die in den letzten Jahren exorbitant gestiegen sind, sollen nun durch eine gesetzliche Deckelung begrenzt werden. Dabei können Mieter*innen mit bestehenden Mietverträgen eine Senkung verlangen. Mieter*innen, die eine neue Wohnung suchen, sollen ebenfalls nur noch eine geringere Miete auf Höhe des Mietendeckels zahlen.

Gegen diesen Mietendeckel laufen derzeit noch Klagen, insbesondere vor dem Bundesverfassungsgericht, das bis Mitte 2021 entscheiden will. Daneben gibt es bei der Neuvermietung inzwischen jedoch die gängige Praxis, dass Vermieter*innen zwar zunächst die gedeckelte Miete vereinbaren, daneben aber auch vertraglich festschreiben wollen, dass im Falle der gerichtlichen Aufhebung des Mietendeckel-Gesetzes wieder die höhere Marktmiete gezahlt werden muss.

Das BVerfG hat diese Praxis als grundsätzlich möglich erklärt (BVerfG, Beschl. v. 10.03.2020 – 1 BvQ 15/20, Rn. 27), auch wenn es dazu noch keine individuelle Rechtsprechung gibt. Demnach legen Vermieter*innen sehr oft Mietverträge mit dieser sog. „Schattenmiete“, also einer höheren als nach Mietendeckel, vor.

Inzwischen sind Vermieter*innen bei einem bereits bestehenden Mietvertrag auch zur Absenkung einer überhöhten Miete gesetzlich verpflichtet. Viele tun dies auch, andere müssten jedoch dazu noch gezwungen werden.

Im Ergebnis führt das Mietendeckel-Gesetz, aber auch die Praxis der Vermieter*innen für Geflüchtete dazu, dass sich der Mietmarkt nicht verbessert hat. Zudem stellen sich durch die Mietübernahme durch Jobcenter, LAF oder soziale Wohnhilfe noch zusätzliche Probleme:

Neuvermietung

Wenn die Mietendeckel-Miete noch innerhalb der Grenzen, die von den Ämtern gesetzt werden, liegt, ist es die Marktmiete, die als „Schattenmiete“ weiter hinten vereinbart wird, dann nicht mehr. Deshalb verweigern Jobcenter oder soziale Wohnhilfen oft die Mietübernahme, weil dann aus ihrer Sicht die sogenannten Kosten der Unterkunft die zulässigen Grenzen übersteigen würden.

Formell begründet wird dies damit, dass die Kosten der Unterkunft nur in „angemessener“ Höhe übernommen werden dürften. Dies wäre bei der Schattenmiete dann nicht mehr der Fall – wenn sie denn tatsächlich wirksam zum Tragen käme. Dies passiert allerdings ja nur dann, wenn das aktuell bestehende Gesetz tatsächlich komplett gekippt würde.

Die tatsächlich vereinbarte Miete könnte hingegen von den Kostenträgern auch problemlos akzeptiert werden, weil die „Schattenmiete“ ja rechtlich derzeit gar nicht zulässig vereinbart werden kann. Dennoch wird dies in der Praxis leider oft nicht so gemacht und führt dazu, dass Mietangebote wegfallen.

Zuschläge bei Auszug aus der Unterkunft

Ein ähnliches Problem tritt auf, weil für Geflüchtete in Unterkünften ein 20% iger Zuschlag zu den gültigen Mietobergrenzen für die Kosten der Unterkunft zulässig ist, wenn sie aus einer (noch wesentlich teureren) Unterkunft kommen und dort ausziehen. Wirtschaftlich macht der Auszug in eine Wohnung allein deshalb schon immer Sinn, von der klar verbesserten Situation in eigener Wohnung ganz zu schweigen.

Mit diesem Zuschlag liegt die mögliche Miete jedoch teilweise über den Grenzen durch das Mietendeckel-Gesetz. Auch hier wird von den Trägern der Kosten der Unterkunft nun oft auf den Mietendeckel verwiesen und dann eine Zustimmung zum Mietvertrag verweigert. Begründung siehe oben.

WG-Zimmer

Ein ganz eigenes Problem: Oft wurde in der Vergangenheit das WG-Zimmer für den Höchstsatz der AV-Wohnen vermietet, teilweise auch mit 20% Zuschlag. Damit kamen real rd. 550 € Warmmiete pro Zimmer zusammen, die bisher angemessen waren. Nun gilt auch hier der viel geringere Mietendeckel-Wert.

Gerade bei WG-Zimmern ist jedoch die Realität, dass dann an den*die nächsten Bewerber*in vermietet wird, der*die die eigentlich unzulässige Miete akzeptiert, aber eben nicht zum Mietendeckel an Geflüchtete. Zudem sind bei einer immer mehr um sich greifenden „möblierten“ Vermietung mit einem Bett kurz vor dem Sperrmüll die rechtlichen Grenzen noch einmal komplexer. De facto greifen hier die Mietendeckel-Regelungen oft noch weniger, zumal die Rechtslage und die zulässige Miethöhe in diesen Fällen oft umstritten sind.

Bestehende Mietverträge

Der Mieter kann die Absenkung der Miete verlangen, wenn die bisherige Miete 20% über den Mietendeckel-Werten liegt. Ob er das tut, ist zunächst Sache des*der Mieters*in selbst.

Im Falle von Kostenübernahmen kann es jedoch dazu kommen, dass vom Träger nur noch der Mietendeckel-Wert übernommen wird oder vom Mieter*in verlangt wird, dass er*sie die Mietsenkung im Rahmen eines „Kostensenkungsverfahrens“ durchsetzt. Rechtlich zulässig ist dies vermutlich nicht, aber wird dann und wann dennoch verlangt.

Und nun?

Im Ergebnis sind Geflüchtete nicht wirklich Profiteure des Mietendeckels, zumindest nicht so lange, wie es keine rechtliche Klärung der Gültigkeit gibt.

Klagen gegen Vermieter*innen sind per se schon in vielen Fällen schwierig und werden oft schon deshalb unterlassen, weil man den Hausfrieden nicht gefährden will. Geflüchtete scheuen solche Verfahren zu recht noch mehr, weil das rechtliche Risiko letztlich von ihnen zu tragen ist.

In vielen Fällen landen deshalb Geflüchtete in dem Dilemma, dass sie Mietverträge mangels Zustimmung der Jobcenter u.a. gar nicht erst bekommen. Klagewege zur Zustimmung sind aus zeitlichen Gründen versperrt, weil kein*e Vermieter*in auf Gerichte wartet. Zudem besteht ein finanzielles Risiko, das Menschen mit Grundsicherung nicht tragen können und wollen. Auch Prüfungen durch Mietervereine helfen in der Praxis nicht. Hier gilt auch, dass darauf nicht gewartet wird.

Geholfen wäre den Menschen jedoch schon, wenn von den Verwaltungen, die die Kosten der Unterkunft übernehmen, die Prüfung der Angemessenheit losgelöst von der Schattenmiete durchführt wird und sie auf die Wirksamkeit des Gesetzes vertrauen. Mindestens dies wäre ebenso völlig zulässig umsetzbar. Die für Berlin zuständige Verwaltung, auch die Jobcenter der Bundesagentur für Arbeit und die sozialen Wohnhilfen der Bezirke, sollte das geltende Gesetz als Maßstab anwenden und auf dessen Gültigkeit setzen.

Menschen im Leistungsbezug sind ohnehin eine vulnerable Gruppe, weil Lebensentscheidungen, wie die eigene Wohnung, von Dritten abhängig sind. Hier ist auch eine besondere Sensibilität und eine der Realität angemessene Prüfung notwendig, die den Betroffenen ein selbstbestimmtes Leben in eigener Wohnung ermöglicht oder ihnen dazu verhilft.

Christian Lüder

Berlin hilft

Der Artikel ist zuerst im Newsletter der Koordinierungsstelle Flüchtlingsmanagement der Senatsverwaltung Integration, Arbeit & Soziales erschienen.

Weitere Informationen zum Mietendeckel:

https://mietendeckel.berlin.de

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