Berlin will Einvernehmen vom BMI für Aufnahme aus Griechenland

Das Land Berlin stellt eine offizielle Anfrage an das Bundesinnenministerium, sein Einvernehmen zu erklären, um Kinder und Jugendliche aus den Lagern von Moria aufnehmen zu können. Dies geht aus dem offenen Brief von Innensenator Geisel vom 14.04. hervor.

Bekanntlich nimmt die Bundesrepublik Deutschland zunächst 58 Kinder aus Griechenland auf. Zahlreiche Kommunen und die Bundesländer Berlin, Niedersachsen und Thüringen, hatten mitgeteilt, dass sie Kapazitäten für eine Aufnahme haben und ein dringendes humanitäres Interesse sehen. kranke oder unbegleitete Kinder aus den prekären griechischen Flüchtlingslagern aufzunehmen.

Eine Kommune kann selbst keine Aufnahme erklären. Sie braucht dazu die Unterstützung vom jeweiligen Bundesland. Ein Bundesland selbst kann eine Aufnahme jedoch auch nur im Einvernehmen mit dem Bundesinnenministerium erklären. Zu diesem Einvernehmen hat das Land Berlin spätestens jetzt auch offiziell beim BMI angefragt.

Es ist jedoch bei einer ablehnenden Antwort lt. Innenverwaltung nicht geplant, dass Berlin dann juristische Schritte prüfen oder einleiten würde. Vielmehr soll dieser Brief das gemeinsam mit Niedersachsen und Thüringen bekundete besondere Interesse an einer Aufnahme über die 58 Kinder für Deutschland insgesamt betonen und herausstellen.

Die Innenverwaltung teilte dazu auch mit, dass ein eingeständiges Verfahren für ein Bundesland praktisch nicht möglich sei, da auch die organisatorischen Fragen wie Identitäts- und Sicherheitsprüfungen etc. nur über den Bund abgedeckt werden könnten. Diese sind jedoch vor Aufnahme bisher bei allen Aufnahmen z.B. aus Seenotrettung lt. BMI zwingend erforderlich gewesen. Dazu gilt jedoch, dass im Moment keine Einreisen von Bundes- oder auch Landesbeamten nach Griechenland möglich wären.

Allerdings gäbe es Wege, dies dennoch zu bewerkstelligen: Die Auswahl weiterer Kinder könnte man dem UNHCR oder IOM übertragen. Ebenso könnte man sich auf die Kinder konzentrieren, die bereits über verwandtschaftliche Beziehungen in Deutschland verfügen. Hier kann man im Zweifel über Gentests auch diese Beziehungen bei fehlenden Papieren relativ einfach nachweisen, sofern nicht ohnehin bereits eine nachhaltige Dokumentation erfolgt ist.

Ein Großteil der Überstellungsanträge aus Griechenland aufgrund verwandtschaftlicher Beziehungen wurde bisher von Deutschland aus rein formellen Gründen (Fristablauf) abgelehnt, aber eben nicht inhaltlich geprüft. Es wäre ein Einfaches, sich auf genau diese Gruppe zu beziehen.

Etwaige Bedenken wegen mögliche Corona-Infektionen löst man nun über eine vorgeschaltete 14-tägige Quarantäne vor weiterer Verteilung.

Ein anderer Weg wäre, wenn der Bund sein Resettlement-Programm erweitert. Die aktuelle Aufnahme erfolgt über einen Selbsteintritt nach Art. 17 Dublin-VO mit der Folge, dass hier ein Asylverfahren durchlaufen werden muss. Sowohl ein Aufnahmeprogramm nach § 23 wie auch ein Resettlement-Programm würden kein Asylverfahren mehr erforderlich machen. Zudem könnte man sich auch hier wiederum auf die Gruppe der Kinder beziehen, deren Verwandte bereits hier sind.

In jedem Fall sind nun jedoch die formalen Voraussetzungen geschaffen, die ein Bundesland für eine derartige Aufnahme und ein entsprechendes Programm benötigt. Abzuwarten bliebt, wie und ob sich das Bundesinnenministerium äußert.

Hier der Text des offenen Briefes von Innensenator Geisel:

„Es ist das gemeinsame Anliegen von Bund und mehreren Bundesländern, den vielen unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen insbesondere auf der griechischen Insel Lesbos Hilfe zukommen zu lassen. Ich begrüße es außerordentlich, dass Sie neben der Unterstützung der griechischen Regierung mit materiellen Hilfen und technischer Ausstattung nunmehr dafür sorgen, dass 50 unbegleitete Minderjährige zeitnah nach Deutschland kommen können. Diese Entscheidung war umso notwendiger, als dass die bisher angestrebte europäische Lösung für die Aufnahme und Verteilung dieser Flüchtlinge offenbar nicht mehr in der notwendigen Zeitnähe realisierbar ist. Für dieses Engagement des Bundes und für Ihr persönliches Engagement in dieser Sache, gerade in den letzten Wochen, danke ich Ihnen sehr.

So wichtig und richtig dieses Handeln Deutschlands auch ist, die Beschleunigung der Asylverfahren für 50 unbegleitete Minderjährige wird die Situation vor Ort kaum entspannen können. Die humanitäre Notlage auf den griechischen Inseln hält weiter an. Wir erhalten dramatische Berichte über die Lebensverhältnisse der Menschen vor Ort, geprägt von vielfach überfüllten Lagern mit fehlender ärztlicher Versorgung bis hin zum Mangel an Wasser und Lebensmitteln.

So sehr die Europäische Union und die Bundesrepublik Deutschland gegenwärtig auch mit der Bewältigung der Corona-Krise und mit deren Folgen beschäftigt sind, so sehr haben wir trotz allem die humanitäre Verpflichtung für Mitmenschlichkeit und Nächstenliebe einzustehen und hilfsbedürftigen Menschen an den Stellen solidarische Hilfe zu leisten, an denen wir das zweifellos können. Ich bin überzeugt, Deutschland kann mehr.

Der Senat von Berlin hat mich gebeten Ihnen mitzuteilen, dass unser Angebot von Dezember 2019, mindestens 70 dieser Kinder in Berlin aufzunehmen, nach wie vor gilt. Und wie Sie wissen gilt das auch für weitere Bundesländer und auch für eine Vielzahl von deutschen Städten und Kommunen. Sofern Sie Ihr Einvernehmen zu unserem Antrag erklären, weitere unbegleitete minderjährige Flüchtlinge von den griechischen Inseln nach § 23.1 Aufenthaltsgesetz nach Deutschland kommen zu lassen, steht unter anderen das Land Berlin für deren Aufnahme bereit.

Der Bund hat sich in dieser Angelegenheit zunächst dafür entschieden, auf der Grundlage des Selbsteintrittsrechts nach Artikel 17 der Dublin-III-Verordnung zu handeln, d.h. nicht über seine Bundesländer zu gehen, sondern selbst die Asylverfahren zu betreiben. Das bietet dann natürlich auch die Chance für weitergehende Hilfen. Wir würden uns freuen, wenn über die vorgenannte konkrete Personengruppe hinaus für weitere Menschen aus dem Flüchtlingslager Moria, die bereits familiäre Beziehungen nach Deutschland haben, eine kurzfristige Aufnahme in Deutschland geprüft wird. Und das könnte beispielsweise auch für schwangere Frauen oder beispielsweise für chronisch erkrankte Menschen gelten.

Auch wenn wir alle wissen, dass grundsätzlich weder die Bundesländer noch der Bund alleine humanitäre Notlagen lösen können, erscheint dem Berliner Senat ein mit Augenmaß initiiertes Sofortprogramm nicht nur machbar, sondern als klares Signal an Europa, dass die solidarische Übernahme von Verantwortung möglich ist. Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie unser Anliegen rasch prüfen könnten und hoffe auf eine positive Rückmeldung.“

https://www.berlin.de/sen/inneres/presse/pressemitteilungen/2020/pressemitteilung.919747.php

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